Kapitel 46 - Wer wir sind und was wir tun

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Kapitel 46

Wer wir sind und was wir tun

~Sabrina~

Dunkelheit.

Das ist ein allgemeines Wort. Ein ungenaues Wort. Ein Wort, das beschreibt, wie unser Auge das Licht oder dessen Mangel empfindet. Ein Überbegriff für den unantastbaren Schatten, der uns verfolgt, unsere dunkle Seite ist und den wir niemals loslassen können, da es ohne ihn auch keine Helligkeit geben könnte.

Dabei ist das Wort Dunkelheit viel zu allumfassend, denn Dunkelheit ist nicht gleich Dunkelheit. Jeder Schatten ist anders. Verschieden schwarz, verschieden finster, verschieden grausam.

So auch die Schwärze, die Sabrina zu erdrücken drohte.

Allgegenwärtig war er, der Schatten. Er umhüllte sie, drückte ihr die Luft aus den Lungen, fuhr durch sie hindurch, vergiftete sie. Sie war eine Sklavin der Nacht, dem Lichte beraubt, blind. Sie war blind.

Der Dunkelheit unterlegen lag sie da, die Augen geschlossen, wartend. Ausharrend in den Schatten. Wo war sie? Wieso war sie hier? Bei allen Himmeln, was war gerade geschehen?

Sabrina erinnerte sich, trainiert zu haben. Mit Bree... dann mit Falk...

Die Augen noch immer geschlossen, liess sie ihre rechte Hand ganz, ganz langsam zu ihrer Wange hinauftasten.

Kein Blut. Keine Wunde. Nichts!Dabei konnte sie sich doch noch daran erinnern... An den Schmerz... Nicht schlimm, wirklich nicht. Nur ein Kratzer, verursacht durch den Haken des Piraten. Nicht absichtlich. Nur ein Unfall.

Sabrina lauschte ihrem Atem. Er war unregelmässig und schnell. Das lag an der Angst.

Seit sie von den Tallos adoptiert worden war, wurde sie von der Angst verfolgt.

Angst vor der Schule, Angst vor der Einsamkeit, Angst vor Randall, Angst vor Wölfen, Angst vor dieser neuen Welt, Angst vor der Liebe, Angst vor Monstern, Angst vor Träumen, Angst vor Gedanken, Angst vor dem Versagen und Angst vor der Dunkelheit.

Schonwieder... Dunkelheit... Dieses Wort...

Ein Begriff, der jeden an die Orientierungslosigkeit, Leere und Finsternis erinnert.

Dunkelheit. Ein dehnbarer Begriff...

Sabrina konzentrierte sich wieder auf ihre Atmung. Sie musste sich beruhigen! Die Frage war nur, wie?

Natürlich kannte Sabrina diesen Ort. Diese unendliche Schwärze, in der sie schon so viele Stunden verbracht hatte. Alleine. Verloren.

Die Starre.

Oh, wie sie sie hasste.

Ihr Bruder würde zum Kraftkoloss werden, seine Sinne würden sich bis ins Unermessliche schärfen, er konnte Fata Morganas heraufbeschwören und nicht zu vergessen, er war natürlich auch noch ein magisches Feuerzeug.

Und sie selbst? Sie durfte sich mit fremden Gedanken, Zeitstillständen und diesem vermaledeitem Traumreisen herumschlagen! Immer wieder erwachte sie in dieser ätzenden Starre, wo sie Ewigkeiten in der düsteren Verlorenheit herumwandeln oder vor sich hinvegetieren musste. Und trotz all den endlosen Stunden, die sie bereits in der Traumwelt verbracht hatte, konnte sie ihre Gabe nicht kontrollieren.

Stattdessen schien es genau umgekehrt zu sein. Die Gabe beherrschte sie!

Was sie auch tat, ihr Verhängnis war allgegenwärtig. Sie konnte nicht fliehen.

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisDonde viven las historias. Descúbrelo ahora