Kapitel 50

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Sura

Mit zitternden Beinen steige ich aus meinem Wagen, nachdem ich daheim angekommen bin und lasse zweimal meinen Schlüssel fallen, als ich die Haustür aufschließen will.

Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, während ich an die Worte von Brandon denke.

Es ist furchtbar, was seinem Kind passiert ist und auch, dass er Jason so verraten hat. Zeitgleich frage ich mich, ob ich nicht womöglich genauso gehandelt hätte, wenn meine Familie in Gefahr wäre. Ich vermute sogar, dass er sich von Mira getrennt hat, um sie zu schützen.

Mein Herz zieht sich bei diesen Gedanken zusammen und ich weiß nicht so recht, was ich mit all den Informationen anfangen soll. Zwar weiß ich jetzt, was mit dem Überwachungsvideo geschehen ist, aber nicht, was darauf zu sehen war, geschweige denn, wo es sich überhaupt befindet.

Ich öffne meine Wohnungstür und Hector kommt sogar langsam angetapst, während ich meine Schuhe im Flur ausziehe. Er scheint zu bemerken, dass es mir nicht gut geht, denn er kommt auf mich zu und schmiegt sich an meine Beine.

Ich hocke mich hin und streichle ihn kurz. »Ach, mein Süßer. Was soll ich nur machen?«, murmle ich und er miaut als Antwort. »Komm, jetzt gibt es erst einmal Futter.«

Während ich in die Küche laufe, folgt er mir laut mauzend. »Tu nicht so verhungert«, sage ich lächelnd und stelle ihm seinen vollen Napf hin.

Hector schaut rein, guckt wieder mich an und verschwindet, ohne etwas gefressen zu haben, in Richtung Wohnzimmer. War ja klar.

Ich will ihm gerade folgen, als mein Handy klingelt und ich es aus meiner Handtasche hole, die noch im Flur liegt. Susans Name wird angezeigt und ich überlege für einen Moment, ob ich sie wegdrücken soll, entscheide mich aber dagegen. Ich kann meinen Freunden ja nicht ständig aus dem Weg gehen, denke ich mir.

»Hey, Susan«, sage ich gespielt fröhlich.

»Hi, schön, dass ich dich gleich erreiche«, antwortet sie und ich höre es bei ihr im Hintergrund rascheln.

»Wieso? Ist irgendetwas passiert?« Sofort bin ich in Alarmbereitschaft. Wurde sie etwa auch schon bedroht? Habe ich ihr doch zu viel erzählt, was sie eigentlich gar nicht wissen darf?

»Jeff und ich wollen heute spontan zum Italiener essen gehen. Hast du Lust? Ist zwar schon etwa spät, aber das macht ja nichts.«

Ich kann gerade noch so einen erleichterten Seufzer unterdrücken. Herrje, meine Nerven sind wirklich zum Zerreißen gespannt. »Tut mir leid, aber heute passt es nicht so gut«, antworte ich und gehe wieder in die Küche, um mir ein paar Nudeln zu kochen.

»Ach, schade. Und wie sieht es morgen aus? Wir könnten bei mir Pizza bestellen und paar Filme anschauen.«

Ich presse die Lippen zusammen und überlege kurz, wie ich ihr am besten mitteilen könnte, dass ich zwar gerne würde, aber einfach nicht kann. Wenn man sie mit mir sieht, bringt sie das womöglich in Gefahr und das will ich auf gar keinen Fall. Nicht das sie noch so enden, wie Brandons Sohn.

»Sura?«, hakt Susan nach und ich atme tief durch, um dieses beklemmende und lähmende Gefühl der Angst abzuschütteln.

»Das wird auch nichts, sorry.«

»Ähm, habe ich irgendetwas gemacht?«, fragt sie und ich höre die Unsicherheit aus ihrer Stimme heraus.

»Es liegt nicht an dir, Susan, aber ...« Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und stütze mich auf der Stuhllehne neben mir ab, da sich meine Beine mit einem Mal wacklig anfühlen. »Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns vorerst nicht mehr treffen. Das Gleiche gilt für Jeffrey.«

Ein Schweigen breitet sich zwischen uns aus und ich kann meine beste Freundin förmlich vor mir sehen, wie sie über meine Worte nachdenkt.

»Warum?«, fragt sie einen Moment später und ihre Stimme klingt zittrig.

»Wegen der Recherche zu Jasons Fall. Es ist besser, wenn ihr nicht mit mir gesehen werdet. Das könnte euch nur unnötig in Gefahr bringen und das würde ich mir niemals verzeihen.«

»Ach, Sura«, murmelt sie und ich kneife die Augen zusammen, um die Tränen zu unterdrücken. »Wir stehen immer hinter dir und können selbst auf uns aufpassen.«

»Nicht in dem Fall. Glaub mir, bitte. Dieser Mord ... Da steckt etwas ganz großes Übles dahinter. Diese Leute machen vor nichts und niemandem halt.«

»Oh Gott! Was genau ist passiert?«

»Ich ... Es ist besser, wenn ihr nicht zu viel wisst. Haltet euch ab sofort von mir fern. Sag das bitte auch Jeffrey.« Meine Stimme bricht und ich kann einen Schluchzer nicht mehr unterdrücken.

»Ist es so übel?«

»J-ja«, bringe ich stotternd hervor und wische mir mit dem Ärmel meines Pullovers die Tränen aus dem Gesicht.

»Dann hör auf mit recherchieren! Du bringst dich nur unnötig in Gefahr. Lass es jemand anderes machen«, fleht sie mich an, doch ich schüttle sofort mit dem Kopf, obwohl ich mir bewusst bin, dass sie es nicht sehen kann.

»Wenn ich nicht weiter mache, dann ist Jason verloren.«

»Aber ...«, unterbricht sie mich, doch ich schneide ihr das Wort ab.

»Er bedeutet mir etwas, Susan, und ich werde ihm nicht seinem Schicksal überlassen. Das kann ich einfach nicht«, sage ich ernst und höre sie ebenfalls am anderen Ende des Telefons leise weinen.

Ich weiß, dass sie mir am liebsten widersprechen würde. Aber meine beste Freundin weiß auch, wann ich mich nicht umstimmen lasse. »Du bist dir ganz sicher?«, fragt sie leise.

»Bin ich. Bitte versteh das.«

»Wenn etwas ist, du weißt, dass du dich jederzeit bei mir melden kannst. Egal zu welcher Tages oder Nachtzeit.«

»Das weiß ich zu schätzen. Ich will euch wirklich nur schützen. Sicher ist sicher.«

»Okay«, haucht sie und schnieft danach.

»Ich melde mich, sobald alles vorbei ist, okay?«

»Das hoffe ich doch. Fühl dich gedrückt.«

»Du auch.« Mit einem mulmigen Gefühl lege ich auf und frage mich, ob es das wirklich wert ist.

Was ist, wenn ich nach all den Mühen und Gefahren herausfinde, dass Jason doch der Mörder ist? Was ist, wenn er mir die ganze Zeit über etwas vorgespielt hat und in all diesen Machenschaften womöglich mit drinnen steckt?

Zeitgleich frage ich mich, warum er so etwas tun sollte?

Nein, Jason kann nicht der Mörder sein. Das würde keinen Sinn ergeben. Doch selbst wenn das stimmt, bleibt immer noch die Frage, wer ihn so sehr hasst, dass er einen Komplott erschafft, nur um Jason hingerichtet zu sehen. Wäre es da nicht einfacher, ihn direkt zu töten? Wozu dieser Aufwand?

Ich muss irgendetwas übersehen. Etwas verdammt Wichtiges. Doch was ist es bloß?

*Ich weiß, es ist erst Donnerstag, aber da ich morgen nicht daheim bin, gibt es heute bereits das nächste Update. <3 Habt ein schönes Wochenende, wir lesen uns Sonntag wieder. ;)*

ENEMIESWhere stories live. Discover now