Kapitel 68 - Das blinde Glück

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  • इन्हें समर्पित: Wandrstern
                                    







Kapitel 68

Das blinde Glück


~Sabrina~

Als sie an jenem Morgen vor zwölf Jahren aufgewacht war, hatte Mile am Fussende des Bettes gesessen und geweint. Ihren Bruder weinen zu sehen, war etwas Neues gewesen. Sie hatte ihn noch nie auch nur eine Träne über irgendwas vergiessen lassen sehen, aber vielleicht war sie auch nur zu klein gewesen, um sich daran zu erinnern.
Im nächsten Moment war er ihr auch schon um den Hals gefallen. Die ganze Situation hatte sie sehr erschreckt und darum hatte auch sie zu flennen begonnen.
Gleich darauf war sie zum ersten Mal dem Pater begegnet, der sie auch später, diese langen, schwierigen Jahre im Waisenhaus begleitet hatte.
Der Pater, er hatte die schwierige Aufgabe gehabt, ihnen die Situation zu erklären. Dass ihre Eltern verschwunden und die Polizei bereits eingeschaltet sei.
Erst jetzt fiel Sabrina auf, wie schräg das alles gelaufen war. Sozialarbeitern waren weder sie noch Mile begegnet. Schon damals musste etwas geschraubt worden sein, damit Mile und sie nicht in ein Pflegekindersystem verschwunden waren...
An die Geburtsstunde des Schmerzes, der sie von diesem Moment ihr ganzes Leben begleitet hatte, konnte sie sich heute nicht mehr richtig erinnern. Sie wusste noch, dass es schlimm gewesen war, dieser erste Erkenntnis, dass ihre Eltern tatsächlich einfach weg waren, aber klare Erinnerungen fehlten ihr. Als hätte die Trauer die Erinnerungen einfach weggespült.
Seither war der Schmerz nicht mehr weg zu denken. Die Leute sagten zwar, der Schmerz würde mit der Zeit weniger schlimm werden, aber Sabrina glaubte nicht daran. Sie hatte viel mehr das Gefühl, dass die Menschen nur glaubten, der Schmerz würde verschwinden, dabei hatten sie sich einfach nur daran gewöhnt, ihm Raum gegeben.

Als Falk ins Licht trat, fühlte es sich an, als hätte er einen Teil von ihr mit sich genommen. Aus ihr herausgerissen...
Sie schrie, wie sie noch nie geschrien hatte.
Die Trauer packte sie wie ein Sturm, doch die Wut war ein Vulkan. Die Wut auf alles, auf das Schicksal, das es wagte, ihr das hier anzutun, ihr Falk zu nehmen!
Das wäre doch schrecklich. Das würde doch bedeuten, wir sind völlig machtlos. Nur Spielfiguren des Universums...
Er hatte Rech gehabt. Es war schrecklich...
Die Lichtsäule vor ihr wand sich, selbst der Schleier aus Tränen vor ihrer Netzhaut konnte dieses Inferno der Helligkeit nicht verbergen.
Sie stolperte darauf zu, ihr inneres Auge zeigte ihr Falks hell erleuchtetes Gesicht in Endlosschleife.
»Niemals und immer, niemals und immer, niemals und immer«, flüsterte sie wieder und wieder. Das gebrochene Versprechen war nun ihr Mantra.
Falk war den Tod eines Piraten gestorben - er war ertrunken. Nur hatte sein Meer aus Licht und nicht aus Wasser bestanden.
Niemals und immer.
Als das Licht in ihren Augen zu schmerzen begann, schloss sie sie und sah fortan nur noch die Äderchen in ihren Lidern glühen.
»Falk!«, brüllte sie ins Licht. »Ich hole dich da jetzt raus!« Sie hob eine Hand und...
»Halt!«
Vor lauter Schreck wirbelte sie herum, die Hand noch immer erhoben, wo sich bereits ihre Waffe, das Eis, sammelte.
Durch den Schleier ihrer Tränen konnte sie nicht viel erkennen. Nur ein Leuchten am Rande der Lichtung. »Wer ist da?«, versuchte sie zu rufen, mit einem Ergebnis, das ernüchternd und gerade so verständlich war.
»Hilfe!«, antwortete das Licht mit einer hellen, klaren Stimme wie die eines Kindes.
»Bist du das, Mondkind?«, fragte Sabrina vorsichtig und liess den Arm sinken. Sie war so erschöpft...
»Ich heisse Aljona und dies ist mein Bruder Iwan. Wir führten Euch hierher...«
Sabrina rieb sich über die Augen. Nun erkannte sie das Mädchen und das Rehkitz.
Hilfe...
Hoffnung und Misstrauen begannen in ihr zu ringen, doch schliesslich gewann die Verzweiflung die Oberhand. »Falk ist... in diesem Licht und ich muss ihn rausholen...«
»Nicht!«, rief Aljona, die Sabrina zuvor für Mondkind gehalten hatte und eilte auf sie zu. »Wenn Ihr dieses Licht berührt, seid Ihr verloren! Dies ist das Portal in die nächste Welt... oder in den Tod-auf-Zeit.«
»Die Starre...«. Murmelte Sabrina. »Das schaffe ich, ich war dort schon oft, ich bin Traumwandlerin...«
»Aber nicht hier«, mischte sich nun auch das Rehkitz ein, das demnach ein Animanor sein... gewesen sein musste... »Seht Euch an, Mylady. Ihr seid ein Geist...«
»Aber wie...«, sie schüttelte den Kopf. Unwichtig! Alles was jetzt zählte war jetzt Falk! »Ich kann nicht gehen. Ich muss ihn da rausholen. Ich brauche ihn!«
Iwan und Aljona tauschten einen vielsagenden Blick aus. »Das geht nicht«, erklärte Iwan, jede Silbe betonend. »Berührt Ihr das Portal, wird es Euch endgültig aus dieser Welt ziehen. Dies hier ist nur der letzte Weg, den die Seele gehen muss. Dies ist die Welt der ewigen Nacht. Hier ist alles tot. Sie existiert allein der letzten Entscheidung wegen, die es zu treffen gibt. Sterben oder als Geist weiterzuleben. Und Euer Begleiter hat seine Entscheidung getroffen.«
Iwans Predigt ging an ihr völlig vorbei. Das einzige, was von dieser Aneinanderreihung von Wörtern an ihr hängen blieb, war diese Welt.
Diese Welt...
Wenn man sein Herz nicht mehr schlagen spürte und die eigene Existenz nicht mehr als rein immateriell zu sein schien, so war es das eigenartigste Gefühl, hatte man auf einmal eine Idee, die normalerweise einen heftigen Adrenalinschub ausgelöst hätte.
Falk befand sich nun in der Starre, ihre Seele befand sich in der Geisterwelt, ihr Körper in Twos...
Sabrina steckte die Finger in ihre Hosentasche, ertastete den Obsidian, ballte die Faust um den schwarzen Stein und stiess ihre freie Hand, noch bevor Aljona aufschreien konnte, ins Licht...

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und Eisजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें