Kapitel 80

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Sura

Immer wieder sehe ich auf mein Handy, ob ich nicht doch einen Anruf von Alkims Sekretärin verpasst habe. Noch immer bin ich erstaunt, dass sie so einfach mit mir gesprochen hat. Ob das lediglich eine nette Geste war? Oder steckt womöglich doch mehr dahinter? Was ist, wenn sie mir falsche Infos geliefert hat?

Ich presse die Lippen zusammen und lese zum gefühlt hundertsten Mal die komplette Akte von Jason durch, in der Hoffnung, dass ich vielleicht doch etwas übersehen habe. Irgendwo muss ein kleiner Hinweis stehen, der mich zum Ziel führt. Ich spüre, dass ich nahe dran bin. Es fehlen nur noch ein paar Puzzleteile, dann weiß ich, was Sache ist.

Grübelnd trommle ich mit den Fingerspitzen auf meinem Schreibtisch herum. Es fühlt sich furchtbar an, dass ich nicht wirklich etwas für Jason tun kann. Morgen wird er hingerichtet und es kann nicht wahr sein, dass ich ihn gestern zum letzten Mal gesehen habe.

Tränen sammeln sich in meinen Augen, doch ich blinzle sie eilig weg. Das kann es noch nicht gewesen sein. Das darf es einfach nicht, spreche ich mir gedanklich Mut zu und konzentriere mich wieder auf die Akte vor mir.

Nachdem eine weitere halbe Stunde vergangen ist, beschließe ich, im Büro von Alkim anzurufen. Diese Warterei macht mich noch verrückt und vielleicht habe ich Glück und bekomme sogar Alkim persönlich an die Strippe.

Mit neuem Elan suche ich mir im Internet die Telefonnummer heraus und tippe sie ein. »Holding Enterprises, Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«, begrüßt mich eine freundliche junge Frau. Offenbar bin ich am Empfang herausgekommen.

»Hallo, hier ist Sura Hill. Könnten Sie mich bitte mit Mr. Alkim verbinden, es geht um eine persönliche Angelegenheit?«, sage ich und hoffe, dass die Betonung auf eine persönliche Angelegenheit ihre gewünschte Wirkung erzielt.

»Tut mir leid, aber er ist momentan nicht im Haus.«

Zumindest hat seine Sekretärin doch die Wahrheit gesagt, dass er auf Geschäftsreise ist, denke ich mir. »Schade. Dann verbinden Sie mich bitte mit seiner Sekretärin Mrs. Mires. Vielleicht kann sie mir weiterhelfen.«

»Leider ist Mrs. Mires heute nicht zur Arbeit erschienen. Versuchen Sie morgen noch einmal.«

Ich bin so verdutzt über ihre Aussage, dass ich die Verabschiedung gar nicht erwidere. Sie ist nicht zu Arbeit erschienen? Aber gestern war sie doch fit, grüble ich und ein übler Gedanke kommt mir.

Was ist, wenn ihr etwas zugestoßen ist, weil sie mit mir gesprochen hat? Mir schnürt es bei diesem Gedanken den Hals zu. Womöglich hat uns doch jemand gesehen oder uns sogar gehört. Fieberhaft überlege ich, ob mir eine Person aufgefallen ist, aber als ich gestern mit ihr gesprochen habe, war niemand zu sehen.

»Verdammte Scheiße«, fluche ich und werfe das Telefon auf den Tisch. Sie war meine letzte Hoffnung und jetzt ist diese Möglichkeit ebenfalls verpufft. Ich bete darum, dass ihr nicht wirklich etwas geschehen ist. Wenn ich jedoch meine Sorge der Empfangsdame schildern würde, käme das wahrscheinlich sehr auffällig rüber, beschließe ich und nehme mir vor, meine Bedenken wenigstens meiner Chefin zu äußern. Vielleicht fällt ihr ein Weg ein.

Mittlerweile ist sie zu meiner einzigen Vertrauten geworden. Susans Zustand war heute Morgen, als ich sie im Krankenhaus besuchte, weiterhin unverändert. Die Ärzte sagen jedoch, dass die Möglichkeit besteht, dass sie jeden Moment aufwacht. Hoffentlich behalten sie recht.

Nicht mal mit Jason kann ich reden, da er in wenigen Stunden in die Einzelzelle gebracht wird. Leo hat zu tun mit dem Gnadengesuch und Jeffrey verhält sich nach wie vor merkwürdig. Er ist kaum noch auf Arbeit, was meiner Chefin ebenfalls negativ aufgefallen ist und obwohl ich ihn darum gebeten habe, war er nicht wieder im Krankenhaus.

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