Kapitel 8

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Ich kenne Alex zwar noch nicht lange, weswegen ich das eigentlich nicht beurteilen kann, aber ich dachte, dass er nicht der Typ ist, der sich auf Partys betrinkt.

Doch wie man sich in Menschen irren kann, habe ich mich wohl in ihm geirrt. Oder auch nicht, vielleicht ist ja irgendwas vorgefallen und er will es so zumindest für einen Abend vergessen.

Um mehr darüber herauszufinden, bewege ich mich langsam auf ihn zu. Auch wenn er mir die Sache mit seinem Bruder und seiner Familie nicht erzählen wollte, denke ich, dass es ihm heute leichter fällt, mir etwas mitzuteilen.

Es kommt natürlich auch darauf an, wie lange er schon an der Bar steht und irgendwelche Drinks in sich hineinkippt.

Während ich mir meinen Weg durch all die Menschen bahne, suche ich nach Mädchen, die mich blöd anschauen, weil ich kein Kleid anhabe. Doch da suche ich vergebens, es sind alle viel zu beschäftigt mit sich selbst und der Begleitung.

Auch Alex scheint mich nicht zu bemerken, als ich fast neben ihm stehe. Warum werde ich plötzlich übersehen?

"Hey Alex!", schreie ich dem Jungen entgegen, um die laute Musik zu übertönen. Dabei tippe ich ihm auch noch auf die Schulter, um sicherzugehen.

Endlich dreht er sich in meine Richtung und nimmt mich wahr. "Kyla, was machst du hier?" Noch klingt er völlig normal.

"Mir war langweilig und ich hab am Montag zufällig mitgekriegt, dass dein Bruder meine Freundin gebeten hat, heute zu kommen", erkläre ich. "Da dachte ich mir, schadet es ja nicht, wenn ich auch komme."

"Das tut es tatsächlich nicht", lächelt Alex darauf. "Ich freu mich echt, dass du da bist. Wenigstens eine Person, mit der ich mich unterhalten kann, ohne dass ich von Noah streng angeguckt werde."

"Heißt das, ihr hattet wieder Streit?", frage ich mitfühlend. "Wenn ja, tut es mir echt unglaublich leid. Ihr habt schon eure Eltern verloren und solltet wenigstens noch euch haben."

"Ja, wir haben uns wieder gestritten. Heute Mittag, als ich gesagt habe, dass unsere Eltern es bestimmt nicht gemocht hätten, mit so vielen Leuten zu feiern, weil das eine riesige Sauerei gibt und unersetzbare Dinge kaputt gehen könnten", schildert er und nimmt einen weiteren Schluck der durchsichtigen Flüssigkeit.

"Und du möchtest jetzt mithilfe des Alkohols darüber hinwegkommen, oder was?" Ich hoffe, dass er durch meine Ausdrucksweise kapiert, dass ich nicht besonders begeistert von dieser Idee bin.

Auf der einen Seite verstehe ich ihn ja, aber auf der anderen bin ich auch der Meinung, dass man es auch auf andere Arten schafft, nicht an die Sachen zu denken, die einen runterziehen.

Er scheint, an einer Antwort anzusetzen, doch er kommt nicht dazu sie auszusprechen, weil ich ihn unterbreche. "Komm, wir mischen uns jetzt unter die Leute. Das ist viel besser als sich zu betrinken und am nächsten Morgen mit höllischen Kopfschmerzen aufzuwachen."

"Kennt sich da jemand aus?", neckt Alex mich und stellt endlich seinen Plastikbecher auf den Tisch.

Eigentlich würde ich mich jetzt verteidigen, immerhin habe ich keine Erfahrungen mit zu vielen Drinks. Tatsächlich bin ich kein Partymensch und kenne das nur aus Filmen.

Ja, natürlich kann man sich nun fragen, warum ich eigentlich hier bin, wenn ich doch keine Partys mag. Doch daheim habe ich mich einsam gefühlt und es erschien mir als eine gute Lösung. Außerdem ist Alex da.

Heute möchte ich allerdings keine Spielverderberin sein, weswegen ich seinen Kommentar unkommentiert lasse und nach seiner Hand greife, um auf die Tanzfläche zu gehen.

"Was wird das, wenn's fertig ist?", meint Alex und ich könnte meine Augen tausendfach rollen. Das ist doch offensichtlich!

"Wonach sieht's denn aus?", gebe ich als Antwort. "Was macht man denn auf einer Party, abgesehen davon sich zu betrinken? Schau dich doch mal um; was machen all die Leute?"

"Keine Ahnung, sich an allen möglichen Stellen berühren?", sagt er, ohne sich wirklich umgesehen zu haben.

"Diese Antwort hab ich zwar nicht erwartet, aber in gewisser Weise hast du recht. Berühren heißt auf Latein nämlich tangere, was das Ursprungswort vom Tanz Tango ist", erkläre ich und bin im ersten Moment stolz auf mich, dass ich das noch weiß.

Dann kommt es mir aber total lächerlich vor. Ich meine, wer glänzt auf einer Party schon mit seinem Wissen über lateinische Wörter?

Deshalb entschuldige ich mich schnell dafür. "Keine Ahnung, wie ich darauf gekommen bin. Vergiss es einfach wieder."

"Kein Problem für mich." Wüsste ich nicht, dass er schon seinen Abschluss in der Tasche hat, würde ich glatt denken, dass Alex schon nicht mehr weiß, um was es sich eigentlich dreht.

"Also, wie wär's mit Tanzen?", stelle ich schließlich die endgültige und auch sehr eindeutige Frage. Wenn er es jetzt immer noch nicht verstehen sollte, glaube ich, dass er sich seinen Abschluss erkauft hat.

Allerdings ist das glücklicherweise nicht der Fall. Ich wüsste nicht, wie ich sonst reagiert hätte.

Ohne irgendein Wort zu sagen, legt er langsam seine rechte Hand an meine Taille. Dabei wirkt er ziemlich nervös, als ob er Angst hätte, etwas zu hoch zu greifen.

Das erwartet man gar nicht von ihm. Immerhin ist er 19 Jahre alt und sieht gut aus. Wenn man ihn nicht kennt, würde man denken, dass er schon unzählige Mädchen gedatet hat, doch dem scheint nicht so.

Jedenfalls lächele ich ihm darauf zu, um ihn zu ermutigen. Im selben Augenblick lege ich meine linke Hand an seine Schulter und unsere beiden andere Hände verschränken sich.

"Ich entschuldige mich schon einmal im Voraus, falls ich dir auf die Füße trete, was sicher passieren wird", lacht Alex zu Boden schauend. "Ich hab noch nie mit einem Mädchen getanzt."

"Ach, mach dir da keine Sorgen", beruhige ich ihn. "Ich habe mal mit meinem Dad getanzt, und das war wirklich schrecklich. Ich weiß gar nicht, wie er den Tanzkurs mit meiner Mom bestanden hat. Auf jeden Fall kannst du gar nicht schlimmer sein als mein Vater damals."

"Oh, da wäre ich mir nicht so sicher", sagt der Junge, klingt aber bereits viel mutiger. "Ich kann ihn bestimmt übertreffen, wenn ich nur wollte, aber das will ich nicht. Ich strenge mich an."

Genau in dem Moment beginnt ein neues Lied. Es passt zwar nicht ganz dazu, doch wir fangen nun an, einen Walzer zu tanzen. Ich muss sagen, er macht sich eigentlich ganz gut.

Während wir die Schrittfolge immer und immer wieder wiederholen, schauen wir uns die ganze Zeit in die Augen. Erst jetzt fällt mir auf, wie schön sie doch eigentlich sind.

Ich möchte es zwar nicht zugeben, aber es ist echt schön, mit Alex zu tanzen. Es war eine gute Entscheidung, hierher zu gehen.

Am liebsten würde ich noch Stunden so weitermachen, doch das Leben liebt mich ja so sehr...

"Kyla? Was machst du denn hier?"

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Das war also das erste Kapitel der Lesenacht. Ihr merkt vielleicht schon, es gibt etwas Drama 😋

Was meint ihr, was wird als nächstes passieren?

Natürlich werde ich nicht antworten, ob das so stimmt, aber mich würde mal interessieren, was ihr euch so vorstellt 😊

Das nächste Kapitel kommt um 20.45 Uhr❤

Internet Love | s.m.Where stories live. Discover now