Kapitel 66

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Jason

Vier Tage bis zur Hinrichtung

Mit einem beklemmenden Gefühl gehe ich auf den Hof des Gefängnisses auf und ab und versuche, nicht daran zu denken, dass ich in drei Tagen in den gesonderten Trakt gebracht werde. Dort werde ich meine letzten vierundzwanzig Stunden verbringen und so wirklich weiß ich nicht, was mich da erwartet.

Wahrscheinlich sind die letzten Stunden die schlimmsten. Immerhin möchte man auf eine Art, dass die Zeit vergeht und auf der anderen betet man, dass sie einfach stehen bleibt.

Ich kicke mit dem Fuß einen Stein weg und verdränge diesen Gedanken schnell. Lieber denke ich daran, dass ich Sura noch einmal wiedersehen werde. Nicht hinter einer Glasscheibe, sondern persönlich.

Meine Schritte werden weiter und ich kann es gar nicht abwarten, dass Leo es organisiert. Es wird erneut ein hohes Risiko sein, besonders, wo der Direktor nach dem letzten fehlgeschlagenen Treffen ein Auge auf meinen Anwalt geworfen hat. Gerade deshalb bin ich ihm so dankbar, dass er dieses Risiko erneut eingeht. Begeistert hat er gestern nicht gewirkt, aber das war zu erwarten.

Mir wird langsam bewusst, was das bedeutet: Ich werde Sura noch einmal küssen können, ihre weichen Lippen auf meinen spüren und ihre Finger, die sanft über meine Wangen streicheln. Außerdem will ich ihr so viele Dinge sagen.

Wahrscheinlich wird dafür jedoch nicht die begrenzte Zeit reichen. Ich beschließe, ihr in den nächsten Tagen einen Brief zu schreiben, den sie dann nach meiner Hinrichtung bekommen soll. Sie soll wissen, was ich für sie empfinde, auch wenn ich die Worte nicht aussprechen kann.

Bevor ich weiter darüber grübeln kann, bemerke ich, dass Dean endlich über den Hof gelaufen kommt. Sofort gehe ich ihm entgegen. Jetzt nachdem Phil seinen Frieden hoffentlich gefunden hat, ist er der Einzige, mit dem ich mich hier noch verstehe. Klar, die anderen respektieren mich nun, doch meine Freunde sind sie dennoch nicht.

»Wurde aber auch Zeit, dass du mal deinen schlaffen Arsch hier rausschwingst«, begrüße ich ihn und er zeigt mir den Mittelfinger.

»Fick dich«, sagt er lachend und ich klopfe ihm auf die Schulter. »Wie kommt's, dass du heute so gute Laune hast?«, fragt er ein wenig misstrauisch und ich muss grinsen. »Aaah, deine Süße war da«, schlussfolgert er.

»Sie ist nicht meine Süße.«

»Nee, überhaupt nicht. Schüttelst dir bestimmt auch nicht jeden Abend einen ab, während du an sie denkst, stimmt's?«

Ich rolle mit den Augen über seine derbe Art und er lacht bloß, als ich nicht reagiere. »Ouh, anscheinend habe ich einen empfindlichen Punkt getroffen.«

»Ach, sei ruhig.«

Dean lacht und holt eine etwas in Mitleidenschaft gezogene Zigarette aus seinem Hosenbund. Ihn zu fragen, wie er an die kommt, habe ich mittlerweile aufgegeben. Aus welchen Grund auch immer, genießt er hier Sonderrechte. Schließlich sehen die Wärter, dass er raucht und dennoch rügen sie ihn nicht. Mich würde wirklich interessieren, wieso dem so ist, aber das werde ich in meinen letzten vier Tagen wohl nicht mehr herausfinden.

»Wird ziemlich langweilig ohne dich«, sagt Dean nach einer Weile und zieht erneut an seiner Zigarette.

»Wirst schon neue Freunde finden«, brumme ich und er nickt.

»Ich denke auch. Samuel ist mir besonders sympathisch«, antwortet er und ich bleibe abrupt stehen. Dean grinst mich erneut breit an.

»Du bist echt ein Arschloch.«

»Ich weiß. Kann trotzdem gut damit leben.«

Mein Blick schweift zur anderen Seite des Hofes und ich bemerke Chims und seine Gefolgsleute, die uns mustern. »Wenn man vom Teufel redet«, murmle ich und zeige auf das Grüppchen, als Dean die Stirn runzelt.

Provozierend winkt er ihnen zu und sie wenden sich sofort ab. »Schade, dass du nicht schon eher hier aufgetaucht bist. Hätte mir eine Menge Ärger erspart.«

Dean tritt seine Zigarette aus und lässt sie achtlos liegen. Auf meine Worte geht er nicht ein.

»Wann ziehst du eigentlich dein Ding durch?«, frage ich verschwörerisch, da ich das Wort Ausbruch nicht in den Mund nehmen will. Schließlich haben hier die Wände Ohren, auch wenn das Dean die meiste Zeit überhaupt nicht schert.

»Bald«, sagt er und lässt dabei seine Finger knacken. »Freue mich schon, wenn ich denen hier allen den Arsch aufreißen kann.«

»Respekt, dass du es immer noch durchziehen willst.«

»Respekt, dass du nach wie vor nicht mitkommen willst. Ich hätte an deiner Stelle schon die Hosen voll, wenn ich nur an diese Giftspritze denke.«

»Danke, dass du mich daran erinnerst«, sage ich gespielt ernst und er lacht.

»Mach ich doch gerne. Kommen wir aber zu etwas Interessanterem zurück.«

»Und was?«, frage ich neugierig und wir umrunden den Hof ein weiteres Mal.

»Wirst du deine Süße jetzt in den nächsten Tagen noch endlich vögeln oder wirst du ungebumst von dieser Welt gehen?«

Ich öffne vor Entsetzen über seine Worte den Mund und er geht eilig ein paar Schritte zur Seite, als er meine geballten Fäuste bemerkt. »Ich denke, die Antwort lautet also Nein«, sagt er lachend und joggt los, um meinen Fäusten zu entgehen.

Dieser Typ ist wirklich ein Spinner. Aber ein Spinner, der es jedes Mal aufs Neue schafft, mich von meinen trübseligen Gedanken abzulenken.

*Asche über mein Haupt, dass ich gestern doch nicht aktualisiert habe. Dafür kommt heute Abend noch ein neues Kapitel.<3*

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