Kapitel 43

222 7 2
                                    

Jason

 Zwei Wochen bis zur Hinrichtung  

Der Vormittag geht ohne nennenswerte Ereignisse spurlos an mir vorbei. Wie immer.

Mich wundert es nur, dass Dean vorhin beim Hofgang recht in sich gekehrt wirkte und sich kaum an den Gesprächen zwischen Phil und mir beteiligt. So kenne ich ihn gar nicht. Normalerweise ist er stets guter Laune und hat einen frechen Spruch auf den Lippen. Wer weiß, was ihn bedrückt.

Vielleicht ist er aber auch nur aufgeregt, wegen seines Vorhabens hier auszubrechen. Seitdem er davon erzählt hat, warte ich jeden Tag darauf, dass die Sirenen losgehen und alle Wachmänner nach draußen schwärmen. Ich bin gespannt, ob es ihm gelingt.

Womöglich werde ich das gar nicht mehr erfahren. Immerhin bleiben mir nur noch zwei Wochen. Vierzehn Tage. Dreihundertsechsunddreißig Stunden. Das ist wirklich verdammt wenig.

Ich presse die Lippen zusammen und ein schaler Geschmack bildet sich in meinem Mund. Liegt wahrscheinlich daran, dass heute der Tag ist, an dem Leo einen Gnadengesuch einreichen will. Auch wenn ich mir denken kann, dass er abgelehnt wird, mache ich mir dennoch ein wenig Hoffnungen.

Statt über dieses aussichtslose Unterfangen nachzudenken, wandern meine Gedanken zu Sura. Heute werde ich sie erneut wiedersehen. Allein. Von Angesicht zu Angesicht.

Mein Puls beschleunigt sich, sobald ich daran denke und ich gehe unruhig in meiner Zelle auf und ab. Wenn ich nur wüsste, wann sie kommt. So jedoch, blicke ich ständig zur Zellentür und hoffe, dass mich die Wärter zu ihr bringen.

Um die Zeit zu überbrücken, mache ich ein paar Liegestütze und bin erstaunt, wie schnell ich außer Puste bin. Innerhalb von dem halben Jahr hier drinnen, habe ich so stark abgebaut, dass ich mit dem Mann, der ich früher war, nicht mehr viel gemeinsam habe. Ein Glück hängt in meiner Zelle kein Spiegel. Wahrscheinlich hätte ich ihn schon längst von der Wand gerissen und zerschmettert.

Schweiß bildet sich auf meiner Stirn und mein Atem kommt schwerer, doch ich mache solange weiter, bis meine Muskeln schmerzhaft brennen und meine Arme zittern.

»Häftling 3367«, ruft ein Wärter vor meiner Tür und ich lache kurz auf. War ja klar, dass ich ausgerechnet jetzt geholt werde, wo ich wie verrückt schwitze und mich kaum auf den Beinen halten kann. Ironie des Schicksals würde ich mal sagen.

Ich stehe auf und strecke meine Hände durch den Öffnungsschlitz. Nachdem mir die Handschellen angelegt wurden, geht die Tür auf und ein Wachmann legt mir wie immer noch Fußketten an.

Es sind die zwei Wärter wie letztens Mal, als ich mich mit Sura traf und mein Puls schnellt in die Höhe. Sie ist hier. Sie ist tatsächlich hier, um mich erneut zu treffen! Wegen mir riskiert sie alles und ich weiß nicht so recht, was ich mit dieser Erkenntnis anfangen soll.

Ein Lächeln bildet sich dennoch auf meinem Gesicht, doch ich unterdrücke es schnell, damit es niemand bemerkt, als wir an den anderen Zellen vorbeigehen.

Wie beim letzten Mal bringen sie mich nicht in den Besucherraum, sondern in das Arztzimmer. Alles läuft gleich ab, nur das ich heute keine dämlichen Fragen stellen brauche, da ich ja weiß, wo ich hinkomme.

Die Wärter ketten mich wieder an die Krankenliege, auf der ich Platz nehmen muss und verlassen anschließend den Raum ohne ein Wort zu sagen.

Kaum sind sie weg, drehe ich meinen Kopf zu der anderen Tür und warte darauf, dass Sura endlich hereinkommt.

Unruhig rutsche ich auf der Liege hin und her, doch ich habe keine andere Wahl, als abzuwarten.

Einen unerträglichen Augenblick später, höre ich die Tür klicken und mein ganzer Körper spannt sich an. Für einen Moment halte ich den Atem an, während Sura in das Zimmer hereinkommt.

ENEMIESWhere stories live. Discover now