Kapitel 53

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Jason

Eine Woche und drei Tage bis zur Hinrichtung  

Aufgeregt gehe ich in meiner Zelle hin und her und es kommt mir fast so vor, als würden die Wände mit jeder weiteren verstreichenden Minute näher kommen.

Gestern hat mir Leo bei seinem kurzen Besuch mitgeteilt, dass Sura heute kommen wird. Und das, obwohl ich noch eigentlich in Einzelhaft bin! Mein Herz geht einen Takt schneller und ich mache ein paar Liegestütze, um meine überschüssige Energie loszuwerden. Ich komme mir schon wie ein kleines Kind vor, was zum ersten Mal in den Süßigkeitenladen darf.

Wie wird Sura reagieren? Wird sie mich wieder küssen wollen? Oder geht sie womöglich auf Abstand?

Mein Atem kommt angestrengter und meine Arme beginnen zu zittern, als ich mit den Liegestützen weiter mache.

Vielleicht sollte ich mich lieber selbst fragen, wie ich wohl auf sie reagieren werde, schießt es mir durch den Kopf. Klar, ich bin aufgeregt und nervös sie wieder direkt vor mir zu sehen, aber das beantwortet noch lange nicht meine Frage.

Werde ich sie womöglich an mich heranziehen und küssen? Oder werden wir so tun, als wäre nichts passiert? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen oder besser gesagt, ich will es einfach nicht.

Ich höre mit den Liegestützen auf und hole japsend Luft, als ich mich wieder aufrichte. Wenn ich nur eine Uhr hier drinnen hätte, dann wüsste ich wenigstens, wie spät es ist. Mittagessen gab es schon, also dürfte es mittlerweile früher Nachmittag sein. Mit Sicherheit kommen sie gleich, denke ich mir aufgeregt und beginne wieder von neuem, unruhig in der Zelle hin und her zu laufen.

Zwar keimt auch kurz die Sorge in mir auf, dass die ganze Sache mit den Treffen auffliegt, doch die Freude ist größer. Leo wird sich mit Sicherheit darum gekümmert haben. Ich weiß nicht wie, aber auf ihn ist Verlass.

Eine halbe Ewigkeit später höre ich, wie die Wärter vor meiner Tür stehen bleiben. Bevor sie überhaupt rufen können, stehe ich schon bereit. Die Klappe geht auf und ich halte meine Hände hinein. Falls die Wachmänner verdutzt sein sollten über meinen Enthusiasmus, dann lassen sie es sich zumindest nicht anmerken.

Nachdem sie mir die Handschellen angelegt haben, trete ich zurück und die Zellentür öffnet sich. Als sie fertig mit den Fußketten sind, bringen sie mich wie die letzten Male in das Arztzimmer. Irgendwie hatte ich erwartet, dass sie mich heute woanders hinbringen. Immerhin weiß Chims davon und er könnte es den Gefängnisdirektor oder einem nicht geschmierten Wärter gesteckt haben, doch es sieht nicht danach aus. Zumindest verhalten sich alle wie die letzten Male.

Ich muss mich wieder auf die Liege setzen und eine Handschelle wird mir abgenommen, damit sie mich auf der Pritsche festketten könnten. Besser ist es, sonst würde ich vielleicht noch über Sura herfallen, denke ich mir schmunzelnd. Als der Wärter zu mir sieht, unterdrücke ich mein Lächeln schnell. Grimmig mustert er mich und verlässt mit dem anderen anschließend das Zimmer.

Einen Moment später geht die Hintertür und Sura und Leo kommen heraus. »Sura!«, sage ich und klinge dabei so erfreut, dass Leo skeptisch eine Augenbraue nach oben zieht.

»Freut mich auch dich zu sehen«, murmelt mein Anwalt, da ich von ihm keine Notiz nehme. Meine ganze Aufmerksamkeit liegt auf Sura, die mich genauso anstarrt, wie ich sie. »Ich lasse euch dann mal alleine«, sagt Leo, doch erneut reagiert keiner von uns beiden.

Die Spannung zwischen uns ist förmlich zu greifen, als Leo wieder durch die Hintertür verschwindet. »Jason, der Kuss letztens ...«, bricht Sura das Schweigen, doch ich lasse sie nicht ausreden. Mich wundert es, dass sie ihn überhaupt so direkt anspricht.

ENEMIESWhere stories live. Discover now