Kapitel 24 - Von Barbaren und Märchen aus der Besenkammer

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Kapitel 24

Von Barbaren und Märchen aus der Besenkammer


~Sabrina~

Dunkelheit. Etwa die Starre? Schon wieder? Würde das jetzt immer so ablaufen? Würde ihr keine ruhige Nacht mehr vergönnt sein? Würde sie ab jetzt immer irgendwo in einer schwarzen Parallelwelt aufwachen?
»Wieso habe ich eigentlich immer so ein verdammtes Pech?«, maulte sie leise und rieb sich über die Augen. Sie fühlte sich total gerädert...
»Ich hoffe, damit meinst du nicht mich!«, knurrte es auf einmal vor ihr.
Wie vom Donner gerührt erstarrte sie. Diese Stimme... Auf einmal kamen die ganzen Erinnerungen zurück. Mondkind, Faritales, die Traumreiserei, das Piratenschiff, Falk und... und der Kuss...
Okay, jetzt war eindeutig etwa nicht mehr in Ordnung. Natürlich war ihr diese Stimme bekannt vorgekommen! Sie gehörte diesem Drecks-Piraten. Und dieser Kerl hatte sich jetzt auch noch in ihre Träume geschlichen? Na toll. Verdammt! Sie träumte von dem Kerl! Nicht gut...
»Falk? Was machst du denn in meinen Träumen? Verzieh dich gefälligst!«, fluchte sie und blinzelte misstrauisch ins Dunkle.
»Es freut mich zu hören, dass du von mir träumst Prinzesschen, aber das ist kein Traum. Ausser, es ist meiner. Aber ich glaube nicht, dass ich so viel Fantasie hätte, um Eurer bezauberndes Gesicht in meinem Kopf so detailgetreu nachstellen zu können, Prinzesschen.«
Kein Traum? Vorsichtshalber zwickte sie sich in den Arm. Tatsache – Kein Traum...
Da sie nach dieser Erkenntnis nicht gleich wusste, ob sie lachen oder weinen sollte, schob sie diese Entscheidung fürs Erste beiseite und antwortete stattdessen: »Schleimer!«
Der Pirat lachte.
Mittlerweile hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit angepasst. Forschend sah sie sich um. Sie sassen in einer... Besenkammer? Jedenfalls war es ein Abstellraum. Knapp zwei Quadratmeter gross und vollgestopft mit allerlei Gerümpel. Regale, die so zugemüllt waren wie diese alten Tante-Emma-Läden, die man in den entlegensten Winkeln und Gassen fand. Waffen, Rüstungsteile, Bücher, Glaskugeln... Ein Wunder, dass die alten Holzgestelle nicht zusammenbrachen! Sie selbst sass in einem alten Ohrensessel, der an der Wand stand. Hook lehnte an der Wand ihr gegenüber, zwischen ihnen bestand also keine besonders grosse Distanz. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und grinste sie an. Er suchte ihren Blick, doch sie vermied es ihn anzusehen. Zu gross war das Risiko, in diesen Ozeanaugen zu versinken. Um einen Vorwand zu haben, ihn nicht ansehen zu müssen, beugte sie sich vor, stützte sich mit den Ellbogen auf ihre Knie und rieb sich den Schädel, der tatsächlich etwas brummte. Autsch! Das war keine gute Idee gewesen. Sie hatte ihre Kopfverletzung berührt, was höllisch wehtat. Die Platzwunde, dieses unerfreuliche Souvenir aus ihrer letzten Traumreise, hatte sie ganz vergessen. Sie blickte auf ihre Finger, die widererwarten nicht blutverschmiert waren.
»Ich habe die Wunde gereinigt. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass deine Haare nun einige Tage nach Rum riechen werden«, brummte der Pirat und wedelte mit einem Flachmann, in dem es leise gluckerte. Er hatte ihre Verletzung ausgewaschen? Okay... Das war nett. Für ein Danke war sie sich jedoch zu schade. Stattdessen fragte sie: »Wo hast du das denn her?« Sie stand auf, um ihm die Flasche abzunehmen. Vorsichtig schnüffelte sie an der Öffnung und verzog das Gesicht.
»Ich bin ein Pirat! Das gehört praktisch zur Grundausstattung. Ich glaube, das Zeug ist ein bisschen zu heftig für deinen feinen Prinzessinnen-Gaumen!«, murmelte er und versuchte ihr den Flachmann wieder abzunehmen, doch Sabrina wirbelte herum und liess sich wieder in den Ohrensessel fallen. »Wo sind wir hier eigentlich?«, fragte sie und liess den Rum in der Flasche hin und her schwappen.
»In irgendeinem Abstellraum. Hier kommt praktisch nie jemand her...«
»Das klingt, als ob wir hier schon lange herumsitzen. War ich den so lange... bewusstlos?«, fragte sie erstaunt.
»Aye. Fast zwei Tage. Anscheinend ist Traumreisen, oder wie man das nennt, ziemlich anstrengend! Aber langweilig ist uns nie geworden, glaube mir!«, kicherte er mit einem zweideutigen Unterton, den sie nicht verstand.
»Was soll das jetzt wieder bedeuten?«, fragte Sabrina misstrauisch.
Falk lächelte verzückt. »Du hast im Schlaf geredet. Und du hast meinen Namen gesagt...«, säuselte er hingerissen.
»Was?! Oh Gott! Hab ich sonst noch was gesagt?«, quiekte sie leicht panisch. Oh jemine! Was könnte sie alles verraten haben?!
»Aye, schon... Du hast von deinem Bruder geredet und dass er ein Idiot ist. Und du hast irgendetwas von einem Eril geredet...«, erzählte er und zuckte mit den Schultern.
Sabrina stöhnte, hob den Flachmann an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck. Sofort bereute sie es, denn der Rum brannte ihr in der Kehle. Falk stürzte nach vorne und entriss ihr den Alkohol.
»Sabrina! Das ist Rum! Das haut den stärksten Mann von Bord!«
»Rum? Das ist glühende Lava! Hast du denn auch ein bisschen Wasser?«, keuchte sie und hielt sich den Hals.
Zu ihrer Überraschung hob Falk eine Kanne Wasser und ein Glas aus einem der Regale neben ihnen und schenkte ihr ein. Sie beschloss, erst die ganze Kanne leer zu trinken und dann zu fragen, wo er das Wasser her hatte. Statt das Glas zu nehmen, das er ihr hinhielt, schnappte sie ihm die Kanne aus der anderen Hand und trank gierig das kühle Wasser.
»Vielleicht ist es ja ganz gut, wenn du etwas betrunken bist, dann fällt es mir leichter, dich zu küssen...«, schnurrte er und lachte. Er schien die beste Laune zu haben.
Vor lauter Schreck verschluckte sich Sabrina und bekam einen Hustenanfall. Fürsorglich nahm der Pirat ihr die Kanne aus der Hand und klopfte ihr auf den Rücken.
»Langsam trinken, Prinzesschen! Nur die Ruhe, das war nur ein Witz. Ich würde niemals eine Frau verführen, die nicht zurechnungsfähig ist!«
»Ich... ich... Falk... Bin vergeben...«, röchelte sie und nahm ihm erneut den Wasserkrug aus der Hand, diesmal, um den Husten runterzuspülen.
Der Captain ohne Schiff zischte abfällig. »Pha, das kann mir doch egal sein.« Kurz verfiel er in grimmiges Schweigen, dann fragte er: »Wer ist der Kerl?«
Etwas widerwillig antwortete sie: » Erillion Aquelliėre aus dem Lande Virid'agru. Drachenreiter und Oberster Offizier der Rebellen.«
»Ein Drachenreiter? Das halte ich für keine gute Idee. Und dann auch noch ein Elf!« Er rümpfte die Nase.
Sabrina holte empört Luft... und hustete. »Aha und du sollst eine gute Idee sein? Wir... wir kennen uns doch erst... ein paar Stunden... Und überhaupt...woher willst... Du kennst Eril doch nicht einmal?«, schnaubte sie, sobald sie genug Luft schnappen konnte.
»Die Prinzessin hat wohl Erinnerungslücken. Als wir das letzte Mal gesprochen haben, hast du zu mir gesagt, du würdest mich gut genug kennen, um zu sehen, dass ich nicht böse wäre und...«
»Das reicht nicht!«
Falk zuckte lässig mit den Schultern. »Mir egal. Ein Pirat tut immer das, was er will. Piraten sind frei...«
Sabrina runzelte die Stirn. Frei? Das war nicht das Wort, das sie als Schlüsselwort bei einem Thema wie Piraterie setzen würde.
Um Hook seine Euphorie zu nehmen, gab Sabrina zu: »Was Eril anbetrifft – Er ist mein... Gefährte. Ich gebe zu, die Dinge zwischen uns sind kompliziert. Es ist nicht gerade hilfreich, dass mich hier jeder davon zu überzeugen versucht, die Drachenreiter wären nicht vertrauenswürdig genug. Immerhin helfen sie uns doch bei dieser Rebellion, oder nicht? Ich weiss ich nicht, was hier vorgeht... Keine Ahnung, die Sache ist kompliziert. Manchmal habe ich das Gefühl, seine... Zuneigung zu mir hat nur politische Gründe, aber... vielleicht bilde ich mir den ganzen Käse ja auch nur ein und alles ist in Ordnung. Ach, warum erzähle ich dir das überhaupt...«
»Eigentlich ist es mir egal, ob er dich liebt oder nicht oder ob es kompliziert ist. Wenn er dich liebt, wird er um dich kämpfen müssen. Und wenn nicht, ist es mir auch egal! Ich jedenfalls werde nicht tatenlos herumstehen. Mein Name ist Captain Falk James Jones Hook. Und wenn ich etwas will, dann nehme ich es mir. Und ich bekomme immer, was ich will!«, knurrte er und grinste sie breit an.
Ihr Herz begann wieder wild gegen ihre Brust zu flattern. Er wollte sie? »Dann hör auf, etwas zu wollen! Du bringst alles durcheinander! Du stellst mein ohnehin schon verdrehtes Leben nur noch mehr auf den Kopf! Bevor ich dich getroffen habe, war alles in Ordnung!«, keifte sie, als sie sich dem Ausmass ihres Malheurs bewusst wurde. Sie hatte diesen Piraten hierher gebracht. Wie sollte sie das den anderen erklären? Und wie würden sie auf Falk reagieren? Was würde Falk tun? Klar war, dass er alles durcheinanderbringen und sie aus der Bahn werfen würde. Himmel! Wieso hatte sie ihm überhaupt angeboten, dass er mit ihr kommen könnte?
»Tut mir leid, du hast mich geküsst und Captain Hook küsst man nicht einfach so mir nichts, dir nichts!«, lachte der Pirat.
»Ich musste dich küssen. Es war die einzige Möglichkeit, dich abzulenken!«, wehrte sich Sabrina. Sie konnte selbst hören, wie bescheuert das klang...
Wieder lachte der Pirat. »Oh nein, es hätte tausend Möglichkeiten gegeben, statt mich zu küssen hättest du mir genauso noch einmal ins Bein treten können. Oder du... Was weiss ich. Aber du, du Prinzessin, hast mich geküsst!«, murmelte er sanft. Er war immer näher an sie herangetreten. Nun stand er ganz dicht vor ihr.
»Ich... ich...«, stammelte sie. Wie machte er das? Er schaffte es immer wieder, sie aus der Fassung zu bringen!
»Du hast mich geküsst!«, flüsterte er und beugte sich zu ihr hinunter um sich auf die Armlehnen des Ohrensessels zu stützen.
Sabrina versank in dem Polster des Sessels und konnte nicht anders, als den Jungen über ihr anzustarren. Schubs ihn weg! Tritt ihm in die Eier! Mach was!, versuchte sie, sich selbst anzustacheln, doch es war hoffnungslos. Sie wollte nicht... Aber warum nicht? War das der Alkohol? Ja, ganz klar. Der Alkohol war schuld! Sie fühlte sich wirklich ein wenig eigenartig! Das war der Alk. Punkt.
»Warum gibst du es nicht einfach zu? Du stehst doch auf mich!«, hauchte er.
»Nein!«, murmelte sie und klang dabei nicht einmal ansatzweise überzeugend.
Seine Lippen waren so nah, dass sie seinen Atem auf der Haut spüren konnte.
Kläglich! Erbärmlich!
»Dann willst du auch nicht, dass ich dich jetzt küsse?«
»N... nein! Nicht...«, flüsterte sie und schielte auf seinen Mund.
Er kicherte. Sabrinas Herz schien gerade einen Weltrekord im Schnell-Klopfen aufstellen zu wollen.
»Du weisst, dass du sehr authentisch wirkst?«, zog er sie auf.
Langsam, sich jeder Bewegung bewusst, hob er seine rechte Hand und legte sie Sabrina in den Nacken, spreizte die Finger und fuhr durch ihre Haare, bis seine Hand auf ihrem Hinterkopf lag.
Ihre Organe spielten verrückt. Ihr Gehirn schaltete sich endgültig ab, ihre Lunge ging auf Standby, ihr Magen machte Bungeejumping in ihrem Bauch und ihr Herz schien einen epileptischen Anfall zu haben, denn mal klopfte es so wild in ihrer Brust, dass sie das Gefühl hatte, es würde jeden Augenblick zerspringen und dann setzte es plötzlich wieder einen Schlag aus.
Falk legte den Kopf leicht schief und senkte den Blick, um ihre Lippen zu betrachten. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Dann beugte er sich unendlich langsam weiter vor. Sabrina schloss die Augen und wartete...
»Hey Leute, ich... Ach du... Mensch! Kaum lässt man euch 'ne Sekunde aus den Augen und ihr fallt übereinander her! Na Hooky? Haste Dornröschen wachgeküsst? Aber bitte, lasst euch nicht stören! Wir sind gar nicht da, gell Mädels?«
»Faritales! Nun lass den beiden doch ein bisschen Privatsphäre. Hach, ist das romantisch!«
Oh wie Sabrina Dämonen und Feen hasste...
Der Nachtmahr kam, beladen mit allerlei Esswahren in das Zimmer geplatzt, gefolgt von den Feen, die je eine Frucht trugen.
Mit einem Mal bekam sie wieder Luft. Ihr Hirn war wieder online und brüllte sie an, was zur Hölle sie da gerade tun würde. Sabrina japste, sprang hoch, genau wie Hook, was dazu führte, dass sie mit seinem Mund zusammenstiess und der Kuss alles andere als romantisch wurde. Sie zuckte zurück.
»Oh, tut mir leid, ich...«, stammelte Sabrina und wollte sich beschämt abwenden, als der Pirat sie einfach wieder an sich zog.
»Hey...«, protestierte sie und verstummte. Hook sah sie mit einer solchen Entschlossenheit an, dass sie nicht wagte, den Mund aufzumachen.
»Oh nein, so lass ich dich nicht davonkommen!«, knurrte er und beugte sich vor.
Seine Lippen schmeckten... gut. So einen Satz hatte Sabrina schon oft in Büchern gelesen. Genauso oft hatte sie sich über diese Sätze aufgeregt. Lippen schmeckten doch nicht. Blödsinn. Doch wie es aussah, hatte sie keine Ahnung gehabt.
Falk schmeckte nach Meer... Übersetzt hiess das Salz, aber es steckte mehr dahinter.
Ihr Hirn schaltete sich ab. In ihr schrie es »Toll, toll!« und »Hör nie mehr auf!«. Wie von selbst gruben ihre Hände sich in seine weichen, vollen, schwarzen Haare. Das Glück explodierte in ihr und sie erwiderte den Kuss so heftig, wie sie es noch nie bei einem anderen Jungen getan hatte.
Falk liess erst wieder von ihren Lippen ab, als sie keine Luft mehr bekam. Keuchend starrte sie ihn an. Dann weiteten sich ihre Augen.
»Du hast mich geküsst!«, quiekte sie.
»Und wie!«, pflichtete Fari ihr bei.
»Also das nenn ich einen Kuss!«, schwärmte die dicke Fee.
»Das war so schön!«, seufzte eine andere.
»Heirate ihn, sonst werde ich es tun!«, rief eine wieder andere Fee hingerissen und faltete entzückt die winzigen Hände.
»Hat der Typ euch nicht beinahe umgebracht in seinem Kronleuchter?«, gab Faritales zu bedenken.
»Feen sind nicht nachtragend«, winkte eine der Feen ab.
»Du hast mich geküsst!«, rief Sabrina erneut. Sie war empört.
»Junge, Junge... Das war kein Kuss, das war... Meine Güte, das war... Was für ein Kuss!«, rief der Dämon und strahlte über das ganze Gesicht und die Feen seufzten im Chor.
»Du hast mich verdammt nochmal geküsst, du Blödkopf!«, schrie Sabrina und begann mit den Fäusten auf Falks Brust einzuschlagen. Der schien jetzt erst aus seiner Starre zu erwachen und sah sie erstaunt und verwirrt an. »Wow!«, murmelte er. Ein Lächeln breitete sich auf seine Gesicht aus.
»Ja, wow! Du hast mich geküsst! Du bist so ein Mistkerl!«, keifte sie und schlug weiter auf seine - Wow! - muskulöse Brust ein. Auch das schien der Pirat erst jetzt zu bemerken. Belustigte schnappte er sich ihre Handgelenke und hielt sie fest.
»Lass mich sofort los! Das hast du verdient, du... du... Welt-auf-den-Kopf-Steller! Ich habe nein gesagt, und du... du machst genau das Gegenteil!«, keifte sie und versuchte vergeblich, ihm ihre Hände zu entwinden.
»Du kannst so lange mit deinen kleinen, süssen Fäusten auf mich einschlagen, wie du willst, aber nur, wenn wir das bei Zeiten wiederholen können, denn das war echt so was von...«
»Unglaublich, wundervoll, gigantisch schön!«, schlug der Dämon einige Adjektive vor.
Der Pirat musterte sie, zog eine Augenbraue hoch und knurrte: »Dass Ihr so was könnt, Prinzesschen.« Er zog sie wieder auf. Das konnte sie in seinen Augen sehen. Der Schalk blitzte in ihnen.
»Nenn mich niemals mehr Prinzesschen! Am besten redest du gar nicht mehr mit mir!«, schrie sie ihn an und versuchte nun, ihm die Hände zu gefrieren, doch die Kälte wollte nicht kommen! Verdammt nochmal! Ihr Herz fühlte sich so wunderschön heiss an, als würde es brennen!
Ach was! Das ist Wut, dachte Sabrina. Wut. Wut!
Tatsächlich war sie wütend auf ihn. Er hatte es schonwieder geschafft! Er durfte sie nicht so einfach um den Finger wickeln können! Was war nur los mit ihr? Was war das für eine sonderbare Anziehungskraft, die von ihm ausging? Woher kam sie?
» Hast du denn gar nichts gefühlt?«, fragte er ehrlich erstaunt. »Das glaube ich nicht!«
Wütend starrte sie ihm in die Augen, wollte ihm ins Gesicht sagen, dass da nichts war, dass er ihr Leben nicht auf den Kopf stellen sollte...
Doch. Diese. Verfluchten. Augen!
Sag es! Sag es!
»Es war einfach nur...«, Ja, komm schon! Doch dann setzte Hook seine Geheimwaffe ein. Das war nicht fair. Dieses wundervolle schiefe und spöttische Lächeln. »Es war unglaublich...«, murmelte sie völlig frustriert wegen ihrer Ohnmacht ihm gegenüber und hörte auf, sich zu wehren. Sie erlaubte sich, einen Moment in seinen wunderschönen Meeresaugen zu versinken.
Falk grinste siegessicher und liess ihre Handgelenke los, um sie noch näher an ihn heran zu ziehen und sie erneut zu küssen...
Ihr Gehirn verabschiedete sich - Das durfte ja nicht zum Normalzustand werden! - und ihr Herz bekam einen neuen Anfall. Alles schrie »Toll, toll!« und »Hör nie mehr auf« und nun auch noch »Wow! Wow! Wow!«
Es war wie Fliegen. Alles andere verschwand bis auf ihn. Seine Hände auf ihrem Rücken und ihrer Taille. Er. Ihre Hände, vergraben in seinen Haaren und in seinen schwarzen, weichen Samtmantel gekrallt. Er. Ein Feuerwerk. Captain Falk James Jones Hook. Nie hatte sie bei Eril so gefühlt...
Eril!
Mit einem Schlag war ihr Hirn wieder eingeschaltet.
Erschrocken riss sie die Augen wieder auf, zuckte zurück und knallte ihm eine. Erschrocken liess Hook sie los und Sabrina krachte auf den staubigen Holzboden.
Schnell sprang sie auf, schloss die Augen und atmete tief durch. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen...
»Wieso hast du... Entschuldigung, ich habe dich fallen... Heiliger Klabautermann...«, knurrte er und sah sie verzückt an.
Sabrina liess sich in den Ohrensessel fallen und fuhr über ihr Gesicht...
»Du... Ich... Du kannst nicht... Du darfst nicht...«, rief sie verzweifelt und völlig ausser Atem.
»Was kann ich nicht? Dich küssen? Und wie ich das kann! Und nichts und niemand wird mich daran hindern, es wieder und wieder zu tun!«, lachte er und fuhr sich durch das nun völlig zerzauste Haar.
»Nein, du darfst nicht! Falk! Ich weiss auch nicht wieso du so... Ich habe verdammt nochmal einen Freund! Und ich kann ihn nicht einfach hintergehen! Das ist falsch! Ich kann nicht...«, erklärte sie vollkommen hysterisch.
»Aber es war...«
»Das letzte Mal! Hörst du mir eigentlich zu?«
»Ooh, dein Freund ist mir grad so was von Schnuppe, das kannst du mir glauben. Und ich kann es doch sehen, Prinzesschen. Du fühlst es auch. Wir... Das ist nicht falsch!«, rief er und trat auf sie zu.
»Halt!«, rief sie panisch und zu ihrer Verblüffung blieb der Pirat tatsächlich stehen. »Ich... Nicht näher... Du bist so... Ich habe das nicht unter Kontrolle! Du... Himmel!«, rief sie und raufte sich die Haare.
»So - was? Weisst du, das mit der Kontrolle... Das musst du nicht... Ich habe es auch nicht unter Kontrolle! Du bist... Prinzessin, hör zu. Ich weiss nicht wieso, aber... Wieso kannst du nicht? Dieser Kerl...«, rief er. Seine Augen leuchteten, seine Wangen waren gerötet.
»Hat jemand Popcorn dabei? Das ist ja besser als jede Soap!«, zischte Fari und die Feen kicherten verhalten.
»Falk, was redest du. Ja, da ist etwas! Aber warum? Fragst du dich denn gar nicht? Vielleicht sind wir verflucht oder so? Vielleicht ist genau das die Gefahr: Es fühlt sich nicht falsch an, wir stützen uns in diese Sache hinein und ziehen einander in den Abgrund, verstehst du, was ich meine? Und... ich muss mit Eril reden... Bitte! Ich kann das nicht. Ich kann ihm doch so was nicht antun!«, erklärte sie entschlossen.
Sein Augenozean wurde zum Sturm auf See. Sie sah ihm an, dass er nicht ihrer Meinung war. Mit knirschenden Zähnen brummte er schliesslich »Gut. Aber da gibt es ein kleines Problem...«
Sabrina runzelte die Stirn.
»Was denn?«, fragte sie etwas misstrauisch.
»Was glaubst du, was wir hier eigentlich tun?«, mischte sich Fari ein.
Gute Frage...
»Dein ach so süsser Piraten-Schnuffel...«
»Fari!«
»Schon gut, Prinzessin!«
»Tiefgefrorene Dämonen-Haxe! Mmmh, lecker!«
»Ha... ha... Na gut... Der Captain hat Schiss vor seinem Ziehbruder...«, grummelte der Nachtmahr.
Eine der Feen boxte dem Dämon in den Arm und sah ihn böse an.
»Es ist nicht nur mein Bruder, Sabrina. Du musst das verstehen! Ich habe von den Verstossenen gehört. Sie mögen verbannt worden sein, aber akzeptieren werden sie einen anderen Verbrecher deshalb auch nicht. Ich kann da nicht einfach bei deinen Cousins und einer Cousine, einem Meisterdieb, lauter verschwundenen Jungs und meinem Bruder auftauchen und sagen: Aye, hallo allerseits. Ich bin da so auf meinem Schiff rumgesessen, da taucht plötzlich die Eisprinzessin auf und zusammen haben wir dann mit einem Gnom...«
»Dämon, wenn schon Untergruppen, dann wenigstens die Richtige! ansonsten bitte Nachtmahr. Etwas...«
»Ja, gut, Dämon. Also... ach ja... Zusammen mit einem Dämon und fünf Feen meine Kajüte demoliert. Dann hat die Herrscherin das Zeitlimit überschritten und in die reale Welt zurückgekommen. Aber da sie mich davor geküsst hatte und ich mich A, nicht einfach so küssen lasse, B, mich die Dunklen zu Hackfleisch verarbeitet hätten, wenn ich die Eisprinzessin einfach so gehen gelassen hätte und C... Ich habe kein C...«
»Wieso versuchst du es nicht einfach?«
»Aye, klasse Idee! Und dann nehmen wir uns alle in den Arm und haben uns wieder lieb oder was? So funktioniert das nicht. Die würden mich für den Rest meines Lebens in ihren Kerkern vergammeln lassen und deinen blöden Dämonen davonjagen. Normalerweise sind die Viecher nämlich eine echte Plage und kein bisschen freundlich. Da interessiert es deine tollen Freunde einen Rattendreck, ob ausgerechnet dieser Nachtmahr so schlecht in seinem Job ist, dass er sich sogar mit Menschen und Feen herumtreibt. So. Hätte das etwas gebracht? Nein. Mein Bruder hasst mich und so schnell wird er seine Meinung nicht ändern!«, erklärte Hook und seine gute Laune war verflogen.
»Darum verschanzt ihr euch also in dieser Abstellkammer. Und... du und die Feen... Ihr klaut euch das Essen? Woher?«, fragte Sabrina belustigt.
Der Dämon grinste frech. »Nun... Im Esssaal steht immer irgendwas zum Essen rum...«
Sabrina lachte. Nur zu gut konnte sie sich Nimmertigers verdutztes Gesicht vorstellen, wenn er seinen Esstisch leer vorfinden würde.
»Und? Was machen wir jetzt?«, fragte eine der Feen neugierig.
Sabrina erhob sich grinsend von dem Sessel. »Ich glaube, ich hab mal so richtig Lust, mal wieder mit Eis um mich zu werfen. Kommt mit. Wenn ich dabei bin traut sich garantiert keiner, euch auch nur ein Haar zu krümmen!«

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWhere stories live. Discover now