Kapitel 58

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"Ich glaube, ab hier schaffe ich es alleine", sage ich mit bedrückter Stimme, als Alex und ich kurz vor der Gepäckkontrolle stehen. Am liebsten würde ich ihn mit mir mitnehmen, damit ich im Flugzeug jemanden zum Reden habe, aber das geht natürlich nicht. "Ich möchte dich nicht länger aufhalten."

"Bist du dir sicher, Kyla?", vergewissert sich der Junge. "Du bist noch nicht so oft geflogen, vor allem nicht vollkommen auf dich allein gestellt. Ich möchte nicht, dass dir irgendetwas passiert." Er klingt wirklich besorgt.

"Ist ja echt süß, dass du dir solche Sorgen um mich machst", fange ich lächelnd an, "aber ich schaffe das schon. Den letzten Flug habe ich ja auch überlebt. Ich habe mich nicht verlaufen, kein Gepäck verloren, gar nichts."

"Ist ja gut, du hast mich überzeugt", meint Alex nun. "Es ist nur... Ich kann nicht fassen, dass du schon wieder gehst und bald sechstausend Kilometer von mir entfernt bist. Du wirst mich doch wieder besuchen kommen, oder?"

Ist diese Frage ernst gemeint? "Natürlich! Als ob ich für den Rest meines Lebens nur noch über mein Handy mit dir spreche", antworte ich, wobei ich aufpassen muss, dass ich nicht die ganze Halle zusammenschreie. "Wird zwar nicht besonders billig, aber na ja, was will man machen?"

"Wer weiß, vielleicht ziehst du ja irgendwann nach Toronto", kommt es dann auf einmal von ihm und ich bin leicht verwirrt. Ich nach Toronto? Was wird mit meiner Familie? "Ich meine, wenn es gut läuft, werden du und Shawn euch Gedanken machen müssen."

Tja, es scheint allerdings gerade nicht allzu gut zu laufen. Und bevor Shawn mir nicht alles erklärt hat, wird sich das wohl nicht so schnell ändern. Von daher sehe ich gerade keinen Grund, nach Toronto zu ziehen.

Aber angenommen, dieses Bild wäre nie aufgetaucht und es wäre alles okay zwischen uns: Ich könnte nicht immer hin- und herpendeln, um meinen Freund zu sehen. Ich weiß, dass er viel unterwegs ist, aber dann würde ich wenigstens bei ihm sein. Wahrscheinlich würde ich echt über einen Umzug nachdenken.

Doch das tut jetzt nichts zur Sache, weswegen ich auch nichts auf Alex' letzte Aussage antworte. Stattdessen wechsele ich das Thema: "Ich will dich echt nicht noch länger aufhalten. Lade doch einen deiner Teamkollegen zu dir ein, damit es dir ohne mich nicht so langweilig ist."

"Ich schätze, das werde ich müssen", erwidert er schmunzelnd. "Versprich mir, dass du mir schreibst, sobald du in London angekommen bist." Und nun haben wir die typische Abschieds-Stimmung erreicht.

"Versprochen", sage ich und lächele ihn halbherzig an. Danach gehe ich einen Schritt auf ihn zu und kuschele mich an ihn, sodass er seine Arme um mich legen kann. Als wir uns wieder voneinander lösen, schnappe ich mir meinen Koffer, den ich hinter mir platziert habe.

"Danke, dass ich bei dir übernachten durfte. Auch nach, du weißt schon...", bedanke ich mich noch, was er allerdings sogleich abwinkt. Dabei meine ich das wirklich ernst, denn das war nicht selbstverständlich. "Na ja. Bis irgendwann."

"Bis irgendwann", verabschiedet sich auch er und winkt mir ein letztes Mal zu, bevor ich mich umdrehe und Richtung Gepäckkontrolle gehe. Erst in diesem Moment realisiere ich so richtig, dass ich nach Hause gehe.

Die ganzen Checks laufen reibungslos ab, weshalb es noch einige Minuten dauert, bis das Gate zu meinem Flieger sich öffnet. Also setze ich mich auf einen der Sitze. Ich habe, nebenbei bemerkt, ziemlich Glück damit, weil fast jeder Sitz belegt ist. Zufälligerweise sind die meisten Leute auch noch Mädchen in meinem Alter.

Da ich aber gerade keine Lust habe, diese anzusprechen, suche ich in meinem Handgepäck nach meinem Handy. Das habe ich den ganzen Tag schon nicht angerührt, weil ich noch so im Stress mit dem Koffer war. Es ist mal Zeit, um auf neue Nachrichten zu prüfen.

Und tatsächlich: Vier neue Nachrichten und zwei Anrufe in Abwesenheit. Und alles von Shawn.

Mein Herz schlägt sofort schneller, doch ich frage mich auch, was er denn jetzt von mir will. Hat er es endlich gecheckt, dass ich eine Erklärung verdiene? Möchte er sich nun mit mir treffen, um mit mir zu reden? Tja, darauf hätte er etwas früher kommen sollen.

Gespannt tippe ich auf den Chat von Shawn und mir und lese die Nachrichten, die ich sogar schon vor einer Weile erhalten habe, durch.

Hey, Kyla❤️ Du hast gefragt, ob wir uns nochmal treffen können, und ich hab jetzt doch Zeit😊

Ich weiß, es ist sehr kurzfristig, aber ich habe selbst gerade erst von Andrew erfahren, dass das, was wir für heute geplant hatten, ins Wasser fällt. Richtig dumm eigentlich, ich bin extra früh aufgestanden😅

Was ist los? Sonst antwortest du mir doch immer sofort. Geht es dir nicht gut oder so?

Scheiße, du hast doch vor Kurzem angedeutet, dass du bald wieder abreist. Sag mir bitte nicht, dass du schon im Flieger sitzt...

Nun ja, das tue ich noch nicht, aber wahrscheinlich in ungefähr fünfzehn Minuten. Es ist ja nett von ihm, dass er sich gleich mit mir treffen will, sobald er Zeit hat. Doch die Tatsache, dass er mir immer noch nicht erklärt hat, was es mit dem Mädchen auf sich hat, macht mich rasend.

Um mich wieder einigermaßen zu beruhigen, stecke ich schnell mein Handy weg, lehne mich zurück und schließe die Augen für ein paar Minuten. Bisher habe ich immer Musik gehört, um runterzukommen, aber dazu bräuchte ich ja schon wieder mein Handy.

Bevor ich jedoch Gefahr laufe einzuschlafen - dafür habe ich nachher noch genügend Zeit -, öffne ich meine Augen wieder und schaue mich ein wenig um. Der Flughafen ist wie die meisten anderen komplett in weiß gehalten, was eigentlich ziemlich langweilig ist.

Wenn ich mich umdrehe, kann ich durch die Glasscheibe die vielen anderen Flugzeuge sehen. Im Moment ist leider keines beim Starten oder Landen, dafür fahren die Fahrzeuge mit den Koffern in jede Richtung. Irgendwie ganz interessant.

Außerdem werden immer wieder Flüge aufgerufen, doch nie ist es meiner. Und als ich auf die Uhr an meinem Handgelenk schaue, stelle ich fest, dass tatsächlich erst weitere drei Minuten vergangen sind. Immer wenn man will, dass die Zeit verfliegt, tut sie es nicht.

Auf einmal nehme von ein paar Metern Entfernung Gekreische war, bis auch die Mädchen neben mir laut werden. Verwirrt sehe ich sie an und folge ihren Blicken. Und dann mache ich Shawn inmitten einer Menschentraube aus.

~~~~~

Oh man, in drei Tagen fängt bei mir wieder die Schule an. Ich weiß nicht, aber irgendwie hab ich ein bisschen Angst davor, weil ich jetzt in der Kursstufe bin und sich alles ändert😅

Internet Love | s.m.Where stories live. Discover now