Kapitel 5

1.6K 73 124
                                    

"Hast du das gerade ernsthaft gesagt?", fragt der Typ und zieht seine Stirn in Falten. Irgendwie fühle ich mich jetzt dumm und weiß nicht einmal warum.

"Ähm, ja. Ich meine, das ist doch eine ganz normale Frage, oder nicht?", gebe ich zurück und hoffe, dass ich mich damit retten kann.

Eigentlich habe ich auch ein recht gutes Gefühl, bis der gut gebaute Junge gegenüber von mir meint: "Eher ungewöhnlich. Werde ich normalerweise nicht gefragt. Immerhin wohne ich hier."

"Oh, ich wusste gar nicht, dass Noah in einer WG lebt", sage ich, worauf er mich schon wieder so komisch anschaut. Eigentlich habe ich das für eine logische Schlussfolgerung gehalten.

"Sag mal, tust du nur so oder bist du echt so blöd?" Okay, nein. Das kann er nicht wirklich gesagt haben!

Jetzt dachte ich mir, dass er mehr mein Typ als Noah wäre, und dann kommt so etwas. Also mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher.

Tatsächlich bin ich gerade richtig froh, dass Lori mich zu dieser Dating-Website überzeugt hat. So kann ich Situationen wie diesen vielleicht umgehen.

Da fällt mir ein; möglicherweise hat muffinsarelife eine neue Nachricht geschrieben. Jedoch kann ich hier ja schlecht nachschauen. Immerhin stecke ich mitten in einer Diskussion, die ich mit hoher Wahrscheinlichkeit schon verloren habe.

"Sei lieber ruhig, sonst kriegst du es zurück!", drohe ich ihm, damit er mir ja nicht mehr blöd kommt. An meiner Überzeugungskunst sollte ich aber bei Gelegenheit noch arbeiten.

Der Junge steht nämlich breit lächelnd vor mir und macht den Eindruck, als würde er sich bereits etwas Fieses überlegen. Wie so ein Schlingel.

Zu seinem Glück verlassen andere Worte seinen Mund: "Okay, okay. Ich bin mal nicht so... Noah ist mein Bruder. Wir wohnen zusammen, weil wir eine Familie sind. Zumindest biologisch."

"Ist das der Grund, warum er mir nichts von dir erzählt hat?", möchte ich interessiert wissen. Ich weiß, wir kennen uns seit gerade einmal fünf Minuten und es ist nicht wirklich nett, sich schon in seine Angelegenheiten einmischen zu wollen.

"Weißt du was? Vergiss das!", fordere ich ihn deshalb auf. So unhöflich bin ich eben doch nicht. "Irgendwie hatten wir keinen guten Anfang. Ich meine, wir sind schon an so einem Punkt und wir kennen nicht einmal unsere Namen."

"Stimmt", gibt er mir recht und ist auf einmal ziemlich ruhig im Gegensatz zu vorhin. "Denkst du an das, was ich denke?"

Normalerweise würde ich sofort etwas wie Woher soll ich das wissen? Ich bin doch nur ein ganz normaler Mensch! zurückmeckern. Aber diesmal weiß ich es sogar.

"Ja, lass uns einen Neuanfang starten", spreche ich nun unsere Gedanken laut aus.

Also verschwindet er wieder in sein Zimmer und ich gehe ein paar Schritte zurück, um dann an seinem Zimmer vorbeizulaufen. Im selben Moment öffnet er seine Tür.

"Oh, hallo", begrüßt er mich und streckt mir seine Hand hin. "Mein Name ist Alexander, aber alle nennen mich Alex."

"Nimm's mir nicht übel, aber Alexander klingt echt spießig. Mir ist es ganz recht, dass jeder deinen Spitznamen verwendet", erzähle ich. Besser, ich bin schon von Anfang an ehrlich. "Ich heiße jedenfalls Kyla."

"Das ist ein wirklich schöner Name", meint Alex lächelnd. "Und das ist übrigens mein Ernst. Du hast echt Glück, dass deine Eltern dich so genannt haben." Das finde ich auch, allerdings halte ich es nicht für nötig, das noch einmal zu sagen.

Da Lori und Noah mich wohl nicht zu vermissen scheinen, bleibe ich den ganzen Nachmittag über bei Alex. Am Anfang war es zwar komisch, sich neben ihn auf sein Bett zu setzen, weil wir uns kaum kennen - vielleicht bin ich aber einfach nur komisch.

Jedenfalls reden wir ziemlich viel und lernen uns besser kennen. So erfahre ich, dass er 19 Jahre alt ist, die Schule bereits abgeschlossen hat und nun auf der Suche nach einem Job ist. Na ja, er wird eher von seinen Großeltern dazu gedrungen. Eigentlich möchte sich Alex selber eine kleine Auszeit nehmen.

Wäre ich in seiner Situation würde ich wahrscheinlich erstmal ein Auslandsjahr machen. Ich habe zwar keine Ahnung, wohin es dann gehen würde, aber ich muss auf jeden Fall weg. Doch jetzt geht es nicht um mich.

"Wofür sind die denn?", möchte ich nun wissen und zeige auf eine ganze Reihe voller Urkunden. Was es auch ist, er muss ziemlich gut darin sein.

"Die habe ich alle vom Basketball. Viele mögen diesen Sport vielleicht nicht, aber er ist mein Leben", erklärt Alex begeistert. "Ich spiele schon seit Kindesalter und war Captain in der Schulmannschaft. Da ich meinen Abschluss aber schon habe, hab ich kein Team mehr und irgendwie will mich keiner mehr aufnehmen."

"Oh, das ist echt blöd, tut mir leid", sage ich mit traurig verzogenem Gesicht. Das mag vielleicht etwas komisch aussehen, aber ich bin einfach keine Person, die gut Mitgefühl zeigen kann. Vor allem nicht, wenn die Person praktisch noch fremd ist.

"Hast du es schon in anderen Gegenden versucht?", erkundige ich mich. Möglicherweise kann ich ja helfen. "Du kannst ja mal wo ganz anders nachschauen. Ich meine, du bist momentan an nichts gebunden."

"Na ja, es gibt da schon ein Team, für das ich mich interessiere. Sie sind zwar nicht die Besten, aber viele Spieler sind dadurch bekannt geworden", fängt Alex an. "Die Toronto Raptors. Aber ich kann doch nicht einfach nach Kanada gehen. Außerdem müsste ich ja dann dort leben, für den Fall dass sie mich aufnehmen."

"Ich verstehe, was du meinst. Du müsstest deine Familie und Freunde verlassen. Aber wenn es dich glücklich macht und es dein Traum ist, solltest du es tun", rate ich ihm. Seltsam, seit wann kann ich Leuten mit ihren Problemen helfen?

"Ich werde darüber nachdenken. Aber ganz sicher nicht jetzt!", stellt der Junge mit dunkelblonden Haaren klar. "Wenn du mich entschuldigst, ich gehe kurz auf die Toilette." Schnell nicke ich, worauf er verschwindet.

Das sehe ich als die Gelegenheit, nach muffinsarelife zu schauen. Er wartet bestimmt schon. Und tatsächlich habe ich eine Antwort erhalten.

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Mich hat deine Beschreibung einfach angesprochen. Und kennst du das, wenn man jemanden nicht kennt und dennoch weiß, dass man sich gut versteht? Irgendwie hatte ich das bei dir.

~~~~~

Ich hatte heute zwei Freistunden vor der Mittagspause, weswegen ich nach Hause gehen konnte. Und dann habe ich natürlich gleich das Kapitel fertig geschrieben :)

Hoffe, es gefällt euch <3

Internet Love | s.m.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt