Kapitel 27 - Rote Raben und Bücher voller Schicksal

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Kapitel 27

Rote Raben und Bücher voller Schicksal


~Mile~

Ein Meer aus Körpern lag vor ihm. Es schwappte immer wieder geräuschvoll gegen das Holz der Tribüne. Doch keine der Körper-Wellen traute sich, hinaufzuklettern. Niemand wollte sich mit ihm anlegen. Auch wenn viele von ihnen die Herrscher verachteten, so traute sich absolut niemand, die Hand gegen ihn zu erheben.
Hinter ihm sassen einige der Mächtigsten dieser Welt auf hölzernen Klappstühlen. Und er stand alleine vor einem Rednerpult. Da war kein Mikrophon wie es die Politiker in den Nachrichten im TV hatten. Links und rechts seines Pults standen zwei Fahnenmasten. Er blickte hinauf und sah sich einen Moment den Stoff an, der vom Wind hin und her gerissen wurde. Die Wappentiere der Herrscher. Der schwarze Löwe und der weisse Hirsch.
Er legte die Hände auf das Pult. Das Holz war rau. Die Schatten der Bäume hinter ihm tanzten über Holz und seine Haut. Die Luft knisterte beinahe vor Gehässigkeit und Furcht. Seine Aufgabe war es nun, diese negativen Gefühle zu ersetzen. Irgendwie musste er diesen Haufen ignoranter, verblendeter Trottel auf seine Seite ziehen.
Sein Herz raste. Was er jetzt sagen würde, konnte die Geschichte dieser Welt verändern.
Er räusperte sich.
»Rebellen jedes Geschlechts, Grösse oder Rasse. Von Norden, Süden, Osten und Westen. Ob ihr im Wasser, in der Luft, über oder unter der Erde lebt. Das ist unsere Zeit. Jetzt. Endlich haben wir die Chance. Wir werden die Dunklen vom Thron stürzen. Von einem Thron, der nicht ihnen gehört!«, brüllte er so laut er konnte und wieder schwang die alte Autorität in seiner Stimme, wie damals in LaRuh.
Applaus. Die Rebellen die für die Herrscher standen jubelten ihm zu. Aber auch missmutiges Gemurre von Seiten seiner Gegner. Er hörte den Barbarenkönig Azzarro hinter sich lachen. Es war kein gutes Gefühl diesen hässlichen Dreckhaufen von Rebellenführer im Rücken zu haben.
»Wir können die Dunklen nicht töten. Nicht in dieser Welt und auch in keiner anderen. Ausserdem war es noch nie die Aufgabe der Herrscher zu bestrafen. Die Aufgabe eines Herrschers ist es, zu beschützen. Doch diese Welt ist nicht in Sicherheit, solange es Wesen gibt, die ihre Macht ausnutzen um die zu unterwerfen, die sich nicht wehren können. Wir alle haben ein Recht auf Freiheit und ein glückliches Leben. Befreien wir uns aus den Ketten, die man uns angelegt hat. Ketten aus Angst, Chaos, Dunkelheit und Sklaverei!«, schrie er. Martin Luther King lässt grüssen. Wieder Applaus, Gejohle und gehässige Zwischenrufe. Ein Minotaurus der in der vordersten Reihe vor der Bühne stand brüllte zu ihm hinauf: »Aber wer sagt, dass ausgerechnet einer wie du uns anführen soll? Wegen deinem flammendem Blut? Deinem schmutzigen Herrscherblut? Diese Märchenwelt wurde schon viel zu lange von Wesen wie dir beherrscht! Von Feiglingen die sich lieber in fremde Welten flüchten, als für die eigene zu Kämpfen!« Die Rebellen neben ihm brüllten zustimmend.
Miles Hände begannen leicht golden zu leuchten. Es war schwer, das Feuer zu unterdrücken bei all der Aufregung.
»Was meine Eltern taten mag als feige und verräterisch wirken, doch das war nie der Fall! Wären sie geblieben, hätten die Dunklen das Blut der Herrscher endgültig ausgelöscht. Man hätte meine Eltern ermordet und meine Schwester und mich hätte es niemals gegeben...«
»Was auch unglaublich schade wäre. Wir wollen dich und die Huren-Tochter nicht!«, kreischte jemand aus der Menge.
Flammen schossen aus Miles Fingerspitzen. Schnell liess er sie erlöschen, bevor sie da Rednerpult in Brand stecken konnten. Verdammt! Mile, das ist eine Bühne und kein Scheiterhaufen, dachte er und biss sich auf die Lippe. Nur die Ruhe bewahren...
»Nun sind meine Eltern tot«, er schluckte. Nun rief niemand dazwischen. Ein wenig Anstand hatten diese Typen also doch... »Meine Schwester, die Eisprinzessin lebt. Und ich ebenfalls. Wir sind das Vermächtnis der Herrscher. Kämpft in dieser Armee und wir werden siegen. Tut ihr es nicht, werden wir trotzdem kämpfen, sei es unser Untergang. Aber wenn ihr kämpft, dann tut es freiwillig und wenn ihr es tut, dann an der Seite der Rebellen und den Herrschern. Wir kämpfen mit Feuer und Eis, mit Mut und Ehre. Wir kämpfen für die Freiheit, für Sommer und Winter, für Licht und Dunkel, für das Gleichgewicht der Welten!«
»Genau!«
»Nieder mit den Dunklen!«
Immer mehr Rebellen begannen zu jubeln. Sogar einige der zuvor gehässig drein blickenden östlichen Rebellen liessen sich nun mitreissen. Er würde es schaffen!
»Ich schwöre bei den Seelen meiner Eltern, bei dem Feuer, das in meinem Herz brennt, bei dem scharfem und kaltem Verstand meiner Schwester, der Eisprinzessin, bei der goldenen Sonne, den Monden dieser Welt, bei der Magie, der Liebe, der Freiheit, bei allen Welten, ob wir aus ihnen stammen oder nicht, ich schwöre...«, er atmete schwer. Ihm war heiss. Das Feuer brach durch und setzte seine Hände in Brandt.
»Wir schwören, wir werden diesen verfluchten Dunklen die Ärsche abfackeln!«, schrie jemand neben ihm.
Die Rebellen brüllten. Sie schlugen mit ihren Schwertern auf ihre Schilde ein. Der Lärm machte einem Heavy Metal Konzert Konkurrenz. Selbst der Minotaurus, der ihm zuvor ins Wort gefallen war, brüllte sich die Seele aus dem Leib. Zwar waren die Blicke einiger Rebellen noch immer gehässig und voller Verachtung, doch es waren weniger.
Mile lachte. Er drehte sich um, um zu sehen, wer seiner Rede diesem passenden Schluss gegeben hatte.
Ein Lächeln, das für ihn das schönste dieser Welt war. Wallender, roter Stoff fiel ihm um den Hals.
Red.
Natürlich. Er löschte das goldene Feuer seiner Hände, damit er Red dankend über den schwarzen Haarschopf streichen konnte.
Er hatte es geschafft! Nein. Sie beide hatten es geschafft. Ach, wäre nur Sabrina hier.

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWhere stories live. Discover now