Kapitel 3

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Auf einmal tritt Lori mit unglaublichem Schwung ein, sodass ich schnell auf die Seite springen muss. Ansonsten hätte sie mich wahrscheinlich umgeschmissen.

Zumindest weiß ich jetzt, dass sie ziemlich Lust darauf hat, mir zu meiner großen Liebe zu verhelfen.

Natürlich weiß sie auch, wohin sie gehen muss, um in mein Zimmer zu gelangen. Nebenbei gemerkt hat sie dabei ein ganz schönes Tempo drauf.

Ich hingegen lasse mir meine Zeit. Immerhin macht es keinen Unterschied, ob ich mich jetzt schon bei dieser Seite anmelde oder erst in fünf Minuten.

Als ich oben in meinem Zimmer ankomme, sitzt meine Freundin allerdings schon an meinem Schreibtischstuhl und der Computer steht bereit.

"Du hast es aber eilig, was?", frage ich, während ich mir meinen Sitzsack schnappe und ihn neben dem Stuhl platziere.

Sie nickt, ihr Blick ist starr auf den Bildschirm gerichtet. "Ich möchte dich eben so schnell wie möglich anmelden, in der Hoffnung, dass sich jemand heute schon bei dir meldet und ich es mitbekomme."

"Aha", gebe ich monoton zurück. "Wenn du meinst. Na ja, vielleicht ist es auch besser so. Du kannst mir dann sagen, was ich machen muss."

"Eben", sagt Lori darauf. "Was würdest du nur ohne mich machen?" Dabei zwinkert sie mir zu, worauf ich nur meine Augen verdrehe.

Dann jedoch lässt sie den Spaß beiseite und widmet ihre volle Aufmerksamkeit dem Computer.

Gespannt beobachte ich, wie sie ins Internet geht und einen ewig langen Link eingibt. Manchmal frage ich mich echt, wie sie sich so etwas merken kann.

Aber wie kommt man auch auf so einen Namen? Ich meine; couplegoals<10andmeanttobes? Ich hätte mir ganz sicher etwas anderes ausgedacht.

Schon bald ist sie soweit, sodass sie nun meine Hilfe braucht. "Möchtest du deinen echten Namen angeben oder eher ein Pseudonym?"

"Nein, kein echter Name", stelle ich klar. "Mein Dad ist da extrem vorsichtig und will nicht, dass ich irgendwo meinen Namen angebe."

"Ach stimmt, das hast du mir schon einmal erzählt", fällt ihr wieder ein. "Am besten du setzt dich jetzt ran."

Also tauschen wir Plätze, und ich habe meinen geliebten Stuhl zurück. Na ja, eigentlich bedeutet er mir gar nicht so viel, aber im Vergleich zum Sitzsack ist er viel bequemer und praktischer.

Jetzt stehe ich vor der Frage: Wie soll ich mich nennen und wie lautet mein Passwort?

Nach kurzem Überlegen gebe ich schließlich "foodloveky" ein. Ich weiß, es ist nicht besonders originell, doch dann wissen die anderen Nutzer gleich, dass ich Essen liebe.

Mein Passwort verrate ich selbstverständlich nicht, denn sonst könnte ja jemand auf die Idee kommen, meinen Account zu hacken und irgendwelche Volltrottel anzuschreiben. Nein, danke.

"Okay, ich hab's", informiere ich meine Freundin, damit sie sich wieder umdrehen kann. Ja, nicht einmal ihr werde ich mein Passwort verraten.

"Dann erstellen wir mal dein Profil", meint sie. "Also das heißt, wir geben ein paar Informationen über dich an und so, dass die anderen Nutzer auch wissen, wen sie da anschreiben."

Das Profilbild erwähnt sie schon gar nicht. Wahrscheinlich weiß sie, dass ich aufgrund meines Vaters kein Bild von mir hereinstellen werde. Vielleicht nehme ich einfach ein Foto, das ich vom Big Ben gemacht habe.

Lori und ich sprechen ein paar Minuten darüber und danach tippe ich das alles ein, sodass folgendes über mich zu lesen ist:

• 17-jähriges Mädchen, das noch nie einen Freund hatte
• Braune Haare und grüne Augen
• Wohne in London
• Liebe es zu tanzen, kann es aber nicht
• Suche einen Gentleman

Der letzte Punkt klingt vielleicht etwas doof, doch ich finde ihn wichtig. Ich möchte keinen Freund, der mich beispielsweise die ganze Arbeit allein machen lässt.

"Gut gemacht", lobt mich Lori, wofür ich mich bedanke. Auch wenn es nicht schwer war, ein paar Dinge über mich zu schreiben. "Und jetzt heißt es warten."

"Ich werde aber ganz sicher nicht alle zwei Minuten nachschauen, ob ich schon irgendeine Nachricht erhalten habe", mache ich ihr klar.

"Und wenn, dann würde ich es sowieso auf dem Handy machen. Da kann ich es doch auch machen, oder?" Nicken.

"Also, was machen wir solange?", möchte ich wissen. Darauf steht Lori vom Sitzsack auf und läuft die wenigen Schritte zu meinem Schrank mit den DVDs, CDs und anderem Zeug.

Eigentlich hätte ich es mir denken können, dass sie sich einen Film schnappt. Und natürlich ist es ein Disney Channel Original Movie, nämlich Descendants.

Fast jedes Mal, wenn sie hier ist, schauen wir einen Film dieser Art. Musik, Humor und etwas Gefühle ist einfach die beste Mischung.

"Okay, alles klar", lächele ich, nehme die DVD entgegen und schalte den Fernseher an.

Da dieses Gerät immer erst den Sender zeigt, den ich zuletzt geschaut habe, und dann ein paar Sekunden braucht, damit man umschalten kann, hören wir kurz noch ein Lied aus dem Musiksender.

I know I can treat you better
Than he can
And any girl like you deserves a gentleman

Es kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich habe keine Ahnung, wie es heißt oder wer es singt. Das einzige, was ich heraushören kann, ist, dass die Person männlich ist.

Aber egal, widmen wir uns dem Film.

***

Nach ungefähr zwei Stunden ist der Film zu Ende. Es interessiert nicht, wie oft ich ihn schon gesehen habe, mit einer Freundin muss ich immer wieder lachen. Und so war es auch diesmal.

Nun schaut Lori auf die Uhr, die an meiner Wand hängt. Ich habe bereits eine Vermutung, was jetzt gleich kommt.

Diese bestätigt sich, indem sie sagt: "Du hast ja gemeint, dass du nicht alle zwei Minuten nachschauen wirst. Mittlerweile sind zwei Stunden vergangen. Also..."

"Na gut, dann gib mir mein Handy", fordere ich sie auf. So nett wie sie ist, kommt sie der Aufforderung nach.

Als ich mich neu anmelde, werde ich erstmal überrascht.
Tatsächlich haben schon drei Personen versucht, mich anzuschreiben. Jetzt liegt es an mir, ob ich es ihnen erlaube oder ihre Anfragen ablehne.

Bei den ersten beiden meint Lori, dass sie definitiv in die Kategorie Volldeppen gehören, weswegen ich ablehne.

Den Namen des dritten - er nennt sich muffinsarelife - finde ich ganz witzig. Lori jedoch hält nicht viel von ihm und liest sich schon gar nicht mehr seine Beschreibung durch.

"Nur weil er Muffins in seinem Benutzernamen stehen hat, heißt das noch lange nicht, dass er blöd ist", erkläre ich. "Muffins sind nun einmal unglaublich lecker!"

Auch wenn ich anfangs gesagt habe, dass ich auf die Ratschläge meiner Freundin hören würde, scheiße ich auf ihre Meinung, auf gut Deutsch gesagt.

Seine Beschreibung gefällt mir ebenfalls, weswegen ich ein "Hey" zurückschreibe.

Ich bin ja mal gespannt, was dabei rauskommt.

Internet Love | s.m.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt