Kapitel 36

693 34 62
                                    

"Alex wer?", fragt meine Freundin auf einmal, wobei sie leicht geschockt klingt. Ich bin mir sicher, sie weiß, welchen Alex ich meine, immerhin habe ich nicht mit vielen Jungs zu tun. Wahrscheinlich will sie es einfach nicht wahrhaben.

"Ich kenne nur einen", antworte ich nun leise. "Und das ist eben der Bruder deines Freundes. Es war echt nicht geplant, es hat sich einfach so ergeben." Natürlich muss ich ihr das nicht erzählen, denn auch ihr ist bewusst, dass man seine Gefühle nicht kontrollieren kann.

"Normal hätte ich ja gehofft, dass du Scherze machst, aber ich glaube, das kann ich bei dir gleich vergessen", sagt Lori darauf, womit sie streng genommen recht hat. Ich bin nicht dafür geschaffen, Leute zu verarschen. "Mist, das wird Noah gar nicht gefallen. Wenn das rauskommt, werden die sich doch voll in die Haare bekommen."

"Und genau deshalb wird keiner es ihm sagen. Nicht ich, nicht du, nicht meine Mom, einfach niemand", erkläre ich und schüttele dabei meinen Kopf, um meine Aussage zu betonen. "Ich weiß, das ist nicht ganz einfach, aber in ein paar Tagen reist Alex wieder ab. Falls Noah danach von uns erfährt, ist es nicht ganz so schlimm."

Darauf herrscht ein Moment Stille. Anscheinend weiß sie nicht, was sie sagen soll, was ich vollkommen verstehe, denn wäre ich an ihrer Stelle, ginge es mir genauso. Immerhin betrifft die Sache ihren Freund und als feste Freundin ist man eigentlich verpflichtet, ihm Bescheid zu geben.

"Ich werde mein Bestes geben", kommt es dann schließlich von ihr. "Aber bitte nimm es mir nicht übel, wenn es doch ans Licht kommen sollte. Du kennst mich, ich bin ein echtes Plappermaul, aber ich werde mich bemühen." Ich weiß, dass sie es ernst meint, und nicke ihr deshalb leicht lächelnd zu.

"So, dann wäre das kleinere Übel geschafft", sage ich und tue so, als ob ich mir den Schweiß von der Stirn wischen würde. "Nicht dass ich Probleme mit dir hätte oder so was, doch ich hatte schon ein wenig Bammel vor deiner Reaktion. Tja, und jetzt ist noch meine Mutter dran."

"Das schaffst du schon, sie wird sich sicher für dich freuen", versucht Lori mich aufzumuntern und schaut auf meine Wanduhr. "Ich würde echt gerne noch weiter mit dir abhängen, aber ich muss noch was für die Schule machen. Und die ganzen Aufschriebe muss ich dir auch noch schicken. Hast du ein Glück, dass die Lehrer dir die ganze Woche Zeit geben, um alles nachzuholen."

"Ja, ich schätze, das habe ich", stimme ich ihr zu. "Dann möchte ich dich nicht länger aufhalten. Und kaum zu glauben, aber ich freue mich schon fast auf Spanisch mit dir morgen. Was spielen wir diesmal? Käsekästchen oder doch wieder Tic Tac Toe?" Wenn meine Mutter wüsste, was ich während dem Unterricht treibe, würde sie mir wahrscheinlich eine Standpauke halten.

"Scheiße, Toronto muss echt was mit dir angestellt haben!", lacht sie und schaut mich ungläubig an. Eigentlich total berechtigt, denn wer freut sich schon auf Spanisch? "Und das mit dem Spielen entscheiden wir spontan. Ich muss jetzt jedenfalls echt los. Komm erst einmal richtig an, bevor du deiner Mom das mit Alex erzählst. Ich drück dir dafür die Daumen."

"Danke", sage ich. "Und auch dafür, dass du gekommen bist. Es hat mich echt gefreut." Ich komme einen Schritt auf sie zu, um sie zu umarmen. Vor unserem Streit lagen wir uns aus irgendeinem Grund nicht mehr so oft in den Armen und währenddessen erst recht nicht, doch nun ist glücklicherweise wieder alles beim Alten.

Ich begleite sie noch nach unten zur Haustür, wo wir uns zum Abschied noch einmal umarmen. Danach geht sie durch die Tür, welche ich nach meinem "Bye" schließe. Jetzt bin ich alleine mit meiner Mutter im Haus.

Als ich mich auf den Weg zurück in mein Zimmer mache, bleibe ich zwischen dem Treppenansatz und der Wohnzimmertür stehen. Nur wenige Meter trennen mich von meiner Mom. Ich könnte es ihr einfach gleich erzählen, dann hätte ich es hinter mir. Jedoch hat Lori recht, ich muss mich erst einmal in mein Bett legen und mich etwas ausruhen.

Und genau das tue ich. Aber aufgrund der Tatsache, dass ich es nicht leiden kann, wenn es vollkommen ruhig ist - außer wenn ich schlafen will natürlich -, schalte ich zusätzlich das Radio ein. Auch wenn das Fach in der Schule nicht gerade mein bestes ist, liebe ich die Musik und könnte nicht ohne sie leben.

Im Moment läuft ein Lied, das ich von meiner Kindheit kenne. Obwohl die ganzen Moderatoren meistens die Songs ankündigen, habe ich sowohl von Namen als auch Interpreten fast nie einen Plan. Ich weiß nicht, warum, vermutlich bin ich einfach zu gut im Vergessen. Songtexte kann ich mir auch nicht merken, egal wie oft ich sie höre.

Nachdem die Zuhörer über Staus und Blitzer informiert wurden und in den weiteren Nachrichten für irgendein Festival, das in einem anderen Land stattfindet, und sonstige Events geworben wurde, kündigt die Frau den nächsten Song an und ich bin wirklich kurz davor, das Radio schon wieder auszuschalten.

"Unser Lieblingssänger Shawn Mendes bringt nicht nur die Herzen aus Mädchen aller Welt durch seine Musik zum Schmelzen, sondern kann sie auch mit seinem Körper begeistern, wie er uns bei seinem letzten Photoshooting mal wieder bewiesen hat. Und ich muss ganz ehrlich sagen, ich gehöre zu diesen Mädchen dazu."

Und dann lacht sie auch noch so komisch, während ich meine Augen verdrehe. Ich meine, ja, er sieht wirklich gut aus, aber man muss doch nicht so eine große Sache draus machen. Und überhaupt, warum muss man das zur Sprache bringen, wenn ich gerade eingeschaltet habe? Hätte man das nicht ein paar Minuten vorher und danach machen können?

Es scheint so, als ob ich Shawn nicht vergessen dürfte. Er ist doch auch ein Interpret - wieso werde ich ständig an ihn erinnert? Und zu allem Überfluss fährt die Moderatorin auch noch fort: "Aber auch wenn viele wahrscheinlich mit mir fühlen können, wollen wir hier seine Musik feiern und deshalb kommt jetzt 'Treat You Better' für euch!"

Ein paar Sekunden und ich weiß, dass ich dieses Lied schon einmal gehört habe. Kurz bevor der Sänger mich als muffinsarelife angeschrieben hat. Wäre ich abergläubisch, würde ich glatt meinen, dass es das Schicksal vielleicht so will, dass ich ihn kennenlerne. Stattdessen frage ich mich allerdings: Warum gerade ich?

~~~~~

Wie ich ja schon vermutet habe, habe ich es am Montag nicht geschafft, ein Kapitel zu schreiben. Am Dienstag musste ich dann den Keller und mein Zimmer auf Vordermann bringen, weil eine Freundin bei mir übernachtet hat - ich war übrigens wieder so aufgedreht, dass ich die ganze Nacht nur zweieinhalb bis drei Stunden geschlafen habe -, und gestern habe ich meinen Geburtstag gefeiert.

Somit hat sich das etwas gezogen, aber hier ist das Kapitel ja. Ich hoffe, euch gefällt es :D

Internet Love | s.m.Where stories live. Discover now