Kapitel 65

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"Mom, das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?", rufe ich peinlich berührt aus. So unangenehm war es mir schon lange nicht mehr. Nicht nur, weil meine Mutter mich so mit Shawn erwischt hat, sondern auch, weil sie meinen Ex erwartet hat und auch kein Geheimnis draus gemacht hat.

"Wieso? Ich finde, die Frage ist durchaus berechtigt", meint sie darauf. "Ich dachte, du wärst mit Alex zusammen. Betrügst du ihn etwa mit diesem Kerl? Ich gebe zu, er sieht nicht schlecht aus, aber Schatz, das hat Alex nicht verdient."

Oh man, wieso müssen Mütter einen immer so dermaßen blamieren? Am liebsten würde ich mit Shawn jetzt auf mein Zimmer verschwinden und das Thema sofort hinter mir lassen, doch das ist unmöglich. Mom wird nicht lockerlassen, bis sie eine Antwort hat.

Auch wenn ich mir das Zusammentreffen von Shawn und meiner Familie anders vorgestellt habe, entscheide ich mich dazu, meinen Freund vorzustellen. "Alex ist nur noch ein sehr guter Freund", fange ich also an. "Ich bin jetzt mit Shawn zusammen. Und bevor es irgendwelche Missverständnisse gibt: Ja, er ist ein weltberühmter Sänger."

"Moment, was?", fragt meine Mom sichtlich verwirrt. Es war ja klar, dass sie ihn ebenfalls nicht erkennt. Doch ich denke, jetzt ist nicht der richtige Moment, um ihr alles zu erklären. Ich möchte einfach verschwinden.

Und so greife ich nach der Hand des Braunhaarigen und gehe mit ihm aus dem Wohnzimmer, während ich "Du wirst noch jedes einzelne Detail erfahren" zu meiner Mom sage. Als ich die Tür hinter mir schließe, atme ich erleichtert aus.

Oben in meinem Zimmer angekommen, schaut er sich zunächst etwas um, da er ja zum ersten Mal hier ist. Mich hat es auch überrascht, dass er sich meine Adresse gemerkt hat, weil ich sie nur ein einziges Mal ganz beiläufig erwähnt habe. Er ist wohl eben sehr aufmerksam.

"Tut mir echt leid wegen gerade eben", entschuldige ich mich und würde mich bei dem Gedanken daran gerne wieder unter meinen Händen verstecken. Allerdings hält mich der Sänger davon ab, indem er selbst an meine Wangen fasst und mit seinem Daumen ein Lächeln in mein Gesicht formt.

"Das muss es echt nicht, mach dir da überhaupt keine Gedanken", sagt er leise. "Ich hab schon viel peinlichere Mütter erlebt." Dabei schafft er es nicht, ein Lachen zu verkneifen, und steckt mich automatisch damit an.

"Das ist wirklich möglich?", lache ich ebenfalls. "Na ja, das nächste Mal gehen wir lieber gleich auf mein Zimmer. Immerhin kann man sich ja nicht mehr sicher sein, ob die Eltern tatsächlich arbeiten sind. Aber jetzt lass uns über was anderes reden."

"Gerne doch", meint Shawn und klingt, als ob er sich freuen würde, mir etwas mitzuteilen. Während wir uns langsam auf mein Bett niederlassen, fährt er mit einem breiten Grinsen fort. "Du kannst dich sicher noch an den Song erinnern, den ich dir im Studio gezeigt habe, oder?"

Ich nicke. Wie könnte ich das auch vergessen? Immerhin war ich die erste außerhalb seines Teams, die ihn hören durfte. Na ja, zumindest einen Teil. Camila's Part habe ich noch nicht gehört, aber ich bin mir sicher, dass das Endprodukt der Hammer ist.

"Wir möchten ihn nächste Woche veröffentlichen", verrät er mir dann. "Aber das ist noch nicht alles, denn wir wollen einen Tag danach ein Konzert spielen, bei welchem Camila und ich ihn das erste Mal live performen. Und ich würde mir wünschen, dass du dabei bist."

"Meinst du das ernst?", frage ich ihn verwundert, da ich nicht damit gerechnet hätte. Ich meine, das wäre unser erster richtiger Auftritt in der Öffentlichkeit, seit man weiß, dass wir ein Paar sind. Okay, ich werde zwar nicht auf die Bühne gehen, aber wahrscheinlich wird man mich trotzdem bemerken.

Irgendwie habe ich ein bisschen Angst davor, doch daran sollte ich mich gewöhnen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird es nämlich zu meinem Alltag gehören, praktisch immer und überall Fans zu begegnen.

"Natürlich tu ich das!", ruft Shawn aus, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, dabei ist es das auf keinen Fall. "Du bist mir unglaublich wichtig. Du gibst mir die Kraft, die ich brauche. Und ich denke, ich brauche dich an diesem Abend ganz besonders, denn ich werde verdammt nervös sein. Wahrscheinlich bist du die einzige, die mich beruhigen und dafür sorgen kann, dass ich mich nicht irgendwo verkrieche."

"Shawn, ich weiß nicht, ob du es schon vergessen hast, aber ich war der Grund, weswegen du eine Panikattacke bekommen hast", erinnere ich ihn. Seine Worte eben ergeben überhaupt keinen Sinn für mich. Wie soll ich ihn beruhigen können? Und vor allem, warum sollte er sich verkriechen, wenn er es doch über alles liebt, auf der Bühne zu stehen?

"Das habe ich nicht vergessen", fängt er an, "aber das waren auch noch andere Zeiten. Ja, es ist nicht allzu lange her, aber in den paar Tagen ist einiges passiert. Ich weiß einfach, dass ich auf dich zählen kann."

Nun fehlen mir die Worte. Ich weiß gar nicht, wie ich ihn verdient habe. So wie ich ihn vor ein paar Wochen noch behandelt habe, hätte ich es eigentlich verdient, von ihm ignoriert zu werden. Stattdessen fliegt er mir nach und bringt mich mit seinen lieben Worten fast zum Heulen.

Anstatt irgendetwas zu sagen, drücke ich ihm schnell einen Kuss auf die Wange und kuschele mich dann an seine Brust. Ich denke, das ist Antwort genug. Mittlerweile verstehen wir uns auch ohne Worte.

Auf einmal ertönt eine Melodie, die zu hundert Prozent von Shawn's Handy stammt, da mein Klingelton definitiv anders klingt. Und tatsächlich versucht er, nach seinem Handy zu greifen, das sich anscheinend in seiner Hosentasche befindet, weswegen ich mich wieder aufsetzen muss.

"Hey", grüßt er die Person auf der anderen Seite der Leitung. "Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?" Nun herrscht eine kurze Stille. "Oh man, Brian, du hast echt kein Glück." Den Namen kenne ich doch. Wenn ich mich recht erinnere, ist das sein bester Freund.

"Eigentlich echt ungern", kommt es von dem Braunhaarigen, der einen besorgten und zugleich genervten Gesichtsausdruck macht, und ich frage mich wirklich, um was es in dem Gespräch geht, "aber weil du es bist. Ich mach mich auf den Weg."

Sobald er aufgelegt hat, durchlöchere ich ihn mit Fragen: "Wie, du machst dich auf den Weg? Wohin gehst du? Und was ist passiert?"

"Ach, weißt du, mein Kumpel Brian ist mit mir hier her geflogen, weil er dich auch mal kennenlernen wollte", erklärt Shawn. "Eigentlich wollte er noch schnell irgendwas kaufen, aber jetzt befindet er sich auf der Flucht vor Fans... Ich schätze, ich muss ihm irgendwie aus der Patsche helfen."

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