Kapitel 29

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Sura

Den ganzen Tag über habe ich überlegt, ob ich zum Gefängnis fahren und Jason besuchen soll. Doch aus irgendeinem Grund, habe ich mich dagegen entschieden. Womöglich liegt es daran, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann, wenn ich ihm gegenüber sitze.

Zumindest habe ich meinen freien Tag genutzt und weiter über Mr. Alkim recherchiert. Wie ich herausgefunden habe, ist er ebenfalls politisch ambitioniert, setzt sich im Gegensatz zu Jones, wie ich schon wusste, aber für die Todesstrafe ein. Somit hätte ich zumindest schon mal ein Indiz. Doch das macht noch lange keinen Beweis aus. Vielleicht hatten sie nur einen Streit wegen der bevorstehenden Abstimmung. Je mehr ich darüber nachdenke, umso logischer klingt es für mich. Immerhin hatten die beiden komplett andere Ansichten.

Komisch ist nur, dass ich ansonsten nichts über Richard Alkim herausgefunden habe. Auch keine aktuellen Bilder waren im Internet zu finden. Lediglich ein paar Fotos, die knapp zehn Jahre alt sind.

Ich muss unbedingt einen Weg finden, um mit ihm persönlich zu reden. Nach meinem Auftritt in seinem Büro wird er allerdings nicht gerade friedlich gestimmt sein.

Gut möglich, dass die Drohung von ihm kam und er diese Typen in dem dunklen Jeep auf mich gehetzt hat. Vielleicht findet ja Leo noch etwas mehr heraus, sodass Alkim mit mir reden muss.

Apropos Leo. Ich nehme mein Handy vom Tisch und wähle seine Nummer. Er hatte zwar versprochen mich anzurufen, aber ich halte es nicht mehr aus zu warten. Hoffentlich hat er eine Idee, wie ich mit Jason alleine reden kann.

Leo kann als Einziger jederzeit mit ihm alleine sprechen, da er sein Anwalt ist. Aber bei mir sieht das ein ganzes Stück schwieriger aus. Immerhin bin ich nur eine einfache Reporterin.

Nach dem zweiten Klingeln nimmt er ab und ich stehe von meinem Schreibtischstuhl auf, um unruhig hin und her zu gehen.

»Hallo, Sura«, begrüßt er mich freundlich.

»Hey, Leo. Sorry, falls ich störe, aber ich konnte nicht mehr warten.«

Er lacht kurz auf und ich höre, wie eine Tür geschlossen wird. Offenbar habe ich ihn doch bei irgendetwas gestört. »Schon gut. Ich war heute bei Jason und mir ist tatsächlich eine Idee gekommen, wie Sie alleine mit ihm sprechen können.«

Mein Herz pocht wie wild, als er die Worte ausspricht und ich bleibe vor meinem Fenster stehen und starre nach draußen, ohne wirklich etwas zu sehen. „Im Ernst?", bringe ich mit brüchiger Stimme heraus. Ich hatte es zwar gehofft, aber jetzt die Bestätigung zu hören, jagd mir dennoch einen riesen Schrecken ein.

»Wir verstoßen damit zwar gegen ein paar Vorschriften, doch ich habe genügend Vorkehrungen getroffen, sodass es keiner mitbekommt.«

»Aber wie?«, hake ich zweifelnd nach.

»Das werden Sie schon sehen. Ich habe alles für Samstag veranlasst. Passt es Ihnen da? So Sechzehn Uhr beim Gefängnis?«

Ich nicke, bis mir bewusst wird, dass er es ja nicht sehen kann. »Das passt. Soll ich auf irgendetwas achten?«

»Warten Sie vor dem Gefängnis auf mich und ich kümmere mich dann um alles. Haben Sie noch etwas herausgefunden?«, fragt Leo und reißt mich somit aus meinen Gedankengängen.

»Ich habe nur ein wenig über Alkim recherchiert. Jedoch nichts Brauchbares gefunden. Hatten Sie mehr Erfolg?«

»Bisher noch nicht. Aber vielleicht bis Samstag. Ich habe einen alten Kollegen von mir kontaktiert. Er versucht, etwas herauszufinden.«

»Okay. Morgen erscheint übrigens der Bericht über Jason in der Texas News. Halten Sie das wirklich für eine gute Idee?«, frage ich nach, da ich immer nervöser werde, je näher der morgige Tag heranrückt. Was ist, wenn ich damit noch mehr Gegner auf dem Plan rufe?

»Natürlich. Wir müssen jede Möglichkeit nutzen, die sich uns bietet. Rufen Sie mich gerne an, wenn Sie erste Rückmeldungen haben. Bis später, Sura.«

»Das werde ich. Bis dann«, verabschiede ich mich und lege auf.

Erst jetzt wird mir so richtig bewusst, was am Samstag geschehen wird. Ich werde Jason gegenüber stehen. Das erste Mal ohne eine Glasscheibe. Oh. Mein. Gott.

Doch nicht nur Freude durchströmt mich, sondern auch Angst. Warum, kann ich selbst nicht genau sagen. Ich weiß nur jetzt schon, dass ich trotz meiner Sorgen und Bedenken ab sofort jede Minute auf die Uhr sehen werde und darauf warte, dass endlich Samstagnachmittag ist.

Mein Blick schweift wieder aus dem Fenster und ich beobachte einen Moment die Passanten die über die Gehwege laufen. Ich lebe recht zentral und habe eine Menge Geschäfte und Büros um mich herum, sodass hier stetig etwas los ist. In diesem Moment bin ich froh, dass ich nicht so abgelegen wie manch andere in Texas wohne. Womöglich hätte ich dann noch mehr Angst und Bedenken wegen meinen Recherchen, bezüglich Jasons Fall.

Ich drehe mich von dem Fenster weg und schreibe nachdenklich Susan eine Nachricht, ob sie bereits mit ihrem Cousin bei der Navy Seal bezüglich Jason gesprochen hat.

Womöglich weiß dieser, wo ich Brandon, Jasons ehemaligen besten Freund, ausfindig machen kann.

So oder so, werde ich jedoch Jason am Samstag auf ihn ansprechen. Es interessiert mich brennend, warum die beiden nicht mehr miteinander befreundet sind und wie Brandon in die ganze Sache mit verstrickt ist.

Auch wenn es mir schwerfällt, beschließe ich, es für heute Abend gut sein zu lassen mit dem recherchieren. Mein Kopf brummt schon protestierend und Hector ist eingeschnappt, weil ich mich den ganzen Tag nicht mit ihm beschäftigt habe.

Ich lege mein Handy neben dem Laptop, nachdem ich ihn ausgeschaltet habe und versuche wenigstens mal ein paar Stunden nicht an Jason, die Todesstrafe und an all meine Probleme zu denken.

ENEMIESWhere stories live. Discover now