Kapitel 44

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Sura

Reichlich verwirrt und noch immer am ganzen Körper zitternd sitze ich im Auto vor meiner Wohnung. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wie ich den Weg vom Gefängnis bis hierher zurückgelegt habe.

Wie konnte ich es nur soweit kommen lassen und Jason küssen? Was ist aus meinen moralischen Werten geworden? Er ist immerhin ein Häftling, der womöglich einen Mord begangen und meine Verwunderbarkeit erfolgreich ausgenutzt hat!

Und dennoch ... Für den Moment, als es passierte, habe ich den Kuss genossen. Seine Lippen haben sich so vertraut angefühlt und seine Berührungen ... Ich unterdrücke ein Seufzen und raufe mir stattdessen die Haare. Verdammt, ich muss wirklich komplett irre sein!

Ein Glück ist nicht mehr passiert und dieser Kuss wird sich definitiv nicht wiederholen! Ich habe einen Job zu erledigen, denn ich heute ziemlich vernachlässigt habe. Anstatt mit Jason weiter über mögliche Indizien zu reden, haben wir uns geküsst. Gott, ich bin so naiv und dumm!

Bevor ich noch mehr in Überlegungen und Selbstmitleid zerfließe, schnappe ich mir meine Tasche vom Beifahrersitz und mache mich auf den Weg in meine Wohnung.

Ich hole die Post aus dem Briefkasten, dieses Mal zum Glück ohne einen mysteriösen Brief, und schlurfe die Treppen nach oben.

Als ich meine Räume betreten habe, fällt mir sofort auf, dass etwas nicht stimmt. Meine Notizen und Schlüssel, die ich immer auf meiner Schuhkommode ablege, liegen zerstreut auf dem Boden und ich runzle die Stirn, während ich sie aufhebe. Kurz überlege ich, ob Hector vielleicht drauf gesprungen ist und sie herunter geschmissen hat, aber das glaube ich nicht.

Ich lasse abrupt meine Tasche fallen und eile ins Wohnzimmer. Mir klappt die Kinnlade auf, als ich das Chaos registriere.

Sämtliche Schubladen wurden aus den Schränken genommen und auf dem Boden ausgekippt. Alles liegt unordentlich durcheinander und egal, in welchem Raum ich gehe, es sieht überall gleich aus.

Nach meinem kurzen Schock wird mir allmählich bewusst, dass jemand bei mir eingebrochen sein muss.

Oh Gott, Hector!, fällt es mir siedend heiß ein und ich rufe panisch seinen Namen. Was ist, wenn sie ihm etwas angetan haben? Meine Hände beginnen zu zittern und ich atme hektisch ein und aus.

Ich schaue unter das Bett, unter die Couch, doch er ist nirgendwo zu entdecken. Eine Gänsehaut bildet sich auf meinem Körper, als ich mir alle möglichen Szenarien ausmale.

»Hector!«, rufe ich laut und raschle mit einer Leckerlitüte, die auf dem Teppich geworfen wurde.

Ein leises wehleidiges »Miau« ertönt und am liebsten würde ich vor Erleichterung weinen. Ich drehe mich in Richtung Bad und atme hektisch ein und aus.

Hector kommt ängstlich und mit dick aufgestellten Schwanz angeschlichen. Ohne sich zu wehren, lässt er sich sogar hochheben.

Mein Gott, er muss wirklich Todesangst gehabt haben, wenn er das zulässt. Ich presse ihn an mich und überhäufe ihn mit Küssen auf sein getigertes Fell. »Mein Süßer, ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht«, flüstere ich und sehe ihn prüfend an, ob ihm nicht vielleicht doch etwas fehlt.

Zum Glück sieht er okay aus, auch wenn seine Pupillen immer noch geweitet sind und er sich hektisch umsieht. »Komm, ich gebe dir auf den Schock erst einmal etwas zu essen«, murmle ich und lasse ihn runter. Das Chaos ignorierend gehe ich in Richtung Küche und gebe etwas in seinen Napf. Gierig macht er sich über sein Fressen her und ich beobachte ihn einen Augenblick, bevor ich zurück ins Wohnzimmer laufe.

Kurz überlege ich, die Polizei anzurufen, doch ich entscheide mich dagegen. Soweit ich sehen kann, wurde nichts gestohlen und auch nichts zerstört. Nur durchwühlt. Ich frage mich, was sie gesucht haben.

Ich gehe zurück in den Flur, um mein Handy aus der Tasche zu holen, damit ich Bilder von dem Chaos machen kann, als mir ein Zettel an meiner Wohnungstür auffällt.

Merkwürdig, den habe ich vorhin gar nicht wirklich wahrgenommen.

Ich reiße ihn ab und drehe ihn mit zitternden Händen um. Die Nachricht darauf bewirkt, dass mir prompt schlecht wird.

Das ist die letzte Warnung. Halten Sie sich fern und stellen Sie ihre Nachforschungen ein. Das nächste Mal kommt ihre Katze nicht so glimpflich davon.

Ich versuche, es zurückzuhalten, doch mit einem Mal sucht sich mein karges Mittagessen einen Weg nach oben und ich schaffe es gerade noch so bis ins Bad.

ENEMIESWhere stories live. Discover now