Kapitel 19

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Sura

Im Büro wieder angekommen bin ich guter Laune. Jason hat sich kooperativer herausgestellt als gedacht und ich beschließe, jetzt gleich mit meiner Chefin zu reden, damit am Freitag auch tatsächlich der Artikel in der Zeitung erscheint. Viel Zeit bleibt mir nicht mehr, um die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen. Deshalb darf ich nicht noch mehr Tage verstreichen lassen.

Ich winke Jeffrey kurz zu, die anderen Kollegen grüße ich ebenfalls, doch sie nehmen keine Notiz von mir. Für sie bin ich schon seit letztem Jahr abgeschrieben. Mich wundert es, dass mir meine Chefin erneut eine Chance gegeben hat. Wer weiß, was sie da geritten hat.

Vor ihrer Bürotür bleibe ich stehen und klopfe. Einen Augenblick später ertönt ein lautes »Herein« und ich öffne die Tür. Mrs. Billings blickt von ihrem Laptop auf und sieht mich mit gerunzelter Stirn an.

„Hallo, hätten Sie kurz Zeit für mich?", frage ich, doch sie schürzt die Lippen und sieht zwischen mir und dem Laptop hin und her. Offenbar entscheidet sie gerade, was wichtiger ist. „Es geht um Jason Strent", füge ich hinzu und sofort ist ihre Entscheidung gefallen.

Ihre Gesichtszüge glätten sich und Neugierde bildet sich auf ihrem Gesicht. „Setzen Sie sich, Sura."

„Danke, dass Sie sich für mich Zeit nehmen."

Mrs. Billings winkt ab, verschränkt anschließend ihre Hände vor sich auf dem Schreibtisch und sieht mich aufmerksam an. „Also? Um was geht es?"

„Sie hatten doch vor, jede Woche eine Schlagzeile über Jason zu bringen. Wollen Sie das nach wie vor?", frage ich sie.

„Natürlich. Gibt es damit etwa Probleme?", fragt sie misstrauisch und schürzt die Lippen. Somit sieht sie prompt zehn Jahre älter aus.

„Oh, nein. Natürlich nicht! Ich war heute bei Jason und habe mit ihm gesprochen. Er hat eingewilligt und morgen will er mir ein paar Sachen über sich erzählen, die ich auch mit in den Artikel nehmen darf."

Meine Chefin sieht mich anerkennend und ein leichtes Lächeln umspielt ihre Lippen. „Sehr gut. Was soll alles in den Artikel rein?"

„In diesem soll rein, wie seine Kindheit war und seine Zeit als Navy Seal."

Sie lehnt sich zurück und denkt einen Moment nach. „Klingt gut. Und was soll in die anderen? Alles über den Mord?", fragt sie und ich höre die Aufregung aus ihrer Stimme heraus.

„Naja, ich habe ein paar Informationen bekommen, dass an der ganzen Geschichte etwas faul ist. Je nachdem wie viel ich herausfinde, möchte ich dann dazu etwas in den Artikel schreiben."

„Sura", brummt sie und mein kompletter Körper spannt sich an. „Solche Informationen wie letztes Mal? Machen Sie den gleichen Fehler nicht noch einmal, sondern halten Sie sich an die Wahrheit."

Ich sacke in mir zusammen und nicke. Sie würde es ja doch nicht verstehen, selbst wenn ich ihr jetzt erzählen würde, was ich bereits herausgefunden habe. Für sie gibt es nur schwarz und weiß. Vielleicht erzähle ich es ihr später, wenn ich genügend Beweise habe.

„Gut, dass wir uns einig sind", sagt sie nun wieder freundlich und lächelt mich an. „Überlegen Sie sich schon mal, was in die anderen Artikel rein könnte. Wenn Sie ihn mir bis Donnerstagmittag vorlegen, erscheint er Freitag auf jeden Fall."

„Vielen Dank, Mrs. Billings."

„Keine Ursache. Ich habe Ihnen per Mail noch zwei Sachen geschickt, die Sie abtippen müssen. Und fragen Sie Jeffrey, wo der Bericht über die Hinrichtung bleibt. Das soll morgen erscheinen." Während sie das sagt, sieht sie schon wieder auf ihren Laptop und beginnt zu schreiben. Ein Zeichen für mich, dass ich hier nicht mehr gebraucht werde.

„Okay", antworte ich und verschwinde lautlos aus dem Büro. Zwar lief es nicht so, wie ich mir erhofft hatte, aber das war eigentlich klar und nur logisch. Ich an ihrer Stelle wäre auch vorsichtig. Immerhin habe ich ihr Vertrauen schon einmal auf die Probe gestellt. Ich schüttle die dunklen Gedanken ab und gehe stattdessen zu Jeffrey.

„Hey, Jeff", begrüße ich ihn und er schenkt mir ein schwaches Lächeln. Ich ziehe mir einen Stuhl an seinen Schreibtisch und setze mich ihm gegenüber. „Alles okay?"

„Klar. Bin nur etwas müde und noch nicht ganz fit, dank dieser blöden Erkältung." Wie zum Beweis hustet er einmal laut.

„Du solltest wirklich zum Arzt."

„Keine Zeit."

Ich seufze und richte ihm das aus, was Mrs. Billings gesagt hat.

„Unsere Chefin macht mich auch noch alle."

Ich grinse und drücke seine Hand, die auf dem Tisch liegt. „Übrigens danke für die Sache mit Leo. Ich wusste gar nicht, dass du ihn kennst."

Jeffrey wird prompt ein wenig blasser, sofern das überhaupt möglich ist. „Er hat es dir gesagt?", flüstert er und ich nicke.

„Jep. Du hättest mir ruhig sagen können, dass du die Infos von ihm hast."

„Ich wollte, dass du unvoreingenommen daran gehst", erklärt er mir.

„Woher kennst du ihn?"

Er seufzt und beugt sich ein wenig nach vorn, bevor er mir leise antwortet. „Erinnerst du dich noch an den Fall, wo das kleine Mädchen so brutal ermordet wurde?"

„Wie könnte ich diesen Fall vergessen?", antworte ich leise. Niemand in Texas wird diesen Mord jemals vergessen. Ein zwanzigjähriger hatte ein zehnjähriges Mädchen vergewaltigt und anschließend erwürgt. Einfach so. Aus keinem ersichtlichen Grund. Sie war bloß zur falschen Zeit am falschen Ort. Das Schlimmste ist eigentlich, dass der Mörder während des Prozesses die ganze Zeit über gelacht hat und anschließend nur fünfundzwanzig Jahre bekam. Von mir aus hätte er weit mehr verdient gehabt.

„Mr. Sparks damals die Eltern des Mädchens verteidigt. Ich war dort um den Artikel darüber zu schreiben und habe kurz mit ihm gesprochen. Als ich hörte, dass er Jason verteidigt und du mit ihm reden sollst, dachte ich, ich komme mal auf ihn zurück."

„Danke, Jeff."

„Gerne. Hast du schon etwas herausgefunden?"

„Ja. Aber lass uns ein anderes Mal darüber reden", murmle ich verschwörerisch und er nickt.

Ich nicke ihm kurz zu und gehe dann zu meinem Schreibtisch. Mit neuem Elan setze ich mich an die Berichte, die ich abtippen soll, und lasse gedanklich noch einmal das Gespräch mit Jason mir durch den Kopf gehen. Er war wirklich wie ausgewechselt. Was wohl der Grund dafür ist?

Vielleicht hat er eingesehen, dass es ihm nichts bringt, wenn er sich wie ein Arschloch verhält. Oder aber er spielt ein perfides Spiel mit mir.

*Spätestens nächsten Sonntag gibt es das nächste Kapitel. <3*

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