Kapitel 18 - Die Völker aus den Büchern

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Kapitel 18

Die Völker aus den Büchern


~Sabrina~

Sabrina war froh, dass Eril sie gefunden hatte. Er hatte den ganzen Thronsaal durchsucht. Er hatte sie entdeckt, gerade als man sie zum König diktiert hatte. Eril hatte gemeint, sie begleiten zu müssen. Sie mochte Eril. Sie mochte ihn viel zu sehr. Aber sie war sich noch immer nicht sicher. Waren das Gefühle? Oder irgendwelche, ehemals tief verborgenen Instinkte? Und Arillis Worte... Und die Sache mit dem Kuss gerade eben. Seine offenen Augen... Ausserdem war sie misstrauisch. Sie konnte ihm einfach nicht vertrauen... Es konnte aber auch nur ihre verkrüppelte Psyche sein, die ihr einen Streich spielte.
Doch nun war sie froh, ihn bei sich zu haben. Die Blicke dieser alten Magier, dem Rat der Weisen, waren all zu misstrauisch.
Eine Fee hatte sie abgeholt. Ob sie das war? Tinker Bell? Glöckchen? Peter Pans Begleiterin?
Wer weiss? Jedenfalls hatte sie sie und Eril in diesen Saal geführt.
Der Raum war sehr gross und rund. In der Mitte stand ein grosser, runder Tisch aus dunklem Holz. In der Mitte des Tischs war eine Sonne gezeichnet, die in ihrem goldenen Kreis auch eine Mondsichel barg. Auf den Himmelskörpern sah man einen schwarzen, fliegenden Raben. Der Vogel trug im Schnabel eine Rose und in den Krallen eine Krone.
Rund um den Tisch standen Stühle, auf denen lauter Wesen sassen, die aus den verschiedensten Völkergruppen zu kommen schienen. Einige waren Menschen. Andere waren geschuppt, hatten eine grünliche Hautfarbe und Haare, die sehr an Seetang erinnerten. Andere sahen aus wie Tiere, andere schienen eine Mischung aus Tier und Mensch zu sein, und wieder andere schienen nicht einmal einen festen Körper zu haben.
Sabrina hatte sich schüchtern auf einen der Stühle gesetzt und die Wesen böse angefunkelt. Eril hatte sich sogleich neben sie gesetzt und ihr tröstend den Arm um die Schultern gelegt.
Sabrina starrte nun noch immer die Wesen an.
»Was sind das für Lebewesen? Einige habe ich noch nie gesehen!«, fragte sie Eril nach einer Weile.
Eril verdrehte die Augen.
»Oh Sabrina! Es gibt unzählige Völkerarten auf dieser Welt. Aber ich werde dir die wichtigsten erläutern.
Also da hätten wir natürlich euch Menschen. Ihr ward vor allem im Süden des Landes vertreten. Nun ihr seid eigentlich ein relativ junges Volk. Nichts gegen unsere Jahrhundertalte Kultur der Elfen.
Die Elfen kommen vom Osten.. Jahrtausende haben sie unter sich in den Wäldern gelebt. Unser Land heisst Virid'agru. In eurer Sprache heisst das so viel wie „Grünes Feld". Wir leben mit unserer Magie und werden von unserer Königin Amiėle regiert. Wir Elfen sind in verschiedene Rassen aufgeteilt. Die Hellelfen, Dunkelelfen, Stürmerelfen, Nebelelfen, Erdelfen, Himmelselfen und die Mondelfen. Jede Rasse hat eine andere Aufgabe. Stürmerelfen sind unser Militär, Hellelfen sind unsere Heiler, Nebelelfen unsere Bauern und Jäger, Erdelfen sind unsere Handwerker, Himmelselfen sind unsere Künstler, Poeten und Gebildeten. Dunkelelfen kümmern sich um die Magie. Magie besitzt nicht jeder. Sie steckt in einem drin. Dunkelelfen suchen. Sie suchen nach Elfenkindern, die Magie in sich haben. Denn eine Elfe oder ein Elf, der Magie in sich trägt, ist keine normale Elfe. Magische Elfen sind Mondelfen. Sie kommen nur sehr selten vor. Mondelfen bekommen die wichtigsten Aufgaben. Sie werden zu Magiern, Namianern, das sind so etwas wie „Spezialkrieger". Sie können ihre magischen Fähigkeiten auch anders nutzen. Sie haben die Möglichkeit, Drachenreiter zu werden...«, erzählte Eril und sein Blick wanderte in die Ferne. Er schien sein Land zu vermissen.
»Wirst du mich einmal dorthin bringen?«, fragte Sabrina, um ihn etwas aufzuheitern.
Eril lächelte.
»Vielleicht...«
»Was gibt es noch?«, fragte Sabrina wissbegierig.
»Nun, das Volk der Zwerge. Sie lebten seit Urzeiten tief im Inneren des Ondor Gebirges. Riesenhafte Bergketten, in deren Steinernem Fleisch Millionen von Edelsteinen und Metallen versteckt schlummern. Dort, tief im Gestein haben die Zwerge ein riesiges Imperium aufgebaut. Städte, grösser und prächtiger als alles, was andere Lebewesen erschaffen könnten. Sie meisseln ihre Gebäude aus dem Stein heraus, besetzen sie mit Mosaiken aus Edelsteinen und Kristallen. Ich bin erst ein einziges Mal dort gewesen. Es war unglaublich! Die Zwerge liebten ihre Welt aus Stein. Und dann kam der Krieg. Sie haben alles verloren. Ihre letzte Festung, der höchste Berg im Ondor Gebirge, wurde vor knapp hundert Jahren eingenommen. Die Zwerge haben ihre Hauptstadt Kamen'strany mit allen Mitteln verteidigt. Die Dunklen haben ihre Armeen in die sonst schützenden Mauern aus geschickt. Höhlenasseln, Dunkelfänger, Lichterfresser, Schattenwesen, verwirrte Seelen... Das schützende Gestein wurde zum Gefängnis. Die Zwerge, die überlebt hatten, mussten fliehen. Die Zwerge sind ein sehr stolzes Volk. Das haben sie nie vergessen. Auf der Flucht wurde König Orions Mutter, Königin Lazuli getötet. Ein Schatten hat ihr Herz gefressen...«
Eril hatte die Stimme gesenkt und Sabrina lief ein kalter Schauer über den Rücken.
Ihr Herz gefressen?
»Daraufhin haben sich die Zwerge den Rebellen angeschlossen.
Kurz darauf kamen die Wasserlurche, Meereshüter, Meeresmenschen, Seeflüsterer und all die Völker, die früher tief unten im Ozean gelebt hatten, bis die Dunklen auch diese Völker aus ihren Imperien verscheuchten. Man nennt sie auch die Aquaner. Jedes Volk ist anders. Die Wasserlurche mit der grünen Haut und den Seetanghaaren, die Meeresmenschen mit ihren Fischbeinen, die Meereshüter mit ihren Delfinen und geschuppter Haut und die Seeflüsterer, die aus Wasser zu bestehen scheinen. Sie haben menschliche Gestalt, doch ihr Körper ist aus Wasser.
Dann sind da noch all die Tiere und Tierhybriden.
Zentauren mit ihren Pferdekörpern und dem menschlichen Oberkörpern. Verärgere sie nicht! Sie können besser mit dem Bogen umgehen, als ein Elf!
Dann sind da noch die Satyrn, mit den Ziegenbeinen und den kleinen Hörnchen und Ziegenohren, die Minotauros mit den aufrecht gehenden Stier und Kuhkörpern...
Dann gibt es noch Phönixe, Feuervögel, wie du sicher weisst. Feen, wie Tinker. Die Einhörner, den Pegasus... Und die sprechenden Tiere. Animanoren. Sie werden immer seltener. Sie sind keine gewöhnlichen Tiere. Sie werden, anders als normale Tiere, nicht von ihren Instinkten geleitet, sondern haben ein Bewusstsein wie ich und du. Eine gute Freundin von mir, Fuchs, muss ich dir unbedingt einmal vorstellen! Reds Wolf, Oskar ist auch ein Animanore. Er ist jedoch nicht sehr gesprächig, wie ich gehört habe...
Und das Wolkenvolk nicht zu vergessen! Du würdest sie Engel nennen, denke ich. Sie sind geflügelte, menschenähnliche Wesen. Sie leben, der Legende nach, in einer fliegenden Stadt hoch in den Wolken. Pandora, die Wolkenstadt. Ihr König, Dädalus, ist schon sehr alt. Bald wird sein Sohn, Ikarus den Thron besteigen müssen. Das wird ihm nicht gefallen. Ikarus ist auch ein Reiter. Er und seine Drachendame Hydra sind gute Freunde von Arseel und mir. Sie unterstützen die Rebellen schon sehr lange.
Die Drachen sind natürlich auch ein Volk für sich. Sie sind ein altes Volk, älter als das der Elfen oder Zwerge zusammen. Sie lebten früher auf einem anderen Kontinent, den sie nur den Vulkangrund nennen. Arseel hat mir nie mehr erzählen wollen. Das Land der Drachen sei geheim.
Die Rasse Drachen, zu der auch Arseel gehört, ist sehr selten geworden. Andere Rassen haben sie beinahe ausgerottet. Die anderen Drachenrassen sind sehr aggressiv. Sie würden sich niemals an einen Reiter binden.
Die Drachenreiter sind auf Miurolono, einer Insel im Südosten Arkans, zu Hause. Regiert werden wir vom Geschuppten Graf. Er ist ein grossartiger Anführer. Ich kenne niemanden, der seinen wahren Namen kennt. Auch sein Gesicht zeigt er nie, er versteckt es unter einer Maske. Trotzdem ist er ein Mann von wahrer Grösse, der tugendhafteste aller Drachenreiter. Das heisst etwas, denn um überhaupt ein Reiter zu werden, muss man einige Tugenden gaben. Unwürdige werden von keinem Drachen anerkannt. Darum gibt es oft auch Reiter, die niemals einen Pakt mit einem Drachen eingehen. Man nennt diese Art von Reitern auch Nebeläuger. Sie werden halb verrückt vor Trauer und jedes Mal, wenn ein Drache sich nicht für sie entscheidet, verkümmert ihre Seele ein klein bisschen mehr. Irgendwann verlieren sie den Verstand und verlassen Miurolono, die Insel der Drachenreiter. Dann schliessen sie sich oft den Dunklen an. Die verbinden sie dann mit anderen Drachen. Diese Bindung ist jedoch nichts gegen den Drachenpakt. Ausserdem verbinden sich Nebeläuger mit einer anderen, bösartigen Art Drachen. Den sogenannten Fanjos. Sie sind riesig, aggressiv und bösartig!«, sagte Eril und sein Blick war starr auf die Tischplatte gerichtet.
»Dann sind da noch die grauen Völker. Die grauen Völker sind neutral. Sie schwanken zwischen Gut und Böse, Licht und Dunkelheit. Darum werden sie die „grauen" Völker genannt.
Werwölfe können gut oder böse sein. Sie haben ihre Wandlung unter Kontrolle und können sich je nach Belieben verwandeln. Und da es in dieser Welt zwei Monde gibt ist die Sache mit dem Vollmond sowieso kein Problem. In der sterblichen Welt können Werwölfe in der Nacht des vollen Mondes aber sehr gefährlich werden.
Dann sind da noch dir Vampire. Sie können blutrünstige Monster sein. Aber manche von ihnen haben dem Blut den Rücken zugekehrt. Da sie sowieso nicht sterben können, fasten sie zum Teil Jahrhunderte lang! Doch wenn der Hunger zu gross wird, müssen sie Jagd auf Tiere machen. Einen Vampir erkennst du an der silbernen Iris. Je nach Gemütszustand haben sie Reisszähne. Wenn ein Vampir schlecht gelaunt ist, hat er lange, spitze Eckzähne.
Böse Vampire oder Vampyre haben schwarze Augen. Rabenschwarz.
Dann sind da noch Geister. Je nachdem, wie lange sie schon leben können sie gefährlich sein. Junge Geister sind verwirrt und unberechenbar! Die alten, wie der alte Knabe dort vorne,«, er deutete auf die andere Seite des Tischs, wo eine blau leuchtende Kreatur schwebte, »ist schon so alt, dass er weiser ist, als jeder von uns. Er hat verstanden, wer und was er ist und hat, anstatt in seiner Verwirrung wahllos alles zu töten, was ihm über den Weg läuft, sich den Rebellen angeschlossen. Guenio heisst er.« Sabrina konnte durch Guenios Körper hindurch sehen.
Der Geist hatte die Augen geschlossen. Sein Gesicht war sehr jung. Er musste mit etwa zwanzig gestorben sein. Er sah gut aus, schmales Gesicht, kantiges Kinn, das er glatt rasiert hatte, dunkle Haare, aber er strahlte eine Traurigkeit aus, die Sabrina erschreckte.
»Wie alt ist er?«, fragte Sabrina leise.
Eril kniff die Augen zusammen und überlegte.
»Ungefähr zweihunderttausend Jahre, glaube ich..«
Der Geist schlug die Augen auf. Die Iris leuchtete golden. Er fixierte sie. Sein Blick war durchdringender als alles, was sie jemals gesehen hatte. Es war, als würde er sie vollkommen durchleuchten. Ihre Gedanken, Erinnerungen und Gefühle waren nichts. Sie konnte spüren, wie der Geist in ihrem Inneren wühlte, ihren Gedanken zuhörte, ihre Gefühle abtastete, ihre Erinnerungen durchsah, als wären es Seiten in einem Buch. Sabrina konnte ihn nicht aufhalten.
Plötzlich liess Guenio von ihr ab und drehte den Kopf zur Seite. Überrascht folgte sie seinem Blick und sah in Miles Gesicht, der gerade, zusammen mit Red und einer Katze, den Saal betrat.

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWhere stories live. Discover now