Kapitel 21 - Der Löwe und der Wolf

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Kapitel 21

Der Löwe und der Wolf


~Sabrina~

Gelangweilt lümmelte Sabrina auf ihrem Stuhl herum. Eine Woche war vergangen, seit sie aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht war. Bis heute hatten die Heiler ihr verboten, das Bett zu verlassen. Bis heute! Das musste man sich einmal vorstellen! Sie wäre beinahe umgekommen vor Langeweile, wäre Eril nicht gewesen. Man hatte den Elf ebenfalls auf die Heilerstation verbannt, da er sich von den Strapazen des Sinduin Angriffs hatte erholen müssen. Eril hatte viel geschlafen und sie hatte ihn in Ruhe gelassen, doch wenn der Drachenreiter wach war, hatte sie stundenlang mit ihm geredet. Er hatte ihr die unglaublichsten Geschichten erzählt, von den Inseln Wunderland und Nimmerland, dem gigantischen Ondorgebirge, der fliegenden Stadt Pandora...
Auch Mile hatte sie besucht, doch sie hatte ihn jedes Mal links liegen lassen. Immer wenn er ihr Krankenzimmer betreten hatte, hatte sie sich schlafend gestellt. Sie wollte nicht mit Mile reden.
Doch nun war sie endlich aus dem Krankenzimmer frei gekommen. Sie hatte sich schon riesig auf ihre erste Trainingsstunde mit ihrem neuen Bogen gefreut, doch natürlich war sie bitter enttäuscht worden. Anstelle einer Trainingsstunde stand heute eine Sitzung des Rates auf dem Plan.
Nun sass sie an einem Tisch, beobachtete wie die Rebellenführer über einer Landkarte brüteten und sich Strategien ausdachten. Mittlerweile hatte sie es jedoch aufgegeben zu begreifen, was die Kriegsherren auf der verzauberten Karte machten.
Die Karte war irgendwie lebendig. Man konnte die Märchenwelt von oben in 3D betrachten. Die Kriegsherren liessen Miniaturarmeen aus dem Boden wachsen. Die winzigen Soldaten fielen über die Armee aus schattenhaften Figuren her.
»Aber wenn wir von Virid'agru kommen, könnten wir Aramesia umgehen!«, grummelte ein Zentaur, dessen muskulöser Oberkörper in einer Uniform steckte.
»Nein!«
Die scharfe Stimme der Elfenkönigin Amiėle liess alle Umstehenden zusammenzucken.
Sabrina lächelte nur. Sie mochte diese starke Frau. Sie schien ihr ein Lichtblick in dieser testosteronlastigen Welt.
Der Zentaur fasste sich zu erst.
»Verzeihen sie eure Hoheit, aber dürfte ich fragen wieso?«, fragte er. Der Zentaur versuchte sie zu verbergen, doch Sabrina bemerkte sie. Die Feindseligkeit. Anscheinend war der Kriegsherr, was weibliche Führung anging, anderer Meinung als sie. Die Königin liess sich jedoch nicht einschüchtern. Im Gegenteil. Sie durchbohrte den Zentaur mit ihren grünen Augen.
»Virid'agru ist neutrales Terrain! Seit Jahrtausenden. Und das wird sich nicht ändern! Der Wald gehört den Elfen und nur ihnen! Bisher haben nicht einmal die Dunklen sich dorthin gewagt! Und nun wollt ihr, meine Herren, es wagen, Virid'agru, den Wald der Elfen, den Wald meines Volkes, neutrales Terrain für diesen Krieg zu missbrauchen? Nein! Ich werde das nicht dulden! Und wenn sie es wagen, auch nur einen ihrer dreckigen Hufe auf den Boden Virid'agrus zu setzen, werden wir Elfen nicht zögern, unsere Pfeile auch gegen euch zu richten!«, rief die Elfe.
Alle Umstehenden senkten demütig den Kopf. Keiner wagte es, der Königin zu widersprechen.
Sabrina grinste erneut still in sich hinein. Das Grinsen blieb ihr im Gesicht kleben, als die Elfe sich plötzlich an sie wandte. Doch Amiėle zwinkerte ihr nur lächelnd zu.
»Was meint ihr, junge Herrscherin. Wie sollten wir eurer Meinung vorgehen?«, fragte die Königin sie.
Sabrina richtete sich hektisch auf. Beinahe wäre sie vom Stuhl gefallen, doch sie bekam die Armlehne gerade noch zu fassen.
»I-i-ich?! Ich weiss nicht... Was ist Aramesia für eine Stadt? Wieso greifen wir nicht von Westen an?«, fragte Sabrina völlig überrumpelt.
Einer der Zwerge schüttelte den Kopf.
»Im Westen liegt der Lacco Lugondon und um ihn zu überqueren brauchen wir Schiffe, die wir nicht haben. Und rund herum am Seeufer haben sich die Trolle angesiedelt. Wir müssten jedes ihrer Dörfer umgehen, um nicht in Kämpfe verwickelt zu werden. Und Trolle sind zwar dämlich, aber ausserordentlich stark. Über Osten... Können wir ja nicht...«, murmelte er mit einem fiesen und gehässigen Blick Richtung Königin Amiėle.
Die Elfe ignorierte die Worte des Zwergs. Sie sah die ganze Zeit nur lächelnd zu Sabrina hinüber.
»Aramesia«, begann sie, »ist eine alte Stadt. Sie wurde, lange bevor die Dunklen die Herrschaft an sich rissen, erbaut. Sie ist eine Stadt der Menschen und daher leicht von den Dunklen einzunehmen. Die ursprünglichen Bewohner leben dort wie die Tiere. Sie werden von irgendeinem hohen Tier regiert. Und soweit es uns bekannt ist, ist das irgendein Oberhaupt eines bösartigen Vampirzirkels. Die Bewohner werden unterdrückt. Sie leben nur, um zu arbeiten. Wer irgendetwas gegen die Dunklen oder gegen irgendeinen der mächtigen unter den Anhängern von ihnen sagt, wird eiskalt öffentlich hingerichtet. Die Bewohner leben in Angst und Schrecken. Das Problem ist, wenn wir Aramesia angreifen, würden viele unschuldige Wesen getötet werden!«
Die Königin wirbelte herum, als sei ihr etwas klar geworden.
»Zwerg! Sprich, ist das Labyrinth geeignet, um unsere Armee zu transportieren?«, fragte die Königin.
Der Zwerg schien beleidigt.
»Ihr scheint Spass daran zu haben, mich zu demütigen...«, knurrte er, doch er wurde von der rauen Stimme König Orions unterbrochen: »Redet man so mit einer Königin? Schämt Euch, Leutnant Atrok!«
Er wandte sich an die Elfe.
»Verzeiht die dreiste Art dieses Zwergs. Abe es ist nun mal so, dass dieser Teil des Labyrinths von Höhlenasseln, Seelenfressern und schwarzen Männern befallen sind. Bisher konnten wir diesen Teil des Labyrinths nicht erneuern. Uns fehlte schlicht das Personal. Ausserdem sind die Tunnel dort sehr instabil. Es tut mir leid, aber diese Tunnel zu betreten grenzt an Selbstmord...«, erklärte der Zwergenkönig.
Amiėle nickte.
»Es bleibt uns nichts anderes übrig, als Aramesia anzugreifen. Die Dunklen werden die Bewohner nicht kämpfen lassen. Zu hohe Gefahr für Aufstände«, sagte sie und liess den Blick über die Anwesenden streichen. Zwerge, Elfen, Menschen und andere Wesensarten hingen an den Lippen der schönen Königin.
Amiėle wandte sich an Mile, der einige Meter von seiner Schwester entfernt sass. Die beiden hatten seit ihrem letzten Streit nichtmehr miteinander geredet.
»Lichterlord. Ihr müsst unsere Armee anführen! Das wird den Soldaten Mut machen!«, rief sie.
Mile schreckte entsetzt auf.
»Was?! Ich habe keine Ahnung von Kriegsführung! Und wie soll ich das anstellen?«, fragte Mile entsetzt.
»Ich bin sicher, du machst das grossartig, mein Junge. Eigentlich ist das Einzige, was du machen musst, herumzustehen, für Twos herumzubrüllen und einigen Nekromanern den Schädel einzuschlagen. Ich bin sicher das kriegst du hin. Ausserdem hat mich Mr. Topper darüber informiert, dass du ein äusserst begabter Schwertkämpfer bist...«, meinte Drosselbart lächelnd.
»Moment!«, unterbrach Sabrina den König. Einige Kriegsherren sahen sie leicht erschrocken an. Aber das war ihr egal. Sie war doch schliesslich die Eisprinzessin! Sie durfte den König unterbrechen.
Der König wandte sich ihr zu.
»Was ist denn, junge Eisprinzessin?«, fragte Amiėle.
»Wieso konnte er«, fragte Sabrina aufgebracht, »bereits sein Können im Schwertkampf darstellen? Was ist mit mir?«
Sabrina sah Mile nicht an. Sie war ihm aus dem Weg gegangen, hatte ihm nicht ins Gesicht geschaut, hatte nicht mit ihm geredet. Sie war so wütend auf ihn. Seit Mile Eril beinahe mit seinem Sinduin umgebracht hätte.
Die Elfe lächelte.
»Junge Herrscherin, Ihr seid noch nicht vollständig genesen. Es hat viel Magie gebraucht, um Euch daran zu hindern, Jahrhunderte lang ins Koma zu fallen. So viel Blut wie Ihr verloren habt...«, begann die Elfenkönigin.
»Noch nicht ganz genesen? Ich bin fit wie ein Turnschuh! Wann kann ich trainieren?«, fragte Sabrina gereizt.
»Sabrina! Ich...«, unterbrach ihr Bruder sie.
»Boah Mile! Halt bloss die Klappe!«, zischte Sabrina ihren Bruder an, der sofort verstummte.
Ach wäre doch Eril hier, dachte sie, als sie den verletzten Blick ihres Bruders auf sich spürte. Doch Eril lag noch immer auf der Krankenstation. Der Rabe hatte ihm einige ziemlich schmerzhafte Kratzer verpasst.
»Ich weiss, Ihr könnt es kaum erwarten, Ellon'da zu benutzen und Euer Können zu beweisen. Ich weiss auch, mit wem Ihr trainieren werdet. Mit dem Besten der Besten. Doch davor gibt es noch etwas, was Ihr tun müsst!«, erklärte Amiėle ruhig.
Sabrina lehnte sich schnaubend zurück. Die Königin nickte einem, in einer Rüstung steckendem, Elf zu, der ebenso neben der magische Karte stand. Der Elf machte eine Handbewegung und Sabrina glaubte, zu fliegen. Die Vogelperspektive, von der aus man Twos betrachtete, schoss in die Höhe. Die Miniatursoldaten wurden kleiner und kleiner.
Arkan. Dies war der Name des riesigen Kontinents, der sich da vor ihr ausbreitete und auf dem sie sich gerade befanden. Er war eher länglich als breit. Der südliche Drittel des Kontinents verschmälerte sich ein Stück, um dann wieder in die Breite zu wachsen. Dieser unterste Drittel war dreigeteilt. Im Westen lagen die 'Windwälder', die an die östlichen 'Vagen Sümpfe' grenzten. Die Windwälder sahen aus wie ein gewöhnlicher Tannenwald. Die Vagen Sümpfe hingegen konnte Sabrina nicht einmal erkennen, denn ein weisser Nebelschleier hatte sich über das Gebiet gelegt. Der obere Teil des Drittels, der schmaler als der restliche Kontinent war, wurde als ‚Die einsamen Weiden' benannt. Diese Region bestand aus einer breitflächigen Tundra, die so karg war, dass Sabrina nicht einen einzigen Baum oder derartiges entdecken konnte.
Nördlich der tristen Tundra war das Land wieder bewaldet, wie der grösste Teil der Märchenwelt.
Im mittleren, westlichen Teil des Kontinents glitzerte eine riesige Wasserfläche. Der 'Lacco Lugondon', wie ihr eine magische Beschriftung, die, wie auf die dreidimensionale Karte draufgepinselt, verriet. Dieser Name war felėenisch und Sabrinas Gehirn übersetzte ihn sofort. Lacco bedeutete See und Lugondon Tränen. Also Tränensee. Der Name passte, denn die Form des Gewässers erinnerte tatsächlich an einen Tropfen, dessen oberes, spitzzulaufendes Ende nach rechts gekrümmt war. Ein verhältnismässig schmales Landstück trennte den See vom Azifik, dem westlichen Ozean.
Östlich des Tränensees sah es dafür ganz anders aus, wo sich eine kleinere Hügelkette – 'Die Hohlen Hügel' - erstreckte. Gleich daneben begannen die Grenzwälder Virid'agrus zu wuchern und noch weiter östlich: Virid'agru selbst. die riesigen Die Grenzwälder sahen aus wie ein normaler Mischwald und fielen nicht weiter auf. Virid'agru dafür umso mehr. Wer denkt, Wald sei gleich Wald, der täuscht sich sehr. Virid'agru war besonders. Der Wald der Elfen erstreckte sich in einem breiten Band entlang der östlichen Küsten des mittleren Drittels des Kontinents. Die Bäume waren einfach riesig, was durch die 3D Karte noch mehr zur Geltung kam. Er war ebenfalls ein Mischwald. Anstelle des typischen Blattgrüns war in Virid'agru die Nadel- und Blattfarbe dunkler. Dieser Wald war magisch, das war klar.
Virid'agru verlief entlang der Küsten. Spitze, düstere, schwarze Klippen zeigten wie scharfe Klingen auf den Patlantik hinaus. Auch die Klippen hatten einen eigenen Namen, was darauf schliessen liess, dass sie nicht Land der Elfen warnen. 'Das Ende der Welt'. Wie einladend...
Sabrina sah zurück zum Lacco Lugondon. Nordöstlich des Sees erstreckte sich ein weiter Wald, der mindestens genauso stark auffiel wie der Elfenwald. Jeder Baum schien eine andere Farbe zu haben. Von einem saftigen Grün, bis zu herbstlichen orange-rot-gelb Tönen. Die Wälder waren von so verworrenen Wegen durchzogen, dass einem beim Hinsehen schwindelig wurde. Diese Wälder waren ein Labyrinth und hiessen 'Die Waldgärten von Wyr'.
Besagte Waldgärten wurden im Norden von einem Fluss, der aus dem Azifik stammte und in den Lacco Lugondon mündete, abgeschnitten. Dieser Fluss, die Kaouthar, war so was wie eine natürliche Grenze zwischen den Waldgärten von Wyr und dem Ezelwald, der wieder zu den gewöhnlichen, nichtmagischen Gebieten der Märchenwelt gehörte.
Die Nordöstliche Ecke des Kontinents bestand aus einer riesigen, gelbgoldenen Fläche. Dort lag 'Die Wüste Aurea', wie die Karte verriet. Die Sandwüste grenzte an die nördlichen Grenzwälder Virid'agrus.
Der restliche Teil des Nordens war von Wald bedeckt, abgesehen von der riesigen Bergkette, die sich den Küsten entlang zog. Dort lag das Ondorgebirge, die Heimat der Zwerge. In dem grössten aller Berge, direkt aus dem Stein gehauen und von der Aussenwelt durch unzählige Meter und Tonnen hartes Gestein getrennt, rottete die Hauptstadt der Zwerge vor sich hin. Seit die Dunklen Kamen'strany überrannt und das Zwergenvolk verjagt hatten, war das ehemalige Monopol verlassen.
»Seht hier, Eisprinzessin«, flüsterte die Elfenkönigin.
Sabrina folgte mit den Augen dem ausgestreckten Zeigefinger der Königin. Sie deutete auf einen Punkt etwas oberhalb der Mitte des Kontinents. Der Punkt war genauer ein Tal. 'Das Tal der Ewigkeit', verkündete die Beschriftung. Besagtes Tal wurde im Westen, Süden und Osten von dem Ezelwald umsäumt. Aber das war nicht das, was die Elfe ihr zeigen wollte. Sie meinte das Tal, denn dort ragte, als wäre er aus dem Boden herausgewachsen, der Zeitpalast. Ein gigantisches Bauwerk. Es waren zwei Türme, die schräg voneinander weg in den Himmel ragten. Der Linke war aus Eis. Die Rechte schien aus Bernstein. So schien es jedenfalls. Vielleicht war der Palast auch aus irgendwelchen anderen Materialien gebaut worden, jedenfalls war er unglaublich imposant und wunderschön. Ein Kunstwerk der Architektur. Wie dieser Palast wohl erst in echt aussehen würde?
Der Zeitpalast war jedoch nicht das einzige Gebäude. Eine gigantische Stadt füllte das Tal. Wie ein Heiligenschein umgaben die umliegenden Gebäude den Palast. Die Stadt war kreisrund. Das Zentrum bildete der Palast. Zwölf Hauptstrassen fürhren wie Strahlen von dem Zeitpalast weg, was das die Hauptstadt des Kontinents stark einer Uhr ähneln liess. Das war die Stadt, die früher vom geschäftigen Treiben der Bewohner belebt worden war und nun von Schatten und der Düsternis heimgesucht wurde. Ob es da noch Wesen gab, die den Herrschern treu waren? Bestimmt nicht. Die waren sicher alle von den Dunklen ausgerottet worden!
»Ist das der... Zeitpalast? Und die Stadt rund herum... Dort haben sich die Dunklen eingenistet?«, fragte Mile andächtig.
»Wonach sieht es denn aus, Feuerjunge? Mich persönlich erinnert es an eine Teetasse. Oder einen Tee aus blauen Tannen mit einem Schuss Honig aus den Waben der Bienenkönigin, selbst wenn es ein äusserst gefährliches Unterfangen...«
»Jeremy!«, unterbrach König Drosselbart den verrückten Hutmacher.
»Natürlich. Verzeiht!«, murmelte der Hutmacher und zog sich seinen Zylinder tiefer ins Gesicht.
»Was ist mit dem Palast? Haben die Dunklen ihn nicht zerstört?«, fragte Sabrina die Elfenkönigin.
Amiėle lachte freudlos und schüttelte verneinend den Kopf. »Dies ist der Zeitpalast und die Stadt rund herum heisst Tempus. In ihr lebten zu Zeiten der Herrscher circa dreihunderttausend Wesen. Mittlerweile ist diese Zahl um die Hälfte gesunken. Sie alle leiden unter dem Joch der Dunklen. Wer sich ihnen nicht anschliesst oder sich ihnen verweigert, wird hingerichtet. Nebst diesen Unschuldigen haben sich aber auch jede Menge finstere Wesen in Tempus eingenistet. Die Bevölkerung ist also gespalten. Es gibt die Unschuldigen und jene, die sie unterdrücken. Der Zeitpalast bildet das Zentrum der Stadt. In ihm haben die Dunklen sich niedergelassen. Von dort aus leiten sie ihre Diktatur.« Amiėle schnipste mit den Fingern und eine violett schimmernde Kuppel umgab den Zeitpalast in der Stadtmitte.
»Diese Kuppel ist eine Barriere. Sie besteht aus Magie, dunkler Magie. Sie ist unglaublich mächtig. Wer oder was die Quelle dieser Magie ist, ist uns nicht bekannt.«
»Und was ist das? Diese Kuppel aus Magie? Was bringt sie?«, fragte Sabrina verwirrt.
Jeremy mischte sich wieder ein.
»Nun, die Kuppel macht es uns unmöglich, den Palast mit Magie anzugreifen. Von Ausserhalb dieser magischen Barriere können wir nicht viel erreichen. Alles Magische, was versucht, durch diese Kuppel zu dringen, wird abgeblockt. Doch da unter den Rebellen viele magische Wesen sind, heisst das, wir können nur durch die Muskelkraft Nichtmagischer auf die andere Seite der Barriere gelangen. Dies ist aber absolut unsinnig, denn allein aus physischer Kraft können wir die Dunklen nicht bezwingen. Wir können Tempus niederreissen und alles was in ihr lebt, doch den Zeitpalast können wir ohne Magie nicht stürmen. Und dafür brauchen wir euch Herrscher!«
»Aber wir können die Barriere doch auch nicht überwinden. Wir sind ja auch irgendwie... magisch...«, meinte Mile verständnislos.
Jeremy nickte beifällig. »Aber es gibt eine Möglichkeit!«, rief er begeistert. »Blauer Mohn! Der Tee daraus schmeckt überaus gut...«
Ein Blick der Königin und der Hutmacher verstummte.
Sabrina runzelte die Stirn. »Blauer Mohn? Was ist das? Ich habe noch nie davon gehört. In der Welt aus der ich komme, gibt es Mohn nur in rot«, murmelte Sabrina.
Schneewittchen trat auf Sabrina zu. In ihrer Hand hielt sie einen kleinen, silbernen Spiegel.
»Den habe ich der bösen Königin vor vielen Jahren aus dem Schlafzimmer geklaut!«, flüsterte die Schöne und zwinkerte Sabrina zu.
Sabrina blickte in den Spiegel. Erst sah sie nur ihr eigenes Gesicht. Die blasse Haut, die weinroten Wangen, die Eisaugen und das Dunkelblonde Haar, in denen Schneeflocken glitzerten, schienen mittlerweile zum Normalzustand zu werden. Plötzlich, als wäre der Spiegel ein Teich, der im silberner-blauen Licht des vollem Eismondes schimmert, in den man einen Stein geworfen hätte, verschwamm ihr Gesicht. Als das Wasser sich zu beruhigen schien, wurde ein anderes Bild sichtbar. Eine blaue Blume. Eine Mohnblume. Der dünne, behaarte Stängel der Blume hob stolz seine Blüte in die Höhe. Die feinen, dünnen Blätter der Blüte leuchteten in einem sanften Azurblau. Im inneren der Blume sah man die winzigen, silbernen Staubblätter der Blume.
»Blauer Mohn!«, hauchte Sabrina. »Er ist wunderschön!«
Amiėle lächelte.
»Blauer Mohn, oder wie er in meiner Sprache genannt wird, bluem sėmee. Blauer Mohn besitzt die Eigenschaft, alles Magische zu verschleiern. Die Barriere würde also nichts Magisches an Euch oder Eurem Bruder aufspüren können, wenn ihr diese Blume bei euch tragt. Jedoch wirkt es nur bei dem Träger der Blume. Die Magie des Trägers bleibt dieselbe, sie wird also nur verschleiert, unsichtbar gemacht. Blauer Mohn wächst nur im Osten Virid'agrus, an der Küste. Man findet sie in Höhlen im Patlantischen Ozean!«, meinte die Königin voller Stolz.
»Und... Nehmen wir an, wir hätten so eine... Bluem sėmee... Wie sollen wir die Dunklen ausschalten? Wir können sie doch nicht einfach töten!«, rief Mile, von einer plötzlichen Panik erfasst.
König Orion grinste.
»Ihr müsst nur die Quelle jener Magie, die die Barriere aufrechterhält, vernichten. Was immer das auch sein mag. Wenn das geschafft ist, werden die Dunklen angreifbar sein«, knurrte der kräftige Zwerg.
»Okay! Worauf warten wir noch? Greifen wir diese... Dunklen an!«, rief Mile.
Der Zwerg kicherte. »Junge, Junge... Du gefällst mir. Nur müssen wir zu aller erst Aramesia angreifen. Und ausserdem muss deine Schwester noch den blauen Mohn besorgen!«
Sabrina horchte auf. »Ich?! Ich kenne mich doch gar in nicht Virid'agru aus! Und wie soll ich dort hinkommen?«, rief Sabrina erschrocken.
»Das du so etwas überhaupt fragst. Ich habe gehört, du hast einen ziemlich guten Freund gefunden. Einen sehr, sehr guten Freund nicht wahr?«, säuselte Jeremy und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
Sabrina wurde heiss und kalt gleichzeitig. Eril.
Noch immer war sie sich noch nicht vollständig im Klaren über ihre Gefühle...
»Per Drache zu reisen... Das wollte ich schon immer! Ich werde dich begleiten. Und ein anderer Drachenreiter. Zu eurem Schutz!«, plapperte der Hutmacher weiter.
Bittere Enttäuschung durchfuhr sie. Einen Moment hatte sie geglaubt, mit Eril allein reisen zu können. Aber vielleicht war es auch besser so. Ausserdem mochte sie den Hutmacher. Also nickte sie zustimmend.
»Wann geht es los?«, fragte Sabrina gleichzeitig mit ihrem Bruder.
König Drosselbart grinste, erfreut über den Tatendrang der beiden jungen Herrschern.
»Morgen!«

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