Kapitel 15

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Nicht fähig, meine Augen davon abzuwenden, starre ich ewig lange auf seine Worte. Bin ich wirklich so abweisend zu ihm gewesen? Habe ich ihm tatsächlich das Gefühl vermittelt, dass ich mich nicht mehr für ihn interessiere?

Ich muss ihm schnell erklären, wieso ich ihm nicht schreiben konnte. Hätte diese blöde Kuh - ich weiß, ich bin sehr nett zu meiner Lehrerin - mir nicht mein Handy abgenommen, hätte ich mich hundertprozentig gemeldet.

Zuerst weiß ich nicht, wie ich die Nachricht verfassen soll. Wenn es unbequem wird, habe ich immer meine Probleme. Dennoch schicke ich gleich die erste Version ab, ohne sie auch noch einmal durchzulesen.

Shawn, bitte, lass mich das erklären! Ich hab dir doch noch geschrieben, dass ich gerade in der Schule war, und dann wurde ich eben mit dem Handy erwischt und musste es abgeben. Ich hatte überhaupt keine Möglichkeit, dir zu schreiben, was ich wirklich gerne gemacht hätte. Denn weißt du was? Nach dieser kurzen Zeit hast du schon einen Platz in meinem Herzen!

Ich erwarte nicht, dass ich gleich eine Antwort von ihm erhalte. Wäre ich an seiner Stelle würde ich wahrscheinlich ein paar Stunden warten, um sich sozusagen an mir zu rächen und zu zeigen, wie er sich gefühlt hat.

Allerdings scheint er das wohl nicht vorgehabt zu haben, denn keine Minute später ploppt eine neue Nachricht auf meinem Display auf.

Also ich weiß ja nicht... Wie kann ich mir sicher sein, dass du das wirklich so meinst?

Anscheinend war ihm das noch nicht genug, weswegen ich ein leises, aber trotzdem hörbares Seufzen verlauten lasse.

"Ist irgendwas los?", fragt mich auf einmal meine Mom und sieht mich besorgt an. Fast hätte ich vergessen, dass ich nicht alleine im Raum bin.

"Nein, es ist alles gut", lüge ich. Ja, man sollte seiner Mutter immer die Wahrheit sagen, doch die würde ihr ganz und gar nicht gefallen. Darauf kann ich verzichten.

Glücklicherweise hakt sie nicht weiter nach, sondern wechselt das Thema: "Ich gehe laufen, bevor sich das Wetter entscheidet, doch noch zu regnen." Nach einem Nicken meinerseits verlässt sie das Zimmer und kurz darauf schließlich das Haus.

Demnach kann ich mich vollkommen auf die Nachricht für Shawn konzentrieren.

Natürlich liegt es an dir, ob du mir glaubst oder nicht. Ich kann dir nur sagen, dass ich mich jedes Mal besser fühle, wenn ich mit dir schreibe. Du zauberst mir immer ein Lächeln ins Gesicht. Und gestern habe ich tatsächlich gemerkt, wie sehr ich dich brauche, denn du hast mir wirklich gefehlt. Ich weiß, klingt verrückt, ist aber so. Ich kann mir mein Leben ohne dich schon gar nicht mehr vorstellen, und das, obwohl ich dich noch nie gesehen habe. Du bedeutest mir echt viel und ich würde dir nie aus dem Weg gehen wollen.

Na, hoffentlich ist ihm das genug. Meinen Wunsch, endlich mal zu wissen, wie er aussieht, lasse ich bewusst weg, weil das vielleicht zu aufdringlich wirken könnte. Wobei es ja gerechtfertigt wäre.

Doch jetzt kommt keine Antwort mehr. Zumindest nicht von Shawn.

Dafür aber von Alex. Derjenige, mit dem ich eigentlich nur befreundet sein will, Shawn allerdings trotzdem Konkurrenz macht.

Kann ich zu dir kommen? Ich muss dir ganz dringend was erzählen!

Zwar frage ich mich, warum er mir dann nicht einfach anruft. Das ginge viel schneller und er müsste sich nicht von der Stelle bewegen. Aber ich sage zu.

Dann lege ich mein Handy weg und lasse es in Ruhe laden. Mein Dad versucht mir schon lange beizubringen, dass ich es im Ladezustand nicht benutze, doch nur sehr selten höre ich auf ihn. Heute mache ich mal eine Ausnahme.

So gehe ich hoch in mein Zimmer, mache das Radio an und lege eine CD ein. 24/seven von Big Time Rush. Wie verknallt ich doch früher in die vier Jungs war! Man konnte es mir aber auch nicht verübeln, oder?

Die Tür habe ich offen stehen lassen, damit ich es höre, wenn jemand klingelt. Schon oft musste der Paketdienst wegen mir unsere Bestellungen entweder wieder mitnehmen oder bei den Nachbarn abgeben.

Schon beim dritten Lied ertönt die Melodie, dir mir sagt, dass jemand vor der Tür steht. Also drücke ich schnell auf Pause und sprinte nach unten, was auf den Treppen nicht gerade leise ist. Im Gegenteil; wahrscheinlich hört man es sogar außerhalb.

Als ich die Tür öffne, steht wie erwartet Alex vor mir. Allerdings hätte ich ihn in einem anderen Zustand erwartet. Auf seiner Stirn haben sich kleine Schweißperlen gebildet und er ist leicht aus der Puste.

"Bist du etwa hierher gerannt?", möchte ich deshalb verwundert wissen. Als Antwort nickt er nur, worauf ich nur mit dem Kopf schütteln kann. Warum tut er sich das an?

"Ich kann ja verstehen, dass dir Sport sehr viel bedeutet, aber wieso rennst du durch die Stadt?" In meinen Gedanken stelle ich mir vor, wie die Leute zur Seite springen müssen, damit sie nicht von dem Jungen erfasst werden.

Wieder einigermaßen beruhigt und sich mit der Hand am Türrahmen abstoßend, meint er: "Öffentliche Verkehrsmittel hätten viel zu lange gebraucht."

Über was will er denn mit mir reden, wenn es so dringend ist? Hoffentlich nichts Schlimmes.

Doch bevor ich weiter Vermutungen aufstellen kann, bitte ich ihn herein und führe ihn ins Wohnzimmer. Das ist tatsächlich das erste Mal, dass er sich innerhalb des Hauses befindet.

Offensichtlich fühlt er sich auch gleich wie zu Hause, denn er lässt sich wie ein Stein auf das Sofa plumpsen. Wenn das meine Mutter sehen würde... Ich hingegen setze mich langsam ihm gegenüber.

"Was wolltest du mir jetzt erzählen?", frage ich neugierig und lege mein Kinn auf meiner Hand ab, meinen Ellenbogen habe ich auf meinem Oberschenkel positioniert.

"Mir ist etwas Unglaubliches passiert", fängt er an und ich werde hellhörig. Jetzt bin ich aber gespannt auf das, was folgt.

"Ich habe mich mit einem Spieler der Toronto Raptors getroffen. Ich habe gesehen, dass er sich zurzeit in London befindet, und habe ihn angeschrieben. Zu meiner Überraschung hat er mir geantwortet und wollte mich tatsächlich kennenlernen."

"Wow, das ist ja super!", freue ich mich für ihn und lächele.

"Aber das ist noch lange nicht alles", meint er und grinst bis über beide Ohren. "Ich habe noch ein paar Körbe für ihn geworfen und dann er hat mich nach Toronto eingeladen, um mich mit dem Team bekanntzumachen. Wenn der Coach mich gut findet, bin ich vielleicht dabei."

Internet Love | s.m.Where stories live. Discover now