Kapitel 10

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Sura

Wütend stopfe ich meine Sachen in meine Tasche und mache mich auf dem Weg nach draußen. Wie kann ein Mensch sich von einem Tag zum anderen derartig wandeln? Gestern war er lieb, freundlich und hat mir einen Blick auf einen Mann gewährt, dem das Schicksal einfach nur mies mitgespielt hat. Und heute? Heute hat er ganz das Arschloch raushängen lassen.

Okay, ich habe mich auch wahnsinnig schnell provozieren lassen und die Fragen waren ebenfalls nicht gerade nett. Aber er sollte auf gar keinen Fall merken, wie sehr mich seine Reaktion verletzt hat. Immerhin habe ich ihm gestern ziemlich persönliche Sachen anvertraut.

Das Gespräch mit meiner Chefin und der Druck, der auf meinen Schultern lastet, aufgrund dieser einmaligen Chance, machen die Sache nicht gerade besser.

Ich schüttle über mich selbst den Kopf, weil ich mich immer so schnell von Männern blenden lasse. Hat mir das Fiasko mit meinem Exfreund vor drei Jahren nicht gereicht?

Die Wärter kontrollieren mich erneut, bevor sie mich nach draußen lassen. Gierig atme ich die frische Luft ein und bin froh, nicht mehr in dem bedrückenden Hochsicherheitsgefängnis zu sein. Mein Blick fällt auf eine Gruppe Passanten die auf der gegenüberliegenden Straßenseite Schilder hochhalten, auf denen steht, dass die Todesstrafe ein Verbrechen der Menschheit ist. Offensichtlich wird heute wieder jemand hingerichtet. Ich denke nicht weiter darüber nach, sondern mache mich auf dem Weg ins Büro. Vielleicht hat Jeff ja schon etwas wegen Jasons Vergangenheit herausgefunden.

Zwar habe ich nicht vor erneut zu ihm zu gehen, aber seine Geschichte lässt mich trotzdem nicht los. Vielleicht finde ich auch ohne ihn die Wahrheit heraus und kann ihn kurz vor seiner Hinrichtung damit konfrontieren. Immerhin wollen die meisten Häftlinge, kurz bevor sie getötet werden, noch einmal mit sich und der Welt ins Reine kommen. Ich klopfe mir gedanklich selbst auf die Schulter, da das vermutlich der beste Weg ist. Auf gar keinen Fall werde ich mehr als unbedingt nötig Zeit mit Jason zu verbringen. Da tut es auch nichts zur Sache, dass er irgendetwas in mir hervorruft, dass die Schutzmauern um mein Herz bröckeln lässt.

***

Im Büro angekommen, bemerke ich, dass Jeffrey nicht da ist. Offenbar musste er zu der bevorstehenden Hinrichtung. Seufzend gehe ich zu meinem Schreibtisch und lasse mich auf meinen Stuhl fallen. Was für ein beschissener Tag. Und er ist noch lange nicht vorüber.

Ich nehme mein Handy aus der Tasche und schreibe eine Nachricht an Susan. Vielleicht kann sie mich ja etwas aufmuntern.

Jason ist ein Arschloch, schreibe ich ihr und werfe mein Smartphone anschließend auf den Schreibtisch.

Als ich den Stapel zu meiner Rechten bemerke, mit all den Sachen, die ich noch abtippen muss, graut es mir jetzt schon. Ich fahre mir mit einer Hand durch die Haare, schalte meinen Laptop ein und mache mich an die Arbeit. Immer wieder schiele ich auf mein Handy, doch Susan lässt nichts von sich hören. Vermutlich hat sie heute auch einfach ein Haufen zu tun.

Ab und an beneide ich sie wirklich, dass sie bei einer großen und bekannten Zeitung ist. Manchmal darf sie exklusive Reportagen führen, aber die meiste Zeit muss sie wie Jeffrey und ich zu Hinrichtungen. Was sie ausgefressen hat, um diese Ehre zu bekommen, weiß ich nicht, da sie nicht darüber spricht. Doch irgendwann werde ich es schon noch herausfinden.

Das Büro leert sich allmählich, ohne das auch nur einer meiner Kollegen ein Wort mit mir wechselt. Als ich schließlich einen Blick auf die Uhr werfe, sehe ich, dass es mittlerweile schon später Nachmittag ist. Die Zeit ist verflogen und ich konnte mich dank der vielen Arbeit wenigstens etwas von Jason und seiner dämlichen Art heute ablenken.

Ich strecke mich und jeder Wirbel in meinem Rücken gibt ein Knacken von sich. Es wird wirklich Zeit, dass ich etwas mehr Bewegung bekomme.

Eilig tippe ich den letzten Bericht zu Ende und speichere ihn anschließend ab. Als ich aufstehe und gerade meine Sachen zusammenpacke, surrt mein Handy und ein Lächeln bildet sich auf meinen Lippen. Vermutlich ist es Susan, die mich aufmuntern will, indem sie meine Aussage bestätigt.

Doch mein Grinsen fällt in sich zusammen, als ich erkenne, was da steht. Nicht Susan, sondern Jeffrey hat mir geschrieben und seine Nachricht lässt mein Reporterherz prompt ein wenig schneller schlagen.

Erneut lese ich die paar Wörter und mir stockt der Atem. Ich habe alle Infos zusammen, habe sie mit deinem Zweitschlüssel in deine Wohnung gelegt. Fürs Büro waren sie zu brisant. J.

Mein Puls rast mit einem Mal und ich stopfe alles schnell in meine Tasche. Was könnte er nur herausgefunden haben? Und wieso sind die Infos zu brisant für das Büro?

Mein Herz pocht mir bis zum Hals und ich renne förmlich aus dem Gebäude heraus. Bevor ich ins Auto steige, schicke ich Jeffrey schnell noch ein Danke und rase anschließend nach Hause.

Ich klopfe mir gedanklich selbst auf die Schulter, dass er seit ein paar Monaten einen Zweitschlüssel von mir hat. Leider bin ich so ein Genie, die sich mindestens einmal im Monat selbst ausschließt oder den Schlüssel irgendwo liegen lässt.

Da es schon früher Abend ist, habe ich Glück, dass die Rushhour bereits vorbei ist. In Rekordzeit bin ich zuhause und eile nach oben in meine Wohnung. Meine Nachbarin kommt aus ihrer Wohnung heraus und lächelt mich freundlich an, doch ich bringe nur ein Nicken zustande und hechte schnell zur Tür hinein, bevor sie mir ein Gespräch an die Backe kleistern kann.

Ich werfe meinen Rucksack auf das Sofa und schnappe mir den dicken Umschlag vom Couchtisch. Ein Post-it von Jeffrey klebt daran, auf dem steht, dass ich mit niemanden darüber reden soll. Herrje, er tut aber auf geheimnisvoll, denke ich mir und lasse mich auf meine Couch fallen.

Hector taucht schnurrend neben mir auf, doch ich streichle ihn nur halbherzig, was ihn dazu bringt, mich anzuknurren.

Ungeduldig reiße ich schließlich den Umschlag auf und hole mehrere Seiten heraus. Mir stockt der Atem, als ich die Fotos von Jason im Einsatz sehe. Er sieht so anders aus, schießt es mir durch den Kopf. Aber ich verstehe nicht, was daran besonders sein soll. Es zeigt einen Soldaten, aber mehr auch nicht. Ich blättere durch die anderen Seiten und die Zeilen verschwimmen vor meinen Augen, als ich das geschriebene lese. Das ist nicht wahr!

Als hätte ich mich verbrannt, lasse ich die Seiten auf den Couchtisch fallen und fahre mir mit den Händen über das Gesicht. Diese Infos sind nicht nur brisant, sie sind absolut tödlich, wenn das herauskommt.

*Heute Abend lade ich noch ein Kapitel hoch. Immerhin hatte ich euch ja versprochen, dass ihr erfahrt, weshalb Jason kein Seal mehr ist. <3 Über Votes und Kommentare freue ich mich wie immer sehr. :-)*

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