Kapitel 46

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Sura

Mit einem lauten Knall wirft mir meine Arbeitskollegin Brenda einen Stapel Post auf den Schreibtisch. Ich zucke zusammen und vertippe mich prompt.

»Vielen Dank«, sage ich übertrieben freundlich, auch wenn ich ihr am liebsten an die Gurgel springen würde. Diese Frau macht mich noch wahnsinnig!

»Das nächste Mal bist du dran«, zischt sie und ich rolle mit den Augen, nachdem sie sich umgedreht hat, um wieder an ihren eigenen Arbeitsplatz zu gehen.

Verdammte Zicke! Wahrscheinlich kotzt es sie an, dass mich Mrs. Billings nach wie vor nicht rausgeworfen hat. Wobei sie dazu jedes Recht hätte. Immerhin bin ich mit Jason immer nicht wirklich weiter gekommen.

Nein, anstatt ihn zu fragen, knutsche ich lieber mit ihm rum, erinnere ich mich selbst und verziehe bei meinen eigenen Gedanken das Gesicht. Ein Glück weiß davon bisher niemand. Sonst muss ich wirklich irgendwann mit einem kleinen Karton und Hector unter der Brücke leben.

Ich schüttle all diese Gedanken ab, besonders die an Jason und unseren mehr als verwirrenden Kuss, und schreibe weiter an dem Interview zwischen Phil Rodri und mir.

Es war äußerst aufschlussreich und lehrreich. Auch wenn mir seine letzte Bemerkung zu Jason immer noch nicht aus dem Kopf gehen will. Erst meint er, dass er sich absolut sicher ist, dass Jason Aaron Jones nicht getötet hat und dann sagt er, dass auch unschuldige Schafe zu bösen Wölfen werden können. Was soll ich denn bitte davon halten? Was genau hat er mir versucht mitzuteilen?

Ich reibe mir mit der flachen Hand über das Gesicht, als mir bewusst wird, dass ich erneut über einen gewissen Häftling nachdenke.

Wieso er mir nicht aus dem Kopf geht, kann ich mir selbst nicht so recht erklären. Ist es, weil er so gefährlich wirkt und dennoch immer mal wieder seine sanfte, verletzliche Seite zum Vorschein kommt? Oder weil es verboten ist, dass ich ihm näher komme? Oder sollte ich es einfach meiner Schwäche zuschreiben, dass ich mir stets die größten Psychos aussuche, in die ich mich vergucke? Wahrscheinlich eher Letzteres, beschließe ich und würde am liebsten etwas vor Wut umschmeißen.

Die Buchstaben auf dem Schirm des Laptops verschwimmen vor meinen Augen und ich rufe mich selbst zur Konzentration. Sobald ich zu Hause bin, kann ich mich wieder meinen sündigen Gedanken hingeben, denke ich mir und verdränge zeitgleich die Erinnerung daran, wie ich meine Wohnung letztes Mal vorgefunden habe.

»Sind Sie fertig, Mrs. Hill?«, ertönt eine weibliche Stimme vor mir und ich schrecke hoch. Dabei stoße ich meine Kaffeetasse um. Ein Glück, dass sie dieses Mal nicht gefüllt war.

Mrs. Billings blickt mich missbilligend wie immer an und schürzt dabei ihre roten Lippen. »Ähm, ja. Ich wollte bloß noch einmal drüber lesen«, antworte ich ihr und stelle meine Tasse wieder ordentlich hin.

Sie verfolgt meine Bewegungen mit hochgezogener Augenbraue und nickt anschließend. »Sie haben zehn Minuten.«

Ich nicke, doch das bekommt sie nicht mehr mit, da sie sich bereits umgedreht hat und wieder in ihr Büro verschwunden ist. Das einzige was ich noch höre, sind ihre klackernden Absätze und die Tippgeräusche und das Rattern des Druckers.

Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass bereits zwei Stunden vergangen sind. Als ich mein Interview betrachte, sowie einen zusätzlichen kurzen Bericht zu Jason und seiner Zeit als Seal, wird mir bewusst, dass ich nicht gerade viel zustande gebracht habe.

Ich lese mir den Artikel erneut durch, korrigiere ein paar Fehler und drucke ihn anschließend aus, bevor ich ihn als Mail an meine Chefin schicke. Eilig laufe ich zum Drucker am anderen Ende des Büros und nehme meine Seiten heraus. Während ich zu Mrs. Billings gehe, schweift mein Blick zu Jeffreys Schreibtisch. Er zwinkert mir aufmunternd zu und grinst dabei. Mir fällt auf, dass er heute schon wieder besser aussieht, wie die letzten Tage. Zum Glück!

ENEMIESWhere stories live. Discover now