87 - Hearts

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„Es tut mir ja leid, diese Party sprengen zu müssen."

Die Stimme kam direkt aus dem Nebel. Julian fuhr herum, immer noch am Boden kniend und eine Hand um die von Cress gelegt. Der Dolch in der Anderen fing das wenige weiße Tageslicht ein, das seinen Weg durch den Nebel fand. Eine Frau schlenderte auf die drei zu, groß, schlank, in dunklen Filz gekleidet.

Ihre fast weißen Haare waren so voluminös und chaotisch, dass sie ihren Kopf umgaben wie eine Wolke. Ihre Haut war nur ein paar Nuancen dunkler. Von ihrer Stirn war ein roter Strich bis hinunter zu ihren Lippen gemalt worden. Die schwarz behandschuhten Hände ruhten an ihren Seiten, gleich neben einem Paar Zwillingsdolche, die ihr bis zu den Knien und den dort ansetzenden Stiefeln hinunter reichten. Eine Farblose. Eine trotz des Gifts in der Luft lebendige Farblose, die viel zu fein gekleidet war für ihren Status.

Das hieß, dass sie entweder zu den Diamonds oder den Hearts gehörte. Cress würde es wissen. Julian richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Immer noch stach der Einstich in seinem Arm. Auf der Brust der jungen Frau glitzerte ein mit silbernem Garn gesticktes Herz, das Julian einen Schauer über den Rücken jagte. Eine Assassinin. Sie musste den Mann kennen, den sie vor ein paar Wochen hingerichtet hatten. 

„Wer seid ihr?", fragte Julian, während die übrigen Soldaten die Neuankömmlinge über ihre angelegten Plasmapistolen hinweg musterten. Das ging heute alles zu schnell. Hinter der Anführerin tauchten weitere Gestalten aus dem Nebel auf, Männer und Frauen in schwarz. Keine Plasmaklingen, nur blitzender Stahl. Erst zehn, dann zwanzig.

Julians Augen huschten hin und her, während er versuchte jede Bewegung wahrzunehmen. So viele, denen das Gas nicht im geringsten zu schaden schien. Die blasse Frau an der Spitze hatte ihren Blick auf die bewegungslose Cress gesenkt.

„Habt ihr die Nachtelster umgebracht?"

Es war eine Fangfrage. Und Julian wusste nicht, ob sie den Tod der Diebin begrüßen, oder sie alle dafür erstechen würde. Nicht, dass seine Farbe den Hearts nicht bereits genug Anlass geben würde, ihn von diesem Hochhaus zu werfen.

„Sie ist nicht tot", knurrte er.

Die rote Farbe auf dem Gesicht der Frau sah dunkel wie Blut aus, als sie den Kopf senkte.

„Aber sie wäre es gewesen."

Er deutete auf das Drahtseil. Sie kam auf ihn zu, langsam und mit katzenhafter Eleganz. Er kannte nur eine, die sich so bewegte. Die, die gerade zu seinen Füßen auf dem kalten Beton lag. Die Augen der Fremden waren grün, leuchteten wegen dem Kontrast zu dem roten Tattoo umso heller.

„Ihr seht dem König sehr ähnlich, Cyan", eine Klinge liebkoste seinen Hals, bevor er auch nur einen Muskel bewegen konnte. Julian stieß ein pfeifendes Lachen aus, hielt seine Begleiter mit einer Handbewegung davon ab, etwas sehr dummes zu tun.

„Ich habe den König umgebracht", log er. Der Satz schmeckte so bitter, dass er sich am liebsten übergeben hätte.

Die Farblose erstarrte. Ihre Augen huschten hin und her, suchten nach einer gut versteckten Lüge und fanden keine. Die Klinge verschwand von seinem Hals. Es schien sie einige Mühe zu kosten nicht zu lächeln. Julian wandte den Blick nicht ab. Er würde sich nicht von ihr in den Boden starren lassen.

„Ihr habt sicher eine interessante Geschichte zu erzählen, Farbverräter", murmelte sie. „Aber, wenn ich so darüber nachdenke, braucht man nur einen Mann, um eine Geschichte zu erzählen."

Sie deutete auf die zwei Grünen hinter ihm.

„Wenn einer von euch einen Aufstand macht, dann sterben die anderen beiden."

SkythiefWhere stories live. Discover now