Kapitel 3

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Sura

Vier Wochen bis zur Hinrichtung

Nervös sitze ich in dem Besucherraum und warte darauf, dass Jason Strent hereingebracht wird. Um mich davon abzulenken, dass mehrere Wachmänner mich neugierig beobachten, sehe ich erneut meine Notizen durch.

Mehrere Stunden habe ich mich gestern durch die Akte gewühlt, die mir meine Chefin gegeben hat.

Dennoch habe ich nicht das Gefühl, als würde ich diesen Mann jetzt kennen. Er war ein angesehener Navy Seal, wurde aber urplötzlich ein paar Wochen vor seiner Tat aus dem Dienst unehrenhaft entlassen. Warum, stand nicht drin. Aber ich habe es auf meine Liste mit Fragen gesetzt. Ich will schließlich alles über ihn herausfinden.

Diese Story wird mein Sprungbrett sein, um endlich wieder dauerhaft über große Themen berichten zu können. Vielleicht werde ich doch noch eine aufstrebende Reporterin. Ich spreche mir gedanklich selbst Mut zu und blicke auf, als die Tür hinter der Glasscheibe geöffnet wird.

Es nervt mich, dass ich getrennt durch eine Scheibe mit ihm reden muss, doch das ist eine neue Sicherheitsvorkehrung im Polansky-Gefängnis. Die Häftlinge haben lediglich das Recht mit ihren Anwalt oder ihren Ehefrauen alleine, ohne irgendwelche Vorkehrungen, gegenüber zu sitzen und zu sprechen. Da ich jedoch nur eine kleine Reporterin bin, muss ich mit dem was ich habe vorlieb nehmen und mir bewusst sein, dass die Wärter jedes Wort was wir hier sprechen mit anhören.

Häftling Jason Strent wird hereingebracht und er schaut mich kalt an, als sich unsere Blicke begegnen. Mir stockt prompt der Atem, während ich ihn mustere. So hatte ich ihn mir nicht vorgestellt! Seine braunen Haare sind raspelkurz geschoren, sein Kreuz bringt die weiße Gefängniskleidung zum spannen und auch der Rest seines Körpers wirkt athletisch und durchtrainiert.

Ich hatte mir gestern Fotos von ihm angesehen. Unzählige, um genau zu sein. Aber sie sind ihm keineswegs gerecht. In Natura wirkt er beeindruckender und gefährlicher.

Jason hebt skeptisch eine Augenbraue, bevor die Tür hinter ihm geschlossen wird und er seine Hände durch eine Öffnung hält, damit ihm die Handschellen abgenommen werden. Das ist der Moment, indem ich mich endlich aus meiner Starre reißen kann.

Bin ich eigentlich total bescheuert?, frage ich mich gedanklich selbst. Wieso starre ich einen Straftäter an, als wäre er der gutaussehendste Mann, den ich jemals gesehen habe?!

Weil es der Wahrheit entspricht, erinnert mich unnötigerweise die kleine Stimme in meinem Kopf und ich spüre wie mir Hitze die Wangen hochkriecht, als ich seinen Rücken betrachten kann.

Wie er wohl nackt aussieht? Gott! Falsche Gedanken!

Nachdem ich mich wieder unter Kontrolle habe, dreht er sich auch schon um und reibt sich die Handgelenke, sobald er sich hingesetzt hat. Ich greife nach dem Hörer, der an der rechten Seite von mir hängt und warte darauf, dass er es mir gleich tut. Doch er starrt mich nur an.

Seine waldgrünen Augen sind ausdruckslos auf mich gerichtet und er verzieht keine Miene, während er mich mustert. Ich würde am liebsten wegsehen, aber stattdessen halte ich seinem Blick stand und nutze die Chance, um ihn ebenfalls genauer anzusehen.

Ein harter Zug liegt um seine Mundwinkel und eine Zornesfalte bildet sich zwischen seinen Augenbrauen, während er mich beobachtet, als wäre ich sein nächstes Opfer. Sein Kiefer ist kantig und ein leichter Bartschatten liegt darüber. Alles an ihm schreit förmlich danach, dass er ein Kämpfer ist. Das einzige sanfte an ihm sind seine Augen. Er kann mich noch so kalt ansehen, trotzdem wirken sie irgendwie traurig. Als hätten sie schon zu viel Elend gesehen.

Wir starren uns noch einen Moment an, bevor er langsam nach dem Hörer auf seiner Seite greift. Er hält ihn sich ans Ohr, sagt allerdings nichts.

„Hallo, Mr. Strent. Ich freue mich, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben", beginne ich freundlich das Gespräch.

Jason schnaubt lediglich, antwortet aber nicht darauf. Wie nett. Aber was hatte ich schon erwartet? Das er mir all seine Geheimnisse und dunkelsten Abgründe auf einem Silbertablett serviert? Wohl kaum. „Ich bin Sura Hill und arbeite für die Zeitung Texas News." Ich verstumme, als ich bemerke, wie missbilligend er die Lippen verzieht.

„Es interessiert mich einen Scheiß, für welche Zeitung Sie arbeiten. Ich habe nicht vor mit Ihnen zu reden", antwortet er nach einem Augenblick und seine Stimme klingt so beherrscht und dennoch gefährlich, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen.

„Wieso nicht, Mr. Strent? Das wäre Ihre Chance, der Öffentlichkeit mitzuteilen, weshalb Sie Aaron Jones umgebracht haben." Ich bereue meine Worte, kaum dass sie aus meinen Mund gekommen sind. Man spricht niemals einen Straftäter so direkt wegen dessen mutmaßlichen Tat an. Niemals. Stattdessen tastet man sich langsam vor und gewinnt erst einmal das Vertrauen.

Was ich natürlich super hinbekommen habe, denke ich mir und würde mir am liebsten durch die Haare raufen. Offenbar hat sein gutes Aussehen, mein Denkvermögen aussetzen lassen.

Sofern das überhaupt möglich ist, verschließt sich seine Miene noch mehr. War ja zu erwarten. Mist. Das war ein riesen Anfängerfehler von mir. „Mr. Strent, es war nicht so ..."

„Sparen Sie sich Ihre Worte", unterbricht er mich. Ich spüre wie meine Hand, die den Hörer umklammert hält, sich verkrampft. Erneut setze ich zum Sprechen an, doch mein Mund klappt zu, als er sich nach vorne lehnt, sodass er ganz nahe vor der Scheibe ist. „Sie halten mich für genauso schuldig, wie alle anderen. Wieso sollte ich also mit Ihnen reden? Sie kommen mit Vorurteilen hierher und erwarten dennoch Antworten. Tut mir leid, aber die werden Sie nicht bekommen, Mrs. Hill."

Er spuckt meinen Namen förmlich aus und ich denke fieberhaft darüber nach, wie ich die ganze Situation noch retten kann. „Ich komme keineswegs mit Vorurteilen hierher, Mr. Strent", verteidige ich mich, doch er lächelt mich an und schüttelt kaum merklich mit dem Kopf.

„Ich kann Ihnen an der Nasenspitze ansehen, dass Sie mich tot sehen wollen. Genau wie der Rest der Vereinigten Staaten. Aber keine Sorge, Mrs. Hill, in vier Wochen können Sie in der ersten Reihe sitzen und dabei zusehen, wie die Giftspritze mir das Leben aushaucht. Wenn Sie möchten, reserviere ich Ihnen einen guten Platz und richte meine letzten Worte an Sie", höhnt er.

„Mr. Strent, bitte! So war es nicht gemeint. Ich habe mich etwas falsch ausgedrückt."

Er hebt erneut eine Augenbraue skeptisch an und lacht laut. „Keineswegs. Sie haben genau das gesagt, was Sie gedacht haben. Ein schönes Leben noch, Mrs. Hill. Aber ich habe jetzt Besseres zu erledigen."

Bevor ich ihn davon abhalten kann, knallt er den Hörer wieder an die Vorrichtung an der Wand und steht auf. Ich rufe ihn, doch dadurch, dass er nicht mehr den Hörer am Ohr hat, kann er mich nicht hören. Er klopft an die Tür und wenig später werden ihm wieder die Handschellen angelegt. Bevor er zurück in seine Zelle gebracht wird, dreht er sich noch einmal zu mir und wirft mir einen eiskalten Blick zu.

Ich bleibe für einen Moment schockiert sitzen und gratuliere mir gedanklich selbst, zu meiner miserablen Leistung. Dass ich es verbockt habe, beschreibt es nicht einmal ansatzweise.

*Wie immer freue ich mich sehr über Rückmeldungen! <3 Das nächste Kapitel gibt es am Donnerstag. :)* 

ENEMIESWhere stories live. Discover now