Kapitel 49

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Sura

Ich blicke zu Brandons Haus herüber, aber niemand ist zu sehen. Mittlerweile stehe ich seit einer halben Stunde hier, doch bisher ist er nicht zurückgekehrt. Ich hatte, als ich angekommen war, bereits mit wild pochendem Herzen geklingelt, jedoch hat niemand die Tür geöffnet.

Da er mich letztens vormittags angehalten hatte, bin ich mir sicher, dass er Nachmittag daheim ist. Zumindest habe ich mir so zusammengereimt, dass er Frühdienst hat.

Mittlerweile ist es allerdings früher Abend. Ob ich mich womöglich doch getäuscht habe?

Selbst wenn, ich werde jetzt so lange hier sitzen bleiben, bis Brandon Thompson kommt. Auf Arbeit habe ich bereits alles erledigt, sodass mich meine Chefin nicht zurückbeordern kann und zu Jason kann ich sowieso nicht. Also kann ich auch gut und gerne noch ein paar Stunden wartend im Auto verbringen.

Mittlerweile ist die Temperatur rasch gesunken, sodass ich mich tiefer in meine Jacke kuschle. Den Motor die ganze Zeit laufen zu lassen, würde mich wahrscheinlich zu verdächtig machen. Wobei bisher sowieso niemand von mir Notiz genommen hat. Jedenfalls ist mir kein neugieriger Nachbar aufgefallen.

Ich nehme mein Smartphone aus der Tasche und rufe die Internetseite der Texas News auf. Heute ist auch der Artikel zu Jason und dem Interview mit Phil erschienen. Mich wurmt es zwar etwas, dass meine Chefin den Bericht so stark abgeändert haben wollte, doch ändern kann ich daran leider nichts. Ich kann wohl eher froh sein, dass sie mir überhaupt eine Chance gibt.

Ich überspringe den Artikel auf der Website und scrolle direkt zu den Kommentaren. Bereits jetzt sind wieder zahlreiche und ich bemerke, dass der Bericht mehrere Tausend Klicks hat. Mrs. Billings hat wohl oder übel recht: Die ganze Sache mit Jason und der Hinrichtung zieht die Leser an. Sie wollen sich einfach an so etwas ergötzen und mit den Finger auf die Täter zeigen können, wie abscheulich sie doch sind. Und du selbst hast auch einmal so gedacht, denke ich und verabscheue mich selbst dafür.

Seufzend wische ich den Gedanken beiseite und überfliege die Kommentare. Da ich bereits durch den letzten Artikel darauf vorbereitet bin, überraschen mich dieses Mal die verabscheuenden und gemeinen Worten nicht so sehr.

Erneut fällt mir auf, dass auch bei diesem Bericht nicht einer ein positives Wort über Jason sagt. Für alle scheint genau festzustehen, dass er ein Mörder ist.

Kopfschüttelnd schließe ich die Seite und stecke mein Handy wieder ein. Was hatte ich anderes erwartet? Auch bei den nächsten zwei Artikel, die noch erscheinen sollen, werden sie kein gutes Wort fallen lassen, da bin ich mir sicher.

Ein Wagen fährt in die Straße ein und ich konzentriere mich darauf. Ich kneife die Augen zusammen, um zu erkennen, ob es sich um Brandon handelt. Als das protzige Auto näher kommt, ist mir klar, dass er es ist.

Tatsächlich fährt er in die Einfahrt rein und schaltet den Motor aus. Ich warte kurz, ob womöglich noch jemand anderes aussteigt, doch er ist alleine.

Blitzschnell öffne ich meine Tür und eile über die Straße. Thompson holt eine Tasche aus seinem Kofferraum, scheint mich jedoch gar nicht zu bemerken. Er verschließt den Wagen und zieht seinen Schlüssel für die Haustür aus der Hosentasche heraus.

»Guten Abend, Mr. Thompson«, rufe ich laut, damit er mich nicht überhört und er hält abrupt in seiner Bewegung inne. Ich gehe mutig weiter auf ihn zu, obwohl mein Herz wie verrückt gegen meine Rippen pocht und meine Beine sich wie Wackelpudding anfühlen.

Langsam dreht er sich zu mir um und runzelt die Stirn. »Sie schon wieder«, brummt er und mustert mich abschätzig.

»Wenn Sie vielleicht einen Moment Zeit hatten, würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten.«

ENEMIESWhere stories live. Discover now