Kapitel 36 - Klyuss' Kinder

3.8K 185 32
                                    

Kapitel 36

Klyuss' Kinder


~Mile~

Es war wahrhaftig ein Wunder, wie schnell sich Ikarus erholte.
Am Tag zuvor war er noch ein Häufchen Matsch im Dreck gewesen und nun, kaum einen Tag später stand er wieder auf den Beinen.
Er hatte sich einen Arm, die Schulter und das linke Bein gebrochen. Auch einer seiner grossen, weissen Schwingen war ausgerenkt, doch er liess sich nicht davon abbringen mit Mile durch die Stadt zu humpeln. Zwar hatten ihm die Elfenkönigin Amiėle die Dienste ihrer besten Hellelfen zur Verfügung gestellt, doch Ikarus hatte dankend abgelehnt. Er hatte gemeint, ein Krieger müsse alleine mit seinen Wunden fertig werden.
Ikarus benahm sich alles andere, als wie ein Prinz. Er schien sich selbst nicht als Thronfolger zu sehen. Er trat auf wie ein Krieger, was er natürlich auch war. Ohne Zweifel; ein ernst zu nehmender Kämpfer. Ausserdem war er ein Drachenreiter. Er uns sein Drache hatten sich jedoch schon vor Ewigkeiten von dem geschuppten Grafen losgesagt.
Ikarus war zudem ein lustiger Kerl. Charmant und mit einer mitreissenden Fröhlichkeit gesegnet, die sogar mit Miles Optimismus gleichzusetzen war.
So gingen Mile und Ikarus über den Rathausplatz. Besser gesagt; Ikarus hinkte, denn sein Bein war ja gebrochen.
»Wie kann es sein, dass es Euch jetzt schon wieder so gut geht? Dieser Sturz muss ja fürchterlich gewesen sein!«, meinte Mile und bot dem gefallenen Engel seine Schulter als Stütze an, doch der winkte ab.
»Das Wolkenvolk hat von Natur aus starke Knochen. Verletzen wir uns doch, erholen wir uns umso schneller. Wir sind so beschaffen. Aber über so etwas solltet Ihr lieber mit meinem Vater, König Dädalus reden. Er weiss mehr von der Anatomie meines Volkes Bescheid«, meinte der geflügelte Prinz und zuckte locker mit den Schultern, verzog jedoch gleich vor Schmerzen das Gesicht. Der Arm...
»Ich kann mich nur einmal mehr für die Rebellin, die auf Euch geschossen hat, entschuldigen. Sie ist sehr impulsiv und einfach nicht zu bändigen.«
Ikarus lachte und meinte: »Eine Barbarentochter, wie ich hörte. Mein Sturz und dessen Auslöserin muss grosse Aufmerksamkeit gewonnen haben. Die Leute reden... Barbaren... Sie sind mächtige Krieger jedoch auch sehr ungehorsam. Es braucht Euch nicht Leid zu tun, junger Lord. Ich bin nur noch immer etwas verwirrt, weil der Rat unsere Nachricht nicht empfangen hat...«
»Welche Nachricht?«, fragte Mile.
Der Engel runzelte die Stirn. Dann erklärte er: »Wir hörten von eurem Sieg und der Befreiung Aramesias. So schickten wir einen Boten, um Euch von unserem Plan, in kürzerer Zeit zu Euch zu stossen, zu informieren. Der Bote hätte schon vor mindestens zwei Tagen bei euch sein sollen...«
Nun, das war wirklich beunruhigend. Wieso hatte der Rat der Monarchen keine Nachricht erhalten?
Besorgt kaute Mile auf seiner Wange herum. »Könnte es sein«, fragte er, »dass jemand die Nachricht abgefangen hat?«
Ikarus fluchte leise, als ihm der Schmerz durch das Bein jagte. Er war beim Humpeln umgeknickt. Grimmig nahm er Miles Angebot nun doch an und stützte sich auf dessen Schulter.
»Der Bote«, meinte der geflügelte Prinz, nachdem sie einige Meter weiter gegangen waren, »war einer unserer schnellsten Flieger. Abgestürzt kann er einfach nicht sein. Wenn er aufgehalten worden ist, dann mit Gewalt.«
»Ihr denkt, der Bote wurde abgefangen?«, fragte Mile.
»Ich kann es mir nichts anderes vorstellen«, meinte Ikarus. »Einige unserer Späher hatten vor zwei Tagen gemeldet, sie hätten einen Trupp Trolle entdeckt, der auf dem Weg nach Aramesia war. Jedenfalls in die Richtung Aramesias... Aber es könnte auch ein Zufall sein... Vielleicht wissen die Dunklen noch nichts von der Einnahme Aramesias. Der Troll-Trupp könnte auch nur Verstärkung gewesen sein...«
»Nein«, knurrte Mile und knirschte mit den Zähnen. »Die Dunklen wissen ganz genau, dass wir in Aramesia eingefallen sind. Sie hatten einen Hexenmeister in die Stadt geschickt, damit er uns einen Haufen Untoter heraufbeschwören konnte, die er uns Rebellen auf den Hals gehetzt hatte. Als wir es schliesslich geschafft hatten, bis zu dem Hexenmeister vorzudringen und ihn berührten, hat sich irgendein magischer Mechanismus gelöst. Und dieser Mechanismus, das war so eine Art Fluch, hat den Hexenmeister umgebracht. In dem Moment als der Hexenmeister starb, sind alle Grabestänzer zusammengebrochen. Die Knochen sind ineinander gefallen, wie ein Kartenhaus, das dem Wind nicht standhält. Und alle anderen Soldaten der Dunklen sind geflohen. Es war, als hätte der Tod des Hexenmeisters eine Warnung an die Soldaten geschickt. Sie haben alles stehen und liegen lassen und sind abgehauen. Diese Monster sind abgehauen und geflohen...«
»Ihr müsst Recht haben, junger Lord. Es scheint, als hätten die Dunklen vorhergesehen, dass die Rebellen Aramesia erobern werden«, brachte Ikarus es auf den Punkt.
»Genau. Ausserdem glaube ich nicht an Zufälle. Aus welchem Grund auch immer diese Trolle hier sind. Blumen wollen die nicht pflücken...«

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWhere stories live. Discover now