Kapitel 88

208 6 0
                                    

Sura

Sieben Minuten bis zur Hinrichtung

Panisch blicke ich auf die Uhr. Nur noch wenige Minuten bleiben mir. Ich verfluche den verdammten Unfall, der mich zu einem Umweg gezwungen hat, sodass ich länger gebraucht habe, als normal.

Hektisch renne ich die Treppen nach oben und umklammere dabei fest die Mappe. Hoffentlich ist es nicht bereits zu spät, wiederhole ich gedanklich wie ein Mantra.

Ich habe Seitenstechen, als ich endlich die Tür zum Büro aufstoße. Wie zu erwarten war, ist niemand mehr da, sondern lediglich bei meiner Chefin schimmert unter dem Türspalt Licht hervor. Zum Glück ist sie noch hier. Ich hätte nicht gewusst, was ich gemacht hätte, wenn dem nicht so wäre.

»Jason ist unschuldig«, rufe ich, während ich zu ihrer Tür renne. »Sie müssen Mr. Rinz anrufen!«

Ich stoße die Tür auf und stolpere herein. »Haben Sie gehört, ich ... Oh Gott!«, schreie ich auf und falle fast über meine eigenen Füße.

Ich blinzle zweimal, bevor ich realisiere, dass der Anblick vor mir nicht nur eine Einbildung ist.

Meine Chefin liegt zusammengesackt auf dem Schreibtisch und Blut sickert aus ihrem Kopf, bei dem die Hälfte fehlt, heraus.

An der Wand klebt Hirnmasse und mir wird kurz schwarz vor Augen.

Mir wird übel, als ich die kupfergeschwängerte Luft einatme und wende kurz meinen Blick ab. Am ganzen Körper zitternd gehe ich auf sie zu, um zu überprüfen, ob sie nicht doch noch lebt.

Gleich wachst du aus diesem Albtraum auf, denke ich mir, aber natürlich passiert nichts dergleichen. Ich drücke zwei Finger an ihren Hals und stolpere zurück, als ich wie zu erwarten keinen Puls spüre.

»Nein, nein ... Das darf nicht wahr sein«, sage ich panisch vor mir her und hole endlich mein Handy aus der Tasche raus. Ich muss die Polizei rufen und ...

Der Gedanke verpufft, als ich hinter mir etwas klicken höre. Starr bleibe ich stehen und traue mich nicht einmal Luft zu holen, da ich mir bereits sicher bin, wer hinter mir steht.

»Schade, dass du zur falschen Zeit am falschen Ort warst, Sura. Deine Zeit war eigentlich noch nicht gekommen«, höre ich Jeffrey sprechen und ich muss schlucken.

»Jeff, ich ...«

»Es gibt nichts, was du sagen könntest, dass meinen Plan ändern würde.« Er klingt so entschlossen, dass es mir den Atem raubt. »Dreh dich langsam um«, fordert er mich auf und am ganzen Körper zitternd folge ich seinem Befehl.

»Bitte«, flüstere ich, doch er zeigt keinerlei Regung.

»Gib mir die Mappe«, sagt er kalt und streckt mir seine Hand entgegen. Dabei bemerke ich, dass er leicht zittert. Für den Bruchteil eines Momentes sehe ich zu der silbernen Pistole in seiner Hand, die nach wie vor auf meinen Kopf gerichtet ist. Mir wird klar, dass ich keine Wahl habe. Sollte ich mich wehren, würde er vermutlich ohne zu zögern abdrücken.

Er schlägt die Mappe kurz auf und sieht hinein. »Tz, Tz, Tz, Sura. Danach hatte ich schon eine Weile gesucht. Nett, dass du mir sie gleich bringst.« Jeffrey lächelt böse und mir ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. So habe ich ihn noch nie erlebt.

»Wir sind doch Freunde«, bringe ich mit krächzender Stimme hervor und Jeffrey hebt lediglich eine Augenbraue an.

»Sind wir?«, fragt er höhnisch und schüttelt anschließend mit dem Kopf. »Jetzt wohl eher nicht mehr.«

Bevor ich noch etwas sagen kann, krümmt er seinen Finger um den Abzug.

ENEMIESWo Geschichten leben. Entdecke jetzt