Kapitel 68

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Jason

Ich stehe mit meinem Tablett an der Essensausgabe und warte darauf, dass ich endlich dran bin. Dean, der hinter mir ansteht, lacht währenddessen über seinen eigenen Witz, den ich nicht mal richtig verstanden habe.

»Mann, der Fraß wird mir hier echt nicht fehlen, sobald ich abhaue«, brummt Dean, als er sieht, was die vor uns auf den Teller geklatscht bekommen.

»Nicht so laut!«, fahre ich ihn an und werfe ihn über die Schulter einen zornigen Blick zu.

Er zuckt bloß mit den Schultern und unterhält sich anschließend mit dem Häftling hinter ihm. Das Dean aber auch so komplett schmerzfrei ist, sobald es um seinen Ausbruch geht. Mir kommt es mittlerweile fast schon so vor, als würde er es gerne allen erzählen. Wenn er das nicht sogar bereits getan hat, denke ich mir belustigt und rutsche ein Stück weiter, als ich endlich dran bin.

Mein Essen, wenn man es so nennen kann, wird mir auf den Teller geklatscht und ich nehme mein Tablett und laufe zu dem Tisch, wo ich stets mit Dean sitze.

Chims folgt mir mit Blicken und ich ignoriere ihn, als er meinen Namen ruft. Der Wichser kann mich am Arsch lecken. Wahrscheinlich hat er wieder zu seiner alten Form gefunden und will mich erneut provozieren.

Ich setze mich und schlinge den Fraß herunter. Dean scherzt nach wie vor mit dem einen Häftling, sodass ich schon fast fertig bin, als er sich mir gegenüber setzt.

»Was hast du denn mit diesem Mafiosi zu tun?«, brumme ich und er wendet sich mir zu.

»Du meinst Ricardo?« Ich zucke mit den Schultern. Woher soll ich schließlich wissen, wie dieser Typ heißt. »Och, wir kennen uns von früher. Ist eigentlich ein ganz netter Kerl. Wenn du nicht so ein Eigenbrötler wärst, hättest du das längst herausgefunden.«

Ich rolle mit den Augen und kratze den letzten Rest auf meinem Teller zusammen. »Sag mal, hast du schon wieder irgendetwas ausgefressen?«, fragt mich Dean und ich sehe auf.

»Wie kommst du darauf?«

»Weil Chims und seine Leute die ganze Zeit zu dir rüberstarren.«

»Hm. Hab ich auch schon gemerkt. Keine Ahnung was mit denen ist«, brumme ich und wende mich von diesen Wichsern ab.

»Mittlerweile kann man ja sogar wieder sein Gesicht erkennen. Echt krass, wie du ihn zu Brei geschlagen hast«, sagt Dean und klingt dabei anerkennend. Kein Wunder, wer vier Cops tötet, der findet so etwas wahrscheinlich toll. Ich hingegen, erkenne mich selbst nicht wieder, wenn ich an diesen Tag zurückdenke. Hätte Dean mich nicht zurückgehalten, hätte ich dieses Arschloch getötet. »Bist ja heute echt gesprächig«, grummelt er und stochert in seinem Essen herum.

»Bin bisschen woanders mit den Gedanken«, erkläre ich ihm halbherzig und ein schmieriges Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit. »Nicht was du denkst«, zische ich und er lacht.

»Schon klar.« Er isst sein Essen weiter und schiebt anschließend den Teller zur Seite. »Komm gleich wieder«, sagt er und verschwindet, bevor ich fragen kann, was er vorhat. Hauptsache er zettelt keine Prügelei an. Auf gar keinen Fall will ich das morgige Treffen mit Sura in Gefahr bringen.

Ich sehe Dean nach und bemerke, dass er sich zu diesem komischen Ricardo setzt und mit ihm hitzig redet. Mich beschleicht der Gedanke, dass dieser Typ womöglich mit ihm gemeinsam ausbricht. Eine andere Möglichkeit kann ich mir nicht erklären. Schließlich habe ich die Beiden noch nie zuvor miteinander sprechen sehen.

Meine Sicht wird verdeckt, als drei Männer sich vor mich stellen. Ich hebe meinen Kopf, obwohl ich auch so schon weiß, wer mir gegenüber Stellung bezogen hat. Samuel Chims steht vor mir und zwei seiner Leute hinter ihm. Dean hatte recht, er sieht etwas besser mittlerweile aus.

»Was willst du?«, knurre ich und balle meine Hände sofort zu Fäusten. Bei diesem Arschloch kann man nicht vorsichtig genug sein.

»Mit dir reden«, sagt Samuel und setzt sich an Deans vorherigen Platz. Er nickt seinen zwei Gorillas zu, die mir noch einen bösen Blick zuwerfen, und diese lassen uns daraufhin alleine.

Ich bemerke, dass es mit einem Mal totenstill in der Halle ist. Kein Wunder, jeder weiß, dass Samuel und ich uns hassen. Womöglich hoffen sie darauf, dass es zu einer Prügelei kommt und sie etwas geboten kriegen zum Mittagessen. Mein Blick bleibt an Dean hängen, der fragend zu mir schaut. Ich schüttle mit dem Kopf und bedeute ihm so, dass er nicht herkommen braucht.

Abwartend blicke ich Samuel an, der mich ebenfalls nicht aus den Augen lässt. Als würde er erwarten, dass ich ihn sofort meine Faust ins Gesicht schlage. Wobei ich das wirklich gerne tun würde.

»Willst du mich nur anstarren oder sagst du mir jetzt endlich, was dieses Theater hier soll?«, fahre ich ihn genervt an und verschränke meine Arme vor der Brust.

»Weißt du, wenn ich dich nicht so hassen würde, dann hätten wir wirklich Freunde werden können«, sagt Samuel verschwörerisch und grinst dabei. Mittlerweile haben die anderen um uns herum auch wieder angefangen, sich zu unterhalten.

»Ach, und das wolltest du mir sagen?«

»Nein. Ich bin hier, um dich vor Dean zu warnen.«

Ich ziehe misstrauisch die Augenbrauen zusammen. »Wieso?«, knurre ich und runzle die Stirn.

»Er ist nicht der, für den er sich ausgibt.«

»Wie kommst du darauf?«

Samuel scheint es zu genießen, dass er die Oberhand in diesem Gespräch hat und lässt sich mit seiner Antwort genüsslich Zeit. »Erzähl ihm lieber nicht von deinem morgigen Treffen, sonst fällt das genauso in das Wasser wie das letzte«, sagt er triumphierend und grinst dabei breit.

Ich spüre, wie mir die sämtliche Farbe aus dem Gesicht weicht. »Woher weißt du von dem Treffen?«, zische ich, da leugnen nichts bringt.

»Ein Vögelchen hat es mir gezwitschert«, antwortet er und ich lasse meine Finger bedrohlich knacken.

»Ich schätze mal, dass du es eher ins Wasser fallen lässt, nicht wahr?«

Samuel lächelt und entblößt dabei ein paar mehr Zahnlücken wie vorher. Einige davon stammen mit Sicherheit von mir. »Wenn ich das wollte, hätte ich das bereits beim letzten Mal machen können. Ich habe hier meine Kontakte, Strent. Mich interessiert es nicht, was du mit deiner kleinen Reporterin machst, aber ich wollte dich dennoch warnen. Denk mal scharf nach, wen hast du von deinem letzten Treffen hier drinnen erzählt?«, fragt er und ich presse die Lippen zusammen, als mir bewusst wird, dass ich es Dean tatsächlich gesagt hatte. Aber das kann nicht sein! Das würde er nicht tun. Oder?

»Warum warnst du mich?«, frage ich ihn misstrauisch.

»Das wirst du früh genug erfahren und keine Sorge, ich fordere meine Schuld schon noch ein.« Er steht auf und verschwindet so schnell, wie er gekommen ist.

Keinen Moment später taucht Dean wieder auf und setzt sich. »Was wollte der denn?«, fragt er und sieht böse zu ihm herüber.

Ich mustere Dean einen Moment und lasse mir Samuels Worte durch den Kopf gehen. Selbst wenn er nur wollte, dass ich an Dean und seiner Ehrlichkeit zweifle, dann hat er es definitiv geschafft. Aber was noch viel schlimmer ist: Was ist, wenn Chims Worte nicht nur hohle Phrasen waren?

Ich verenge meine Augen und beschließe, ihm vorerst nichts mehr von Sura zu sagen. »Unwichtig«, antworte ich ihm auf seine ausstehende Frage und versuche, mir nichts anmerken zu lassen, als Dean sich nach kurzem Zögern weiter normal mit mir unterhält.

Dennoch bleibt die ganze Zeit über der Gedanke, wen ich überhaupt hier noch trauen kann.

ENEMIESWhere stories live. Discover now