Kapitel 7

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Wie ich erwartet habe, sitze ich dieser Reporterin von gestern gegenüber, die ich eigentlich nie wieder sehen wollte. Wenn ich jetzt jedoch das Gespräch verweigere, müsste ich mich wieder mit Samuel und seinem kleinen Gefolge herumschlagen. Nein, danke. Da löchere ich lieber die Frau vor mit meinen Blicken und mache sie so unsicher.

Nur widerwillig gestehe ich mir ein, dass sie eigentlich recht attraktiv ist. Ihr hübsches Gesicht wird von langen dunkelblonden Haaren umrandet und sie sieht mich aus braunen Augen aufmerksam an. Daran erkenne ich keinerlei Unsicherheit, jedoch sagt mir ihre angespannte Körperhaltung, dass sie sich hier nicht unbedingt wohlfühlt.

Ich starre sie weiterhin durch die dicke Glasscheibe an, falte meine Hände vor mir und lehne mich in dem harten Plastikstuhl zurück. Sie greift langsam nach dem Telefonhörer und ich tue es ihr gleich. Auch wenn ich es mir eigentlich nicht eingestehen will, bin ich neugierig, was sie mir zu sagen hat.

„Hallo Mr. Strent. Darf ich Sie mit Du und ihrem Vornamen ansprechen?", fragt sie mich höflich, als hätte es den gestrigen Tag nie gegeben. Offenbar will sie heute einen neuen Weg einschlagen, aber nicht mit mir. Ich vergesse nicht. Niemals.

„Nein", antworte ich kalt und mustere sie weiterhin. Sie hält meinem Blick noch einen Moment stand, gibt dann jedoch nach und schaut stattdessen auf den Zettel vor sich.

Ich erkenne nicht, was darauf steht, kann es mir aber auch so denken. „Na, haben Sie sich ein paar hübsche Fragen für mich überlegt, Mrs. Hill?", höhne ich und bin über mich selbst überrascht, dass ich mir doch tatsächlich ihren Namen gemerkt habe.

Ich bemerke, wie ihre Hand den Hörer umkrampft und sie um Fassung ringt. Wenn ich es noch ein wenig weiter treibe, bringe ich es mit Sicherheit dazu, dass sie losheult und mich in meine letzten knapp vier Wochen in Ruhe lässt.

Gerade als ich ansetzen will, um erneut eine gehässige Bemerkung zu sagen, ergreift sie stattdessen das Wort.

„Ich möchte Ihnen heute ein wenig über mich erzählen, Mr. Strent. Danach können Sie entscheiden, ob Sie mit mir kooperieren möchten oder nicht." Ihre Stimme klingt erstaunlich fest, obwohl sie gerade eben noch kurz vor einem Ausbruch stand.

„Dann legen Sie mal los. Ich bin gespannt", sage ich grinsend und lehne mich nach vorne. Instinktiv rutscht sie ein Stück mit ihrem Stuhl zurück, obwohl ich sie eh nicht berühren könnte. Selbst wenn ich wollte. Offenbar jage ich ihr eine Heidenangst ein. Gut so.

„Vor einem Jahr war ich eine angesehene Reporterin, die kurz vor einer Beförderung stand. Doch durch einen blöden und schwerwiegenden Fehler habe ich mir das alles verbaut. Ich habe damals genau dasselbe getan, wie gestern bei Ihnen, Mr. Strent. Ich habe verurteilt, ohne mir erst einmal ein eigenes Urteil zu bilden." Sie fährt sich mit ihrer Zunge kurz über die Lippen und mein Blick wird automatisch davon angezogen. Gott, es ist wirklich schon eine Ewigkeit her, als ich das letzte Mal eine Frau hatte. Und es wird wohl auch nie mehr in meinem Leben passieren.

Sura streicht sich mit einer Hand eine Strähne hinter das Ohr und reißt mich so aus meinen albernen Gedanken. „Ich habe vor einem Jahr einen Mann als Vergewaltiger, öffentlich in einer Zeitung angeprangert. Ein Informant, der mir schon öfter gute und verlässliche Infos geliefert hat, hatte mir den Tipp gegeben. Tja, nur leider hatte ich es nicht zu hundert Prozent genau überprüft, sodass ich einen falschen als Täter hingestellt hatte. Ich habe damals sofort in der Zeitung alles klargestellt und mich dafür entschuldigt, dass ich so etwas geschrieben habe, ohne sichere Fakten zu haben. Ich bekam dennoch eine Verhandlung wegen Verleumdung an den Hals und war beinahe meinen Job los. Diese Sache hat mich ruiniert und den Mann im Nachhinein sehr geschadet. Sein Ruf ist zerstört, er musste in einen anderen Staat ziehen und ich werde mir das niemals verzeihen können. Und gestern habe ich genau das Gleiche bei Ihnen gemacht, Mr. Strent. Es tut mir wahnsinnig leid und ich würde gerne noch einmal von vorne mit Ihnen anfangen. Mir sind ein paar Ungereimtheiten aufgefallen und ich möchte ein richtiges Interview mit Ihnen führen. Sollte ich Sie jedoch nerven und Sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, werde ich sofort gehen und Sie nie wieder belästigen."

Ich hatte wirklich vieles erwartet, aber nicht so etwas. Bevor ich es mir anders überlege, räuspere ich mich und antworte ihr.

„Nennen Sie mich doch bitte Jason, Sura, und fangen wir ab jetzt mit dem Du an, okay?", frage ich sie und gehe mit keinem Wort auf das Thema ein, von dem sie gerade gesprochen hat. Ich glaube nicht, dass sie das wollen würde.

Ein zaghaftes Lächeln bildet sich auf ihren Lippen, wobei sich ein Grübchen auf ihrer rechten Wange bildet. „Sehr gerne, Jason. Willst du mir vielleicht ein wenig über dich erzählen? Ich habe zwar schon einiges über dich gelesen und auch im Fernsehen gesehen, aber ich würde es gerne von dir erfahren", bittet sie mich.

Nun muss ich auch ein wenig lächeln, als ich merke, dass sie endlich begriffen hat, dass ich ein Mensch und nicht nur irgendeine Story bin. „Ein wenig, ja. Wo genau soll ich anfangen?", frage ich und sehe in ihre braunen Augen, die mich interessiert mustern.

„Ist egal. Erzähl mir einfach etwas über dich. Wo bist du aufgewachsen? Was hast du beruflich gemacht? So etwas eben. Ich versichere dir, dass ich nichts davon veröffentliche, sofern du es nicht erlaubst."

Ich nicke und überlege kurz. Es ist schon sehr lange her, dass jemand wissen wollte, was ich vor meiner Inhaftierung gemacht habe. All die Reporter, die hier aufgekreuzt sind, haben sich lediglich dafür interessiert, wieso ich Aaron Jones getötet habe und von einem gefeierten Seal, zu einem kaltblütigen Mörder wurde.

Dass sie sich offenbar tatsächlich für mich interessiert, lässt meine Schutzwälle stark bröckeln und ich beginne zu erzählen, bevor ich groß darüber nachdenke.

„Aufgewachsen bin ich in Ohio bei meinen Großeltern. Meine Eltern sind kurz nach meiner Geburt, bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Als ich vierzehn war, sind dann auch meine Großeltern kurz nacheinander verstorben und ich wurde in diverse Pflegefamilien und Heimen untergebracht. Ich hatte ziemlich viel Wut und Kraft in mir und die habe ich oft an den anderen Jugendlichen ausgelassen. Eines Tages in der Highschool, als ich gerade Footballtraining hatte, stand ein Mann am Zaun und hat mich die ganze Zeit beobachtet. Nach dem Training sprach er mich an und erklärte mir, dass er stets auf der Suche nach jungen Talenten ist, die er fördern möchte. Ich dachte, ich träumte, weshalb ich erst nach ein paar Tagen einwilligte und er mich schließlich unter seine Fittiche nahm. Fünf Jahre später wurde ich dann ein Navy Seal und hatte nach meiner Ausbildung meinen ersten Einsatz."

Ich lehne mich in dem Stuhl zurück und bin überrascht, dass ich ihr das gerade tatsächlich alles erzählt habe. Normalerweise erzähle ich niemanden etwas von mir. Nie. Aber irgendwie hat mich ihre Geschichte vorhin dazu gebracht, ebenfalls etwas von mir preiszugeben.

„Wow, das ist eine wirklich interessante Geschichte. Warst du gerne ein Seal?", fragt mich Sura und ich nicke, ohne zu zögern. Ich habe es geliebt. Die Verbundenheit mit meinen Kameraden, der Adrenalinrausch bei einem Einsatz und das einsetzende Glücksgefühl wenn alles geklappt hat. „Was ist damals passiert?", bohrt sie nach und sofort versteife ich mich.

„Darüber rede ich nicht." Ich presse meine Lippen aufeinander und all die positiven Empfindungen, die in mir aufgekeimt sind, sind sofort verpufft, als sie wieder die Reporterin heraushängen lässt.

Entschuldigend hebt sie eine Hand und sieht mich sanft an. „Tut mir leid, Jason. Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ich glaube, wir hören am besten an dieser Stelle auf. Ist es okay, wenn ich morgen wiederkomme?", erkundigt sie sich und weicht meinem Blick aus.

„Wenn du möchtest", sage ich etwas freundlicher und nicke ihr zu, bevor ich schnell den Hörer aufhänge und den Wärter ein Zeichen gebe, dass wir hier fertig sind. Ich habe es fast eilig wieder in meine Zelle zurückzukommen. Nicht das ich Sura noch mehr private Sachen von mir erzähle.

Als mir die Handschellen angelegt werden, blicke ich über die Schulter hinweg zu ihr. Sie ist jedoch schon aufgestanden und packt ihre Sachen zusammen. Mein Blick schweift über ihren schlanken Körper und ich spüre, wie mir das Blut in die Lendengegend schießt. Ganz falsche Gedanken, Jason. Du kommst hier eh nicht mehr heraus. Also denk nicht mal daran, erinnere ich mich gedanklich selbst und wende schließlich meinen Blick ab.

*Ich hoffe, es hat euch gefallen! <3 Das nächste Kapitel gibt es, wie gewohnt, am Sonntag. <3*

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