Kapitel 15 - Des Winters Blut

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Kapitel 15

Des Winters Blut


~Mile~

Mile sah dem grünen Drachen nach. Es gefiel ihm gar nicht, dass seine Schwester mit diesem Elf davongeflogen war.
Normalerweise fand seine Schwester doch nichts an solchen Machos!
»Mile! Nicht so schnell!«, keuchte Red.
Sie klammerte sich an seinen Arm und versuchte verzweifelt, mit ihm Schritt zu halten.
Die Platzwunde an ihrer Stirn war zwar nicht tief, aber es war ein kräftiger Schlag gewesen. So kräftig, dass Red noch immer schwindelig war.
Sofort verlangsamte Mile seinen Schritt.
»Entschuldigung! Ich habe nicht aufgepasst!«, sagte er schnell, aber sein Blick huschte bereits wieder zum Himmel.
»Du sorgst dich um sie, hab ich recht?«, fragte Red und ihre ruhigen Augen musterten ihn sanft.
»Ja... Ich hätte in der letzten Zeit mehr auf sie aufpassen sollen. Und was ist das überhaupt für ein Typ? Irgendein Elf. Drachenreiter oder so was!«, rief er aufgebracht.
»Nun, Elfen sind schon was... Besonderes. Sie sind schlau, schnell und sehen meist gut aus...«, flüsterte Red. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
»Du sprichst aus Erfahrung?«, fragte Mile und der Schalk blitzte in seinen Augen.
Red grinste.
»Vor vielen Jahren traf ich einst einen Elf. Kian war sein Name. Er war... Nun ja... Sehr anziehend... Doch dann begann der Krieg und er musste zurück nach Virid'agru, das ist das Land der Elfen. Ich glaube, er hat sich in der Zwischenzeit eine schöne Elfe geangelt. Ausserdem habe ich mein Amt als Wächterin antreten müssen. Und die meisten Zwerge mögen keine Elfen, wir hatten also nicht den gleichen Freundeskreis. Zwerge sind rau und kräftig. Das Elfenvolk ist allgemein eher zierlich und vertraut eher auf seinen Verstand. Und nun stell dir Sabrina vor. Ein junges Mädchen und ein Drachenreiter!«, sie seufzte theatralisch, grinste und flüsterte: »Wie romantisch!«
Mile lachte.
»Ich hoffe dieser Drachenreiter vergrault sie nicht. Er hat sie vorher Püppchen genannt! Du hättest ihr Gesicht sehen sollen. Es hat mich gewundert, dass sie ihn nicht gleich in einen Eisklotz verwandelt hat!
Ich hoffe nur, sie weiss was sie tut...«


~Sabrina~

»Eril! Was tust du denn da?!«, schrie Sabrina und klammerte sich an die Beine des Elfs.
Er stand in seinem Sattel und zog das Schwert, das ihm am Gürtel gehangen war, aus der Lederscheide.
»Halte dich gut fest Eisprinzessin! Arseel! Sturzflug! Los!«
Der Drache drehte sich in der Luft, legte die Flügel an und das mächtige Tier fiel wie ein Stein senkrecht nach unten.
»Was ist denn los, Erillion?«, schrie Sabrina gegen den Wind.
»Das Schloss! Es wird angegriffen!«, schrie der Elf.
Er hatte sich über Sabrina gebeugt und klammerte sich an einer Zacke, die wie Hörner aus Arseels Rücken ragten.
Der Drache brüllte und landete auf einem der Türme.
Sabrina war schwindelig. Alles drehte sich um sie.
»Eril! Mach das nie wieder! Oh Gott! Mir ist schlecht!«, jammerte sie.
Der Kampflärm liess Sabrina aufhorchen.
Sie öffnete ihre Augen, die sie seit dem Sturzflug Arseels fest zugekniffen hatte, und blickte sich um.
Rauchschwaden vernebelten Sabrina die Sicht, doch ab und zu wurde der Rauch an einigen Stellen dünner und Sabrina konnte einen Blick über das Gelände werfen.
Unter ihnen war der Hof. Menschen, Elfen, Zwerge und andere Lebewesen, die sie noch nie gesehen hatte, rannten über den staubigen Grund, verteilten hektisch Schwerter, Schilde und Rüstungen.
Dicke Mauern umrahmten das Schloss. An den Zinnen standen Armbrust oder Bogenschützen, die einen Pfeil nach dem anderen in das Gemenge ausserhalb der Mauern unter ihnen schossen.
»Eril! Was ist hier los?«, keifte sie und sprang von Arseels Rücken. Dumpf kam sie auf den Schieferplatten auf, die das Dach bedeckten.
»Die Dunklen greifen an! Sieht aus wie eine Armee von Nekromanern. Und ein Paar Trolle und Moracks sind auch dabei!«, rief der Elf über das Kampfgeschrei hinweg.
»Könnt ihr kämpfen, Herrscherin?«, grollte Arseels Stimme so laut, dass ein Paar Schieferplatten zu klirren begannen.
»Ich glaube schon...«, antwortete Sabrina obwohl sie noch immer etwas wacklig auf den Beinen war. Kämpfen... Sie konnte nur hoffen, dass Trolle kein Eis mochten.
»Ihr dürft nicht glauben, kleine Eisprinzessin. Ihr habt keine Wahl. Wie in uns Drachen das Feuer in tiefsten Herzen wohnt, so tanzt bei euch der Winter in der Brust. Lasst ihn nur erwachen, sollte es heute zu einem Kampf kommen. Vergesst niemals wer ihr seid, denn ihr seid beschenkt mit einer Gabe, die keiner anderen, mir bekannten Macht, gleichzusetzen ist...«, rief der Drache. Dann nickte ihr Eril zu und schwang sich in die Luft. Er jagte auf die Armee aus Monstern zu, die sich vor dem Schloss aufgestellt hatte. Er spuckte Feuer und ein paar hundert hässliche Ungetüme, die aussahen, als seien sie einem Herrn der Ringe Film entsprungen, wurden gegrillt.
Plötzlich stand Eril neben Sabrina und schlang seinen Arm um ihre Taille.
»Vertraust du mir?«, brüllte er.
»Was? Klar... Glaube ich...«, rief sie.
Glauben! Glauben! Der Drache hatte Recht! Sie musste sich der Dinge sicher sein.
Doch der Elf liess ihr keine Zeit zum Entscheiden...
»Dann spring!«, schrie Eril und liess sich in die Tiefe fallen. Seine Arme umklammerten noch immer ihre Hüfte und so riss er sie mit in die Tiefe.
Sabrina schloss die Augen, als sie den sandigen Boden des Hofes in rasender Geschwindigkeit auf sich zukommen sah. Sie bereitete sich auf den harten Aufprall vor.
Plötzlich riss sie etwas aus der Luft. Eine grosse, schuppige Pranke schloss sich um ihren und Erils Körper.
Sabrina keuchte.
Ein riesiges, tomatenrotes Drachenauge glotzte sie an. Sabrina starrte wie gelähmt zurück.
Die Flügelschläge des Drachens wurden langsamer und schliesslich setzte das Tier langsam auf dem Boden auf.
Sabrina klammerte sich noch immer an Eril fest.
Das letzte was sie sah, waren seine besorgten, blaugrauen Augen.
Dann gaben ihre Beine nach und Sabrina verlor sich in der Schwärze...

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWhere stories live. Discover now