Kapitel 18

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Jason

Drei Wochen und zwei Tage bis zur Hinrichtung

Gelangweilt liege ich auf meinem Bett in der Zelle und starre die Wand an. Die Zeit hier drinnen vergeht nur langsam und es kommt mir fast so vor, als würden die paar Tage bis zur Hinrichtung nie enden.

So absurd es klingt: aber ich bin froh, wenn es endlich vorbei ist.

Leos Bitte kommt mir wieder in den Sinn. Was solle es bringen, wenn ich Sura schöne Augen mache? Denkt er etwa, dass sie mich hier herausholen kann? Wenn er es nicht geschafft hat, dann schafft es niemand. Da bin ich mir sicher.

Seit meinem Gespräch mit ihm kann ich nur an Sura denken. Wäre es wirklich gespielt, wenn ich versuche sie um den Finger zu wickeln? So sehr ich mich auch dagegen wehre, aber sie beeindruckt mich.

Noch kann ich nicht sagen, was genau es ist, aber sie löst etwas in mir aus, dass ich schon lange nicht mehr gespürt habe.

Leo meinte, dass sie vermutlich heute auftauchen wird, um mit mir zu sprechen. Insgeheim bete ich darum, dass er recht hat. Wenn ich noch länger hier alleine herumhocke werde ich vermutlich verrückt. Meine Albträume suchen mich neuerdings vermehrt heim und die Schuldgefühle, wegen dem verpatzten Einsatz damals, sind mit voller Wucht zurück.

Ich sehe noch immer die toten starren Augen meiner Kameraden vor mir, sowie die wütenden Blicke derjenigen, die überlebt haben.

Mir stellen sich die Nackenhaare auf und ich springe förmlich von meinem Bett auf und mache ein paar Liegestütze. Sport hat mich schon immer von meinen negativen Gedanken abgelenkt und auch dieses Mal hilft es etwas.

Mit jeder weiteren verstreichenden Minute, verblassen die Gesichter in meinen Gedanken immer mehr und ich schöpfe neuen Mut. Ich hatte mich eigentlich schon aufgegeben. Aber ein Seal gibt nicht auf. Niemals. Wenn Leo meint, dass es etwas nützt, dann flirte ich eben mit Sura. Dass dabei nicht alles gespielt ist, muss er ja nicht wissen.

Der Schweiß rinnt mir über den Rücken und mein Atem kommt schnaufender. Seitdem ich hier drin hocke, habe ich einiges an Kraft verloren. Wird Zeit, dass sich das wieder ändert.

„Häftling 3367, zurücktreten!", ertönt es und ich erhebe mich kraftlos.

Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und die Zellentür geht auf, nachdem man mir durch den Schlitz die Handschellen angelegt hat. Ein Wärter kommt herein, legt mir wie immer die Fußfesseln an und ich trete nach draußen, wo der andere Wärter bereits wartet. Als mir den Weg in Richtung Besucherraum einschlagen, muss ich ein Lächeln unterdrücken. Leo hatte also tatsächlich recht. Sura ist hier.

Gedanklich ermahne ich mich selbst, dass ich mich zusammenreißen soll. Normalerweise bin ich nicht so impulsiv und gehe an die Decke, wenn mir etwas nicht passt, aber seitdem ich hier drinnen sitze, ist sowieso alles anders.

Im Besucherraum angekommen, bemerke ich, dass sie bereits da ist. Ich schaue sie jedoch nicht an, sondern drehe mich zu der geschlossenen Tür um und halte meine Hände durch den Schlitz, damit sie mir die Handschellen abnehmen können.

Bevor ich mich zu ihr umdrehe, atme ich noch einmal tief durch. Reiß dich zusammen, Jason. Denk an Leos Worte, flüstere ich mir gedanklich selbst zu.

Mit einem neutralen Gesichtsausdruck setze ich mich auf den Plastikstuhl und nehme den Hörer. „Hey", sage ich und ein kleines Lächeln bildet sich auf ihren Lippen.

„Hi. Du klingst gar nicht überrascht, mich hier zu sehen."

„Leo hat mir gesagt, dass du wahrscheinlich kommen würdest", antworte ich und versuche mich so normal wie möglich zu benehmen. Wenn ich sofort breit lächeln und mit ihr flirten würde, wüsste sie direkt, dass etwas faul ist.

ENEMIESWhere stories live. Discover now