Kapitel 10

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"Geh bitte schnell raus!", nehme ich Shawn durch mein Telefon wahr. Ja, wir haben unsere Nummern ausgetauscht und seitdem ist es wirklich viel einfacher für uns beiden, uns zu verständigen.

"Aber warum denn? Ich liege gerade so gemütlich auf meinem Bett. Außerdem regnet es draußen", sträube ich mich dagegen. "Und ich glaube kaum, dass es da etwas besonderes zu sehen gibt."

"Sei lieber nicht so voreilig", meint er darauf und lacht. Was hat das zu bedeuten?

Aufstöhnend verlasse ich mein Bett und laufe hinunter zu der Haustüre. Da diese aus Milchglas besteht, kann ich die Umrisse eines Menschen erkennen. Um genau zu sein, ist es ein Mann.

Doch zum Öffnen komme ich nicht...

"Alexander, hier ist deine Grandma!", ruft jemand, weswegen ich aufwache. Die Augen lasse ich aber noch geschlossen. "Mach sofort die Türe auf, sonst hole ich einen Ersatzschlüssel."

Moment, warum hat die Person eigentlich von Alexander gesprochen?

Rasch öffne ich meine Augen und bekomme schier einen Schock. Das ist nicht mein Zimmer! Und das ist auch nicht mein Bett, in dem ich gerade liege!

Das ist jedoch noch nicht alles. Zu allem Überfluss liegt Alex oberkörperfrei mit dem Rücken zu mir gekehrt auf der anderen Seite des Bettes.

Bitte sag mir, dass nicht das passiert ist, woran ich gerade denke. Denn sollte das der Fall sein, werde ich den Alkohol doch nie wieder anfassen.

Ein Blick unter die Decke lässt mich glücklicherweise aufatmen. Ich habe noch immer meine Leggins und mein T-Shirt an.

Dann fällt mir die Dame vor der Tür ein. Sie sagte, dass sie sich einen Ersatzschlüssel holen würde, und seit einiger Zeit ist es ziemlich ruhig. Das heißt, sie könnte jeden Moment zurückkehren und ins Zimmer kommen.

Ich kann es nicht zulassen, dass sie mich hier sieht. Was würde sie wohl von mir und auch von ihrem Enkel denken?

Also verstecke ich mich zügig unter der Decke und ziehe sie so weit nach oben, dass man nichts mehr von mir sehen müsste.

Ein normaler Mensch würde natürlich checken, dass sich eine Person unter der Decke befindet. Immerhin ist die Decke nicht eben. Doch die Frau ist Alex' Grandma. Also hoffe ich darauf, dass sie bereits eine Sehschwäche hat.

Ehe ich mich versehe, geht die Tür auf und die Frau tritt ein. Nun pocht mein Herz gefährlich schnell.

Es dauert nicht lange, da steht sie auch schon neben dem Bett. Vielleicht wäre es besser gewesen, mich darunter zu verstecken.

"Alexander, wach auf", sagt sie und scheint an dem Jungen zu rütteln. Sein Stöhnen lässt mich vermuten, dass die Aufweck-Aktion geglückt ist.

Für mich bedeutet das leider eine weitere Gefahr. Weiß er, dass ich mich hier befinde? Ich jedenfalls konnte mich an nichts mehr erinnern und ich glaube kaum, dass das bei ihm anders sein wird.

Warum er dann eine Gefahr ist? Ganz einfach: Wenn er mich entdeckt, könnte er möglicherweise so heftig reagieren, dass seine Grandma Wind davon bekommt, was ziemlich unangenehm und peinlich wäre.

Na ja, hoffen wir einfach nicht darauf.

Zwar streckt und reckt sich Alex ein paar Mal, aber er hält es nicht für nötig, sich aufzusetzen. "Was willst du?"

"Das kannst du dir bestimmt denken", antwortet die ältere Dame und klingt plötzlich ziemlich streng. "Wie sieht es denn mit der Jobsuche aus? Schon etwas gefunden?"

"Nein", grummelt der Junge. "Und um ehrlich zu sein, habe ich mich nicht einmal bemüht, einen zu finden. Ich hab mich nämlich nicht auf die Suche gemacht."

"Ich habe mich doch wohl verhört!", wird sie nun lauter, sodass ich unter der Decke nicht mehr rätseln muss, was das heißen könnte. "Warum das denn?"

"Weil ich erst einmal eine Pause brauche. Ich musste schon hart für den Abschluss kämpfen und damit meine ich sehr hart. Und jetzt soll ich jeder Firma hinterherrennen, um nach einem Job zu fragen? Nein, danke!", erklärt er leicht genervt.

"Na gut, es ist deine Sache", meint seine Grandma und geht langsam auf die Tür zu. "Aber denk dran; lange werde ich dir keinen Zuschuss mehr geben." Einen Moment später hört man, wie die Tür zufliegt. Sie ist also weg.

Zum Glück, denn so langsam wird mir es viel zu stickig hier unten. Viel länger hätte ich es nicht mehr ausgehalten.

Folglich strecke ich einfach meine Arme nach oben, damit die Decke nicht mehr über meinen Kopf liegt und ich endlich wieder Luft bekomme.

Im nächsten Moment wird mir klar, dass ich es möglicherweise vorsichtiger hätte machen können.

Neben mir dreht sich Alex nämlich schlagartig um und lässt sogar einen kleinen Schrei verlauten, was für echte Männer ja eher nicht so üblich ist.

"Scheiße, was hast du hier zu suchen?", schreit er zusätzlich laut und ich bin kurz davor, ihm den Mund zuzuhalten, damit niemand anderes auf uns aufmerksam wird.

"Das hab ich mich vorhin auch gefragt, und wenn du dich endlich beruhigt hast, können wir darüber reden", sage ich, obwohl mir bereits bewusst ist, dass die Situation ziemlich unangenehm werden könnte.

Nachdem er sich also auf die Bettkante gesetzt hat und ich mich auf das Sofa, das ganz in der Nähe steht, gesetzt habe, beginne ich zu erzählen.

"Ich hab genauso wenig Ahnung wie du, alles klar? Als ich heute aufgewacht bin, hab ich mich auch erst erschrocken. Vor allem hab ich dann gesehen, dass ich neben dir in einem Bett liege..."

Und schon fängt es an, peinlich zu werden. Ich spüre die Röte in mein Gesicht schießen und schaue schnell zu Boden.

Ich traue mich kaum, die Frage, die gerade in meinem Kopf herum schwirrt, auszusprechen, doch ich muss es einfach wissen: "Wir haben doch nicht... Oder doch?"

"Nein, ich denke nicht", meldet sich Alex nun auch zu Wort. "Zumindest hoffe ich das. Also nicht, dass ich etwas dagegen hätte, aber du weißt, wie ich das meine."

Ich glaub, ich spinne. Das hat der nicht ernsthaft gerade gesagt?
Bis gestern vor dem Gespräch mit Lori sind wir so gute Freunde gewesen, aber jetzt ist alles komisch.

Ich hätte lieber daheim bleiben und mich langweilen sollen. Dann wäre das alles gar nicht passiert.

"Tut mir leid, aber ich muss jetzt gehen", entschuldige ich mich darauf und stürme aus dem Zimmer heraus.

Glücklicherweise schaffe ich es auch unbemerkt aus dem Haus heraus. Dass Noah erfährt, dass ich über Nacht da war, fehlt noch...

Jedenfalls brauche ich jetzt erst einmal ein paar Tage Abstand von Alex. Verständlich, oder?

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Ähm, ja, ich lasse das mal unkommentiert 🙊

Internet Love | s.m.Where stories live. Discover now