Kapitel 54

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Sura

Mir stockt der Atem, während Mr. Rinz uns fassungslos mustert. Seine Augen weiten sich und sein Gesicht nimmt eine dunkle Rotfärbung an. Langsam weiche ich einen Schritt von Jason zurück.

»Was zum Teufel ist hier los?«, brüllt der Direktor, als er seine Stimme wiedergefunden hat.

»Mr. Rinz, es ...«

Weiter komme ich nicht, denn er ruft plötzlich nach den Wärtern. In diesem Moment geht die Hintertür auf und Leo kommt hereingestürmt. Mr. Rinz Gesichtsausdruck wird noch perplexer und er blickt zwischen uns drein hin und her.

»Ich kann Ihnen alles erklären«, beginnt Leo und stellt sich vor Jason und mich.

»Das ist auch dringend nötig! Sie kommen sofort mit in mein Büro!«, brüllt er, wobei sogar ein paar Speicheltropfen aus seinem Mund fliegen, so hitzig spricht er. Danach wendet er sich mir zu und zeigt mit erhobenem Finger auf mich. »Und Sie kommen ebenfalls mit!« Ich nicke lediglich, da sich ein Kloß in meinem Hals gebildet hat und ich mit einem Mal den Tränen nahe bin. Scheiße, ich bin so etwas von meinem Job los und werde Jason nie wieder sehen, schießt es mir durch den Kopf und ich wende mich ihm zu.

Sein Blick liegt auf mir und er hebt sanft seinen rechten Mundwinkel. Ich erwidere das kleine Lächeln von Jason zaghaft, bevor zwei Wärter hereingestürmt kommen.

»Mrs. Hill, kommen Sie, bitte«, spricht mich Leo förmlich von der Seite an und ich bemerke, dass der Direktor bereits an der Tür mit aufgeblähten Nasenflügeln wartet.

Ich folge ihm zur Tür und drehe mich kurz vorher erneut zu Jason um. Die Wärter legen ihm gerade wieder die Handschellen an die andere Hand an, aber er beobachtet weiterhin nur mich. Wenn der Direktor nur fünf Minuten später gekommen wäre ... Ich wollte ihm doch noch so viel sagen.

Als ich an sein Geständnis denke, klopft mein Herz direkt wieder einen Takt schneller. Er empfindet etwas für mich. Gott, ich kann mir, glaube ich, nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie viel Überwindung es ihn gekostet haben muss, mir das zu sagen.

Wenn ich ihn jetzt wirklich nicht mehr wiedersehen darf, dann wird er nie erfahren, was ich für ihn fühle. Abermals treten mir Tränen in die Augen, doch ich grabe meine Fingernägel in die Handflächen und unterdrücke sie.

Während wir dem Direktor folgen, dreht sich Leo ab und an zu mir um. Er schenkt mir einen mitfühlenden Gesichtsausdruck, als er die ungeweinten Tränen in meinen Augen bemerkt. Ob er weiß, was Jason für mich empfindet? Mir hat er es wahrscheinlich von Anfang an angesehen, aber bei ihm? Hätte er es mir heute nicht selbst gesagt, wäre ich niemals draufgekommen.

»Hier rein«, blafft Mr. Rinz und reißt mich aus meinen Gedanken. Er öffnet eine Tür, geht als Erstes hinein und bevor ich ihm folgen kann, hält mich Leo kurz zurück.

»Lass mich das Reden übernehmen, klar?«

»Ich würde sowieso kein Wort rausbringen«, gestehe ich ihm und er nickt. Sanft drück er meine Schulter, während ich in das Büro hineingehe.

»Setzen«, mault der Direktor und ich nehme auf einem der beiden Stühle vor seinem Schreibtisch Platz. Leo setzt sich neben mich, wirkt dabei jedoch überhaupt nicht nervös. Entweder kann er es gut überspielen oder ihn hebt es tatsächlich nicht an.

Seinen Aktenkoffer stellt er neben sich ab und lehnt sich anschließend lässig zurück. Dabei verschränkt er seine Hände vor dem Bauch und wartet darauf, dass der Direktor mit seiner Predigt beginnt. Dieser scheint jedoch darauf aus zu sein, dass wir zuerst das Wort ergreifen.

Als ein betretenes Schweigen das Büro erfüllt, will ich schon fast mit einer Entschuldigung herausplatzen, doch ein Blick zu Leo lässt mich umentscheiden.

ENEMIESWhere stories live. Discover now