Kapitel 2 - Home Sweet Home

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Kapitel 2

Home Sweet Home


~Mile~

»Aufstehen, Kleine! Heute ist unser erster Tag in unserem neuen, schönen Leben!«, jubelte Mile.
Als Antwort bekam er ein genervtes »Mmmpf«.
Wie konnte seine Schwester jetzt noch schlafen? Natürlich, die Betten waren weich und die Decken flauschig... So was hatten sie im Waisenhaus in Berlin nicht gehabt.
Gestern waren sie erst sehr spät angekommen. Ihr Chauffeur hatte Mile und Sabrina geholfen, die Koffer aus dem Wagen zu wuchten und hatte sie dann alleine vor der riesigen Villa, die am Rande des Dorfes auf einer Anhöhe gebaut worden war, stehen gelassen. Links von dem Gebäude, das das neue zu Hause der Geschwister werden würde, begann der Wald zu wuchern. Man hatte sogar einen Hirsch erkennen können, der am Waldrand umhergesprungen war, gekrönt mit seinem majestätischen Geweih.
Nur der fahle Schein des Vollmondes, der jedoch von dunklen Wolken immer wieder verdeckt worden war, hatte das Anwesen beleuchtet. Man hatte nur das Profil der Villa erkennen können.
Gross, mit Türmen, Erkern und allem drum und dran. Ein langer Kiesweg führte zu einer protzigen Eichentüre. Rund herum wuchs eine Wiese, die von Sträuchern und Blumen bestückt war. Garantiert hatte ein Gärtner das Ganze angelegt. Ein, wie er fand, kitschiger Springbrunnen stand in der Mitte des Parks. Ein grosses, steinernes Wasserbecken. In der Mitte der steinernen Schüssel stand eine Säule, auf der eine Skulptur thronte. Ein Löwe. Alles aus weissem Marmor.
Protzig. Und irgendwie gruselig.
Es war so düster gewesen. Und dieser leichte, silberne Schimmer, der das dunkle Gebäude umhüllt hatte... Aber was Mile wirklich ein ungutes Gefühl in der Magengegend verursacht hatte, waren die riesigen Bäume gewesen, die rund um Haus und Park wuchsen. Sie waren sehr alt. Was für eine Art Baum es war, hatte Mile nicht gewusst. Sie waren kahl, denn der Winter hatte ihnen ihre Blätterkleider entrissen. Dafür hatten sie nun auf jedem Ast eine dünne Schicht Schnee getragen. Klar, denn es war Mitte Januar und so noch ziemlich kalt.
Mile hatte sich nach Sabrina umgesehen. Sie hatte ihre Lippen fest aufeinandergepresst, was sie älter aussehen liess, als sie war. Sie war am zweiundzwanzigsten Dezember sechzehn geworden.
Ein Teenager, an der Schwelle zum Erwachsenwerden und doch hatte sie in ihrem Leben schon mehr Leid durchstehen müssen, als so mancher Erwachsene.
Seine Schwester war so blass gewesen. Diese helle Hautfarbe hatten sie beide von ihrer Mutter geerbt. In Sabrinas Augen hatten Misstrauen, Schmerz und Angst gestanden.
Angst vor dem gruseligen Park, dem riesigen Haus und den Menschen, die dort wohnen mochten.
Die Tallos - ihre Adoptiveltern. Eigenartig, dass man sie hier so alleine vor diesem fremden Haus, bei diesen Unbekannten gelassen hatte. Kein Sozialarbeiter oder etwas in der Art. Nein, nichts. Gar nichts.
Aber egal! Hauptsache weg von dem Waisenhaus!
Mile hatte Sabrinas Hand genommen und sie fest gedrückt. Ihre kleinen Hände waren kalt gewesen. Eiskalt. Sabrina hatte den Blick von dem gruseligen Gebäude abgewendet und stattdessen ihn angesehen. Eisblaue Augen. Nun blitzten sie trotzig. Doch hinter dieser Maske, erkannte er die Wahrheit immer. Dort hinten versteckte sie, seit dem Verschwinden ihrer Eltern, sich selbst.
Sabrina.
Die Kleine.
Er hatte nochmals ihre kleine Hand gedrückt.
Lächeln.
Mut schenken.
Er wusste immer, was er tun musste. Es war kein Gefühl, keine Stimme in seinem Kopf, die ihm einflüsterte, was er zu tun hatte. Er wusste es einfach. Und er hatte gewusst, er musste seiner Schwester helfen, ihr zeigen, dass sie es schaffen konnte. Ja, dass sie es zusammen schaffen konnten.
»Komm, du bist schon ganz blau vor Kälte!«, hatte er gesagt und ihr den Koffer abgenommen.
Sie hatte gelächelt.
So ist gut, Sabrina! Weg mit der Maske!
Er hatte die Koffer, die ihre wenigen Habseligkeiten beinhalteten, zur Tür des Anwesens geschleppt. Der Kies hatte geknirscht und ein Käuzchen hatte seinen schauerlichen Ruf über den Park erschallen lassen.
Keine Klingel. Nur ein stählerner Reif, der im Maul eines Löwen hing. Ein Löwe. Das Lieblingstier seines Vaters...
Sabrina hatte die Stirn gerunzelt und ihn fragend angesehen. Mile hatte die Schultern gezuckt.
Mit einem leisen »Sind ja voll die Gruftis« hatte sie die Hand ausgestreckt und den schweren Metallring an die Türe geschlagen. Es hatte wie Donnergrollen durch die Nacht gehallt. Dann hatte Stille gefolgt.
Zack!
Ein kleines Fenster, das Mile zuvor überhaupt nicht aufgefallen war, war geöffnet worden und zwei grosse, schokoladenbraune Augen hatten misstrauisch nach draussen gespäht. Die Augen hatten sich geweitet und ein leiser Jauchzer war durch das dicke Eichenholz der Türe gedrungen.
Zack! - Die Klappe war zugeschlagen worden, die Türe hatte sich geöffnet und warmes Licht hatte die Geschwister geblendet.
Eine dickliche, altmodisch gekleidete Frau hatte sie hineingezogen. Ein Diener oder so was war an ihnen vorbeigerauscht und hatte ihre Koffer in die Villa geschleppt.
»Da seid ihr ja, ihr zwei Süssen!«, hatte die Frau geflüstert und Sabrina in die Wange gekniffen. Mile hatte dafür eine Riesenumarmung bekommen.
Die kleine, pummelige Frau hatte sich ihnen als „Nelly" vorgestellt und die Geschwister gleich auf ihre Zimmer geführt.
»Die Lady und ihr Mann sind schon im Bett. Sind halt alte Leute, müsst ihr wissen. Morgen beim Frühstück lernt ihr sie dann kennen. Aber jetzt schlaft ihr mal schön ein Bisschen. Ihr könnt ja kaum noch richtig gehen, ihr zwei«, hatte Nelly gesagt und der Rest der Erinnerungen verschwamm in einem Nebel aus Schlaf.
Jetzt, da sich Mile noch einmal alles durch den Kopf gehen liess, wunderte er sich erneut. Da stimmte doch irgendetwas nicht!
Sie waren von irgendwelchen Fremden per Post adoptiert worden und schon kurze Zeit später, hatten sie ihre Sachen gepackt und waren dann mit dem Taxi zu ihren neuen Vormunden gefahren. Mile hatte sich zwar bei dem Pater, der das Waisenhaus geleitet hatte, erkundigt, ob da auch alles mit rechten Dingen zuging, doch der Prediger hatte ihn nur abgewimmelt, hatte gesagt, es wäre schon alles in Ordnung und er solle sich keine Sorgen machen.
Aber eigentlich sollte doch mindestens ein Sozialarbeiter dabei sein, wenn Sabrina und er diesen Tallos um zehn Uhr vorgestellt werden würden, oder?
Apropos... Nun war es schon halb neun! Was sollten die Tallos nur von ihnen denken, wenn sie zu spät kamen?
»Sabrina! Kleine! Muss ich reinkommen?«, fragte Mile und klopfte weiter gegen Sabrinas Zimmertüre. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er schon bei dem Wort „Kleines" einen dumpfen Fluch vernahm. Gleich darauf wurde die Tür aufgerissen und eine mies gelaunte Sabrina stand im Türrahmen. Sie hatte ein weisses Nachtkleid an, das ihr viel zu lang war. Ihre blonden Haare waren verstrubbelt, sodass sie einen Kranz um ihren Kopf bildeten. Die Wangen waren rosig und auf der Rechten war der Abdruck eines Kissens zu sehen. Ihre Lippen, wie immer dunkelrot als wäre ihr kalt, waren zu einer Grimasse verzogen.
»Mile! Was willst du denn? Du weisst doch, wie schlecht ich an Vollmonden schlafe. Wieso weckst du mich?«
Hatte sie etwa vergessen, was heute los war?!
»Guten Morgen, Kleine. Erde an Sabrina? Das hier ist nicht das Waisenhaus! Wir sind adoptiert worden, du Dussel! Es ist halb neun! Um zehn gibt's Frühstück! Du musst dich beeilen, es sei denn, du willst so«, er musterte sie gespielt empört, »unter die Leute gehen!«
Sabrinas Augen weiteten sich und sie schubste ihn weg.
»Shit! Los, hau ab, ich muss mich umziehen! Oder halt, warte! Hast du die Dusche schon gefunden? Die müssen doch mindestens zwanzig Badezimmer in diesem Schloss von Villa haben, oder? Und wenn nicht: Ich dusche als Erste. Dann du!.«
Noch bevor Mile etwas erwidern oder protestieren konnte, schlug sie ihm dir Tür vor der Nase zu.


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Oh, ihr treuen Leser dort draussen. Ihr kämpft euch durch diesen Blizzard aus Buchstaben, um schliesslich hier zu enden.
Spass bei Seite :) - Jetzt wird's ernst! Heheee...

Sabrina - Eine der Hauptpersonen. Ich möchte das hier mal schnell erwähnen. Sabrina - So heisst meine beste Freundin. Jaaa, duuu, Sabi^^
Ihr habt ihr es zu verdanken, dass ich überhaupt so viel schreibe, geschrieben habe UND schreiben werde. Ihr dürft Sabi jetzt entweder hassen, oder lieben^^ Aber liebt sie lieber, denn sie ist klasse^^
Sie schreibt selber nicht, trotzdem widme ich ihr dieses Kapitel.

Viel Spass weiterhin beim Lesen,

Eure Dreamtravel


Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWhere stories live. Discover now