Kapitel 75

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In einem zweiten Rundgang mache ich Tausende von Fotos und schicke sie selbstverständlich an Lori. Ich habe ihr versprochen, sie auf dem Laufenden zu halten und sie über jedes bedeutende Ereignis zu informieren.

Brian musste in der Zwischenzeit schon gehen, weil seine Mutter ihn anscheinend unglaublich vermisst hat und ihn auf der Stelle sehen will. Das kann ich jedoch sehr gut nachvollziehen, da es mit meiner Mutter nach dem Urlaub mit Alex nicht anders aussah.

"Shawn, ich muss zu Alex!", rufe ich freudig aus, da mir soeben eingefallen ist, dass wir nun ja wieder in derselben Stadt wohnen und ich ihn, wenn ich möchte, jeden Tag treffen kann. Aber ich denke, mein Freund hätte da etwas dagegen, sonst wird er noch eifersüchtig. Trotzdem komme ich nicht drum herum, ihn zu fragen: "Willst du mit?"

"Klar, wir können uns ja mega gut leiden, nachdem ich ihm seine Freundin weggenommen habe und wir uns geprügelt haben", antwortet er - seine Stimme trieft nur von Sarkasmus -, runzelt seine Stirn und kratzt sich am Hinterkopf. "Er wird sich freuen, mich zu sehen."

"Ach, wird schon gut gehen", sage ich voller Überzeugung, und das ist nicht nur gespielt. Nein, ich denke wirklich, dass sich die Situation zwischen ihnen mittlerweile beruhigt hat und keiner einen Streit anfangen wird. Deshalb nehme ich die Hand des Sängers und versuche, ihn von seiner Stelle wegzuziehen, jedoch eher erfolglos. "Komm schon, tu es für mich."

Obwohl er immer noch nicht begeistert aussieht, gibt er sich selbst einen Ruck, atmet laut aus und meint: "Na gut..." Folglich sage ich meinen Eltern Bescheid und dann geht es wieder das Stadtleben.

Da dies die Heimat von Shawn ist, entschließen wir uns beide, diesmal kein Taxi zu nehmen, sondern zu Fuß zu gehen. So kann er mir gleich schon ein paar Läden oder andere Gebäude, die interessant für mich sein könnten, zeigen und etwas über sie sagen.

Natürlich kommt es auf dem Weg immer mal wieder vor, dass uns Fans erkennen und wir für einen Moment aufgehalten werden, um von ihnen umarmt zu werden, Fotos zu machen und auch ein wenig mit ihnen zu reden. Es ist das erste Mal, dass ich richtigen Kontakt zu Shawn's Fans habe, und ich muss zugeben, dass die Angst, die ich davor hatte, unbegründet war.

Mir ist klar, dass nicht alle so nett sind, aber diese hier waren es und es hat mir echt Spaß gemacht, mich mit ihnen zu unterhalten. Ein Mädchen hat mir sogar erzählt, dass sie Probleme mit ihrem Freund hatte und kurz davor war, mit ihm Schluss zu machen, dann jedoch an die Geschichte von Shawn und mir gedacht hat und nicht aufgegeben hat, um für ihre Beziehung zu kämpfen. Das hat mich wirklich berührt.

"Hier ist es", teile ich dem Braunhaarigen mit, obwohl ich genau weiß, dass Alex' Wohnung und deren Standort ihm nicht unbekannt sind. "Ich bin so gespannt, wie er reagieren wird. Immerhin hat er von dem Umzug keine Ahnung." Tatsächlich habe ich ihm schon seit längerer Zeit nicht mehr geschrieben, doch vergessen habe ich ihn auf keinen Fall. Nur hatte ich in letzter Zeit so viel anderes um die Ohren.

Als wir das Gebäude schließlich betreten, gehe ich gleich in den dritten Stock - auf den Aufzug zu warten, würde mir in diesem Moment zu lange dauern -, wobei Shawn sich beeilen muss, um mich nicht zu verlieren. Ich bin einfach so aufgeregt, meinen besten Freund wiederzusehen, und das kann man mir ja auch nicht verübeln. Noch bevor Shawn mich erreicht hat, klopfe ich an die Tür. Doch weder öffnet sich diese noch höre ich irgendwelche Geräusche von innen.

"Bist du dir sicher, dass er noch hier wohnt?", fragt Shawn hinter mir und schaut mich skeptisch an. "Wer weiß, vielleicht wurde ihm der Vertrag irgendwie gekündigt und er musste sich was Neues suchen. Es kann alles Mögliche in der Zwischenzeit passiert sein."

"Ja, aber dann hätte er mir auf jeden Fall geschrieben", sage ich und hoffe sehr, dass ich mich dabei nicht täusche. Noch einmal klopfe ich an, doch an dem Ergebnis ändert sich nichts. Er ist also wirklich nicht da. "Womöglich ist er beim Basketball-Training. Sein Bein müsste ja jetzt wieder in Ordnung sein."

"Musst du mich ständig an diese eine Auseinandersetzung erinnern?", erkundigt Shawn sich bei mir und bemüht sich, böse auszusehen. Das gelingt ihm allerdings nicht, denn kurz darauf muss er etwas lachen. "Es war nur diese eine Tritt, okay? Sonst hab ich nichts Böses vorzuweisen!"

"Ja, Shawn, wir wissen, dass du ein anständiger Junge bist. Obwohl... In gewissen Siuationen vielleicht eher weniger", necke ich ihn und fahre mit meiner Hand unter sein Shirt, ziehe sie jedoch direkt wieder hervor, um ihn zu ärgern. "Jedenfalls ist es ja einen Versuch wert, mal bei den Toronto Raptors vorbeizuschauen."

Noch etwas verdutzt wegen meiner kurzen Geste bleibt Shawn regunglos stehen und schaut mich nur mit einem Blick an, der so wahrscheinlich "Dein Ernst?" bedeuten sollte. Ich schmunzele daraufhin nur, umgreife seinen starken Arm und stapfe mit ihm wieder nach draußen. Vielleicht würde er später mehr bekommen. Aber auch wirklich nur vielleicht und wenn die Umstände es erlauben.

Da wir dieses Mal doch das Taxi genommen haben, stehen wir schon bald darauf vor der Halle, zu der Alex mich bereits einmal mitgenommen hat - zum Glück ist mir die Adresse noch eingefallen. Und tatsächlich stehen einige Autos auf den Parkplätzen, sodass es durchaus sein kann, dass heute Training ist.

Als Shawn und ich durch die Gänge schlendern, kommt mir Gedanke, dass wir den Toronto Raptors unsere Beziehung zu verdanken haben. Wären wir nicht beide zu diesem bestimmten Spiel gekommen und hätten uns dort zufällig gesehen, wäre der Kontakt zwischen uns wohl ein für alle Mal abgebrochen.

"Warte", sage ich plötzlich, bleibe auf der Stelle stehen, worauf der Braunhaarige gegen mich läuft und drehe mich zu ihm um. Während ich meine Arme hinter seinem Nacken verschränke und mich auf meine Zehenspitzen stelle, legen sich seine Hände automatisch an meine Hüfte. Schnell verschließe ich unsere Lippen miteinander und küsse ihn. "Ich liebe dich."

"Ich dich auch, aber was... Wofür war der denn?", möchte er von mir wissen. Ich gebe ja zu, dass das völlig aus dem Nichts kam und ich genauso verwirrt wäre. Aber ich hatte einfach das Bedürfnis dazu und noch dazu finde, dass ich ihm bisher viel zu selten meine Liebe für ihn offenbart habe.

"Einfach so", sage ich deshalb lächelnd und drücke ihm nachträglich einen Kuss auf die Wange. Auch wenn das keine richtige Antwort ist, scheint er sich zufrieden damit zu geben. Und so lassen wir voneinander ab und gehen weiter.

Im Zentrum der Halle angekommen, sehe ich die ganzen Spieler auf dem Spielfeld herumrennen. Noch habe ich Alex nicht ausgemacht, doch an der Seite entdecke ich den Coach des Teams, Nick Nurse. Und ich glaube, er erkennt mich auch, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen.

Im nächsten Augenblick greift er zu seiner Pfeife und bläst Luft ihn sie hinein, worauf derjenige, der zuletzt den Ball hatte, aufhört zu prellen, und jeder nach oben schaut. Dann ruft er: "Alex! Es sieht so aus, als hättest du Besuch!"

Internet Love | s.m.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt