Kapitel 68

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"Jetzt erzählt mal, wie habt ihr euch kennengelernt?", möchte meine Mom von Shawn und mir wissen, als wir drei zusammen mit meinem Dad auf der Couch sitzen. Da wir sowieso nichts besseres zu tun haben und sehnsüchtig auf das Abendessen warten, werde ich ihr nun die komplette Wahrheit mit allen Details erzählen.

"Jedenfalls nicht so, wie ihr euch es wahrscheinlich vorstellt", beginne ich, drehe meinen Kopf zu Shawn, der neben mir sitzt und seine Hand auf meinem Schoß liegen hat, und grinse ihn an.

"Na ja, nachdem so gut wie jeder meiner prominenten Freunde und dann sogar meine Schwester einen Partner gefunden hat und ich immer noch nicht die Richtige gefunden habe, war ich etwas verzweifelt und hab mich bei einer Dating-Website angemeldet", springt der Braunhaarige für mich ein.

"Ja und Lori hat mich eben genau da auch angemeldet", fahre ich mit etwas leiserer Stimme fort. "Ich wusste, dass ihr es nicht gerne habt, wenn ich mich irgendwo anmelde. Deswegen hab ich es euch auch nicht gesagt. Eigentlich wollte ich mich schon wieder abmelden, aber dann bin ich auf Shawn gestoßen."

"Ich hab ihr extra nicht gesagt, wer ich bin, damit ich mir sicher sein kann, dass sie nicht den Star in mir mag, sondern wirklich mich. Dabei hätte ich ihr meinen ganzen Namen sagen können und sie hätte immer noch nicht gewusst, wer ich bin", lacht er. Ich schaue jedoch zu Boden, weil ich mich mittlerweile dafür schäme.

Abwechselnd sprechen wir weiter, bis wir an der Stelle angekommen sind, als ich herausgefunden habe, wer er ist, und mit Alex zusammen gekommen bin. Man merkt Shawn deutlich an, dass er nicht gerade zufrieden mit diesem Kapitel unserer Geschichte ist. Doch zu seinem Glück meldet sich in diesem Augenblick der Herd, in dem sich die Lasagne befindet.

Sofort erheben wir uns von der Couch und setzen uns an den Tisch, wohingegen meine Eltern den Tisch decken. Normalerweise hätte ich ja geholfen, aber Mom meinte, dass das heute nicht nötig wäre. Also warten wir noch, bis wir alle sitzen, und lächeln uns gegenseitig an.

"Ich frage mich, wie es Brian so geht", sagt Shawn auf einmal, ohne dass wir seinen Kumpel vorher erwähnt haben. "Es ist echt komisch, dass er mit mir gereist ist, ich aber den halben Tag nichts mehr von ihm gehört habe."

"Ich bin mir sicher, dass es ihm gut geht. Allein schon die Tatsache, dass er sich nicht meldet, bedeutet doch, dass er sich wahrscheinlich wohl fühlt und keine Hilfe oder so braucht", sage ich und strecke meinen Arm aus, un nach seiner Hand zu greifen und sie zu drücken.

Jedoch ziehe ich meinen Arm schnell wieder zu mir zurück, da Mom mit der Lasagne kommt und sie in der Mitte des Tisches abstellt. Sie duftet wirklich herrlich und ich kann es kaum erwarten, sie zu essen, weswegen ich mir schon eine ganze Ladung auf den Teller mache. "Du und Lasagne sind ja wie ich und Muffins", lacht Shawn darauf und steckt mich damit an.

"Hey, nach unserer Rettungsaktion heute hab ich mir das verdient!", verteidige ich mich und nehme einen Bissen in den Mund. Inzwischen sitzen wir alle vier am Tisch und die anderen tun es mir gleich.

Normalerweise blicke ich immer ins Leere, wenn ich geradeaus schaue, doch heute sitzt Shawn dort und bietet mir einen wirklich schönen Ausblick. Das hat zur Folge, dass ich meine volle Aufmerksamkeit ihm gehört und nicht darauf achte, was ich mit meinem Essen anstelle. Und so fällt die Lasagne von der Gabel herunter und landet natürlich - wie sollte es auch sonst anders sein? - neben dem Teller.

Ich hole mir ein Küchenpapier, um die Sauerei wegzuwischen, und setze mich wieder hin. Allerdings ist die Stimmung nicht mehr so ausgelassen, sondern eher ernst, als Dad seine Stimme erhebt: "Es gibt da etwas, was ich euch erzählen sollte."

"Mein Chef hat mir heute auf der Arbeit ein Angebot gemacht", fängt er an. "Er meinte, dass ich einer seiner besten Angestellten sei, und möchte mich gerne befördern. Das würde also einen höheren Lohn bedeuten. Nur blöderweise auch einen Umzug..."

Wir müssen London verlassen? Na ja, nicht zwingend, er hat sich anscheinend noch nicht entschieden, ob er das Angebot annimmt. Doch ich kenne meinen Dad, er wird so etwas bestimmt nicht ausschlagen. Und einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.

"Wohin müssten wir denn dann ziehen?", frage ich fast flüsternd, weil ich die Nachricht erst einmal verdauen muss. Dabei entgeht mir Shawn's bemitleidender Blick nicht.

Ich habe quasi mit allem gerechnet - Australien, Argentinien, ja sogar China -, aber nicht mit seiner tatsächlichen Antwort. "Kanada. Um genau zu sein, Toronto", sagt er und ich frage mich, ob ich richtig gehört habe. Meinem Gegenüber geht es wohl genauso, weil er sehr überrascht aussieht. Doch seinem Gesichtsausdruck kann man noch etwas anderes entnehmen: Hoffnung.

Ich wusste zwar, dass das Problem irgendwann auf mich zukommen würde, denn immer zwischen England und Kanada hin- und herzupendeln, ist keine dauerhafte Lösung, um den Kontakt mit Shawn aufrechtzuerhalten. Aber ich lebe schon seit meiner Geburt in England und mich nun komplett von meiner Heimat und von meinen Freunden, von Lori, zu verabschieden, ist praktisch unvorstellbar.

"Wir haben knapp eine Woche Zeit, um uns zu entscheiden", hängt Dad noch an, womit das Thema vorerst beendet ist. Danach essen wir zu Ende, allerdings ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

Als der Tisch abgeräumt ist, beschließen Shawn und ich, nach oben zu gehen. Er setzt sich mit dem Rücken an die Wand auf mein Bett und ich lege mich hin und lege meinen Kopf auf seinem Schoß ab. Statt ihn anzugucken, starre ich jedoch an die Decke, was er sofort bemerkt.

"Wie denkst du über das Angebot?", fragt er und streicht mir über meine Stirn. Nach ein paar Sekunden, in denen ich nichts von mir gebe, schiebt er nach: "Ich kann verstehen, wenn du jetzt nicht darüber reden möchtest. Du musst also nichts sagen."

"Nein, ist schon okay", entgegne ich ihm und setze mich auf. "Weißt du, eigentlich könnte es gar keine bessere Lösung geben. Ich meine, Dad bekommt mehr Geld, ich könnte Alex öfter sehen und, was am allerwichtigsten ist, ich könnte jederzeit bei dir sein, ohne dass ich meine Familie zurücklassen muss. Aber ich möchte Lori nicht verlassen und sie zu fragen, ob sie mit uns kommt, wäre zu viel verlangt."

"Ich würde mir zwar so sehr wünschen, dass du mit mir nach Toronto kommst, aber ich möchte nicht der Grund sein, warum eure Freundschaft zerbricht. Also denk nicht an mich, wenn du dich entscheidest", wispert er und schüttelt leicht seinen Kopf. "Hör auf dein Herz."

Kurz lasse ich mir seine Aussage durch den Kopf gehen und fasse einen Entschluss. "Mein Herz sagt, dass es bei dir sein möchte, denn du hast es gestohlen. Ich kann nicht ohne dich sein. Und Lori und ich haben schon einmal eine Krise überstanden, dann schaffen wir das auch. Irgendwie."

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Das war also das erste Kapitel der Lesenacht heute. Ich hoffe, euch hat es gefallen😊

Tatsächlich sind die Kapitel heute etwas anders und das nicht nur, weil sie etwas länger als sonst sind. Ihr werdet dann schon wissen, was ich meine🙈

Jedenfalls wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen und bis in einer Dreiviertelstunde❤️

Internet Love | s.m.Where stories live. Discover now