Kapitel 41

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Erwartungsvoll blickt er mich an. In seinen Augen sehe ich Hoffnung. Hoffnung, dass ich mich wieder auf ihn einlasse und wir es erneut miteinander versuchen. Doch ich weiß, dass er mehr als nur Freundschaft mit mir möchte, und das kann ich ihm nicht bieten, so leid es mir auch tut.

"Shawn", ziehe ich seinen Namen in die Länge und setze ein bemitleidendes Gesicht auf. "Ich glaube, ich kann das nicht. Ich möchte dir nicht unnötig wehtun." Ich weiß nicht, wieso, aber plötzlich spüre ich, wie mir Tränen in die Augen schießen, und meine Sicht wird ganz verschwommen.

"Warum solltest du mir denn wehtun? Du bist die liebenswerteste Person, die ich je kennenlernen durfte", beteuert der Braunhaarige und kommt erneut auf mich zugelaufen. Nach dieser Aussage bekomme ich wirklich das Gefühl, gleich losheulen zu müssen. Die ganzen Schuldgefühle scheinen wieder hochzukommen.

Ich atme einmal tief durch, um mir ein kleines bisschen Mut zu machen. Dann spreche ich es schließlich aus: "Ich habe einen Freund." Ich fürchte mich vor seiner Reaktion, aber trotzdem bin ich froh, dass es raus ist. Vielleicht ist es jetzt verständlicher für ihn.

"Oh", ist das einzige, was er darauf von sich gibt. Ihm hat es wohl die Sprache verschlagen. Allerdings würde es mir vermutlich genauso ergehen, wenn ich in seiner Situation wäre. Obwohl die Zuschauer sich in den Tribünen angeregt unterhalten, nehme ich nichts mehr außer Shawn's leisen Atemzügen wahr. "Wow, damit hatte ich nicht gerechnet."

Seine Stimme trieft von Enttäuschung und das bricht mir fast das Herz. "Es tut mir wirklich unendlich leid", sage ich nur noch und drehe mich um. Ich weiß, dass es echt gemein von mir ist, ihn einfach da stehen zu lassen, aber im Moment gibt es für mich keine andere Lösung. Außerdem fängt das zweite Viertel in wenigen Augenblicken an.

Nachdem ich vier Schritte gegangen bin, höre ich jedoch ein Geräusch, das nicht gerade schön klingt. Als ob jemand einem eine geklatscht hätte oder so ähnlich. Und nach einem weiteren Blick, den ich auf Shawn werfe, merke ich, dass er mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Wand gelehnt auf dem Boden sitzt. Womöglich ist er gegen sie gekracht.

Doch das ist es nicht, was mir im nächsten Moment Sorgen bereitet. Ich bin schon oft auf eine Wand geknallt und es hat mir auch nichts ausgemacht. Mich beunruhigt es eher, dass er plötzlich so schnell und oft nach Luft schnappt. Bis gerade eben ging es ihm doch noch gut. Was hat er denn auf einmal?

Zwar wollte ich zurück zu meinem Platz auf der Tribüne, aber ich kann ihn ja schlecht in dieser Situation alleine lassen, weshalb ich mich schnell vor ihn hinknie. "Alles in Ordnung?", erkundige ich mich und bereue es sofort wieder. Natürlich ist nicht alles in Ordnung, das ist doch offensichtlich.

Wie vermutet, schüttelt Shawn seinen Kopf, worauf ich an seine Stirn fasse, die nass vor Schweiß ist. Zusätzlich fängt er auch noch an zu zittern, was mir jetzt wirklich Angst macht. Vor ein paar Minuten war alles noch normal und nun geht es ihm so schlecht. Ich bin tatsächlich kurz davor, mein Handy herauszuholen und einen Krankenwagen zu rufen.

"Alle hassen mich", murmelt er dann, obwohl er wirklich unter Atemnot leidet - er droht wirklich zu hyperventilieren -, und verliert eine kleine Träne. Das bringt mich dermaßen aus der Fassung, dass ich ihn eine ganze Weile geschockt ansehe. Ich dachte, als Star hätte er ein nahezu perfektes Leben, doch anscheinend hat auch er zu kämpfen.

Gerade als er seinen Kopf zwischen seinen Knien vergraben will, packe ich ihn an den Schultern und ziehe ihn an mich, um ihn ganz fest zu drücken. "Das stimmt nicht, Shawn. Niemand hasst dich", rede ich ihm ruhig zu. "Ganz im Gegenteil. So wie ich es im Internet gelesen habe, feiern deine Fans dich und deine Musik. Also bitte sag das nicht noch einmal."

"Aber ich mache immer alles falsch. Du bist doch das beste Beispiel", entgegnet er. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Um ehrlich zu sein, hat er recht, aber das kann ich ja schlecht bringen. Das würde alles nur noch schlimmer machen. Dennoch möchte ich, dass er aufhört, so von sich zu reden.

"Shhh", mache ich deswegen und male kleine Kreise auf seinen Rücken. Als Antwort darauf schlingt er ebenfalls seine Arme um meinen Körper und legt sein Kinn auf meiner Schulter ab. So innig waren wir noch nie und nach der Funkstille fühlt es sich doch etwas komisch an. Allerdings auf keinen Fall falsch.

Folglich halte ich Shawn so lange in meinen Armen, bis er sich endlich einigermaßen beruhigt hat. Sein Atem hat sich bereits seit ein paar Minuten wieder normalisiert, doch ich wollte ihn nicht loslassen, um ihm das Gefühl zu geben, nicht alleine zu sein. Das zweite Viertel hat schon längst begonnen, was mir jedoch herzlich egal ist.

Als wir uns voneinander lösen, schaue ich ihm zuerst ins Gesicht. Er sieht ziemlich fertig aus und seine Augen sind noch leicht rot. "Gott, hast du mir einen Schrecken eingejagt. Bitte mach das nicht nochmal", sage ich und meine es wirklich ernst. "Ein zweites Mal mache ich bestimmt nicht mehr durch."

"Wenn das mal so einfach wäre", flüstert der Junge. "Ich kann meine Panikattacken leider nicht kontrollieren." Er leidet auch darunter? Kurz vor unseren Abschlussprüfungen habe ich erfahren, dass ein Mädchen aus meiner Klasse öfters eine solche Attacke hat, und mich dann darüber informiert. Bis vor ein paar Minuten war ich allerdings noch nie bei einer dabei.

"Oh", gebe ich nur von mir. Ich traue mich kaum zu fragen, doch ich muss es einfach wissen. "Hast du sie wegen mir bekommen? War ich der Auslöser?" Ob mir seine Antwort gefallen wird, ist eine andere Sache.

Er zuckt mit den Schultern und macht ein unwissendes Gesicht, was ich definitv als Ja deute. Erst habe ich ewig nicht mit ihm geschrieben und dann erzähle ich ihm, dass ich einen Freund habe. Ich schätze, das ist ihm doch ziemlich nahe gegangen. "Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es tut mir wirklich so leid."

"Schon gut", meint Shawn, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist. Es ist nicht gut, dass er wegen mir gerade eine Panikattacke hatte. Hätte ich mich vorhin nicht so auffällig verhalten, wäre er mir nicht gefolgt und das alles wäre nicht passiert. "Können wir ein bisschen an die frische Luft und etwas spazieren?"

"Was?", frage ich ihn ein wenig überrumpelt, weil ich ganz und gar nicht mit dieser Frage gerechnet habe. "Hör zu, eigentlich bin ich wegen meinem Freund hier. Er ist Teil des Teams und wir wollen uns nach dem Spiel treffen. Ich möchte nicht, dass er im ganzen Studio nach mir suchen muss."

"Nur ganz kurz. Bis zum Ende des Spiels sind wir wieder da", versichert er mir und stützt sich mit den Händen an der Wand ab, um aufzustehen. "Bitte." Dazu hält er mir noch seine Hand hin und wartet auf irgendeine Reaktion meinerseits.

Es kann ja nicht schaden, ein paar Minuten mit ihm rauszugehen. Deshalb sage ich: "Na gut", und lasse mich von ihm hochziehen.

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Oh man, das war eine schwere Geburt. Zumindest für mich, denn ich hab echt ewig gebraucht, dieses Kapitel zu schreiben, und es ist mir auch nicht leicht gefallen😅

Ich hoffe, es ist wenigstens nicht ganz so scheiße geworden🙊

Internet Love | s.m.Where stories live. Discover now