Kapitel 61

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Jason

Sechs Tage bis zur Hinrichtung

Unruhig gehe ich in meiner Zelle auf und ab. Mittlerweile ist das zu einer Gewohnheit geworden. Aber was soll ich auch anderes hier tun? Klar, ich könnte lesen, doch darauf kann ich mich einfach nicht konzentrieren. Wenn ich doch nur ein wenig im Hof hin und her gehen dürfte, um meine Gedanken zu ordnen ...

Ich seufze und lehne mich an der kalten Wand an. Es ist furchtbar, nur hier herumsitzen und nichts an seinem Schicksal ändern zu können. Panik breitet sich in mir aus, wenn ich daran denke, dass ich bald hingerichtet werde.

Letzte Nacht hatte ich sogar von der Giftspritze geträumt und bin verschwitzt aufgewacht. Mein Herz klopft einen Takt schneller, sobald ich nur an den Traum denke. Phil hat es schon hinter sich. Vielleicht ist es gar nicht so schlimm? Womöglich schlafe ich direkt ein und bekomme gar nicht mit, wie das Leben aus meinem Körper weicht.

Mich schüttelt es bei diesem Gedanken. Nein, ich bin nicht bereit zu gehen. Auf gar keinen Fall. Es kann doch nicht einfach so schon vorbei mit mir sein ... Ich bin gerade mal vierunddreißig und hatte noch so viel vor!

Bittere Galle steigt meinen Hals hinauf und mir ist schlecht. Wenn ich wenigstens noch einmal mit Sura reden könnte, dann wäre es halb so schlimm. Aber ich will nicht sterben und sie nicht ein letztes Mal geküsst haben. Ich schließe die Augen, um unseren Kuss mir nochmal in Erinnerung zu rufen. Gott, ich kann mich nicht erinnern, jemals so für eine Frau empfunden zu haben.

»Häftling 3367, zurücktreten«, ertönt die altbekannte Stimme des Wachmannes und ich drehe mich seufzend zur Tür. Einen Moment später öffnet sie sich und der Wärter, der mich stets beleidigt, kommt herein.

Böse grinsend starrt er mich an und legt mir die Handschellen an. »Du hast Besuch«, knurrt er und klingt, als könnte er es nicht fassen, dass mich wirklich jemand sehen will. Was für ein Arschloch. Ich nehme mir vor, ihn am letzten Tag gehörig die Meinung zu geigen.

Bei diesem Gedanken muss ich lächeln und er zieht die Augenbrauen nach oben. »Vortreten«, sagt der andere und ich folge dem Befehl.

Sie führen mich aus der Zelle und dieses Mal passiert etwas eigenartiges: Keiner der anderen Häftlinge grölt und schaut aus dem Spalt, der an jeder Zellentür ist, heraus. Verwirrt sehe ich mich um und kann es nicht glauben. Auch die zwei Wärter neben mir, scheinen verdutzt zu sein.

Sofort kommt mir das gestrige Zusammentreffen mit Samuel in den Sinn. Offenbar haben sie jetzt Respekt vor mir.

Meine trübsinnige Laune ist wie weggeblasen und ich laufe aufrecht neben den beiden her. Als sie mich nicht in die gesonderten Besucherräume, sondern in die normalen bringen, beginnt mein Puls zu rasen. Das kann schließlich nur eines bedeuten: Sura ist hier! Und das, obwohl sie diese Akte aus meiner Sealzeit gesehen hat!

Am liebsten würde ich frustriert aufschreien, weil die Wärter so langsam neben mir her laufen, doch ich reiße mich zusammen.

Als wir endlich da sind, gehe ich eilig in die Kabine rein und schaue zu Sura. Sie blickt genau in dem Moment auf, wo ich hereinkomme, und schenkt mir ein kleines Lächeln. Ich erwidere es, halte meine Hände durch die Öffnung, damit mir die Handschellen abgenommen werden, und greife danach eilig nach dem Hörer.

»Hey«, sage ich und höre dabei selbst heraus, wie aufgeregt meine Stimme klingt.

»Hallo, Jason«, antwortet sie und eine leichte Röte ziert ihre Wangen.

»Wie geht es dir?«

»Das müsste ich doch eher dich fragen, oder?« Sie lacht kurz auf, aber es erreicht ihre Augen nicht.

ENEMIESWhere stories live. Discover now