Kapitel 42

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Außerhalb des Stadions findet sich keine Menschenseele, es sind nur Shawn und ich. Alle anderen schauen logischerweise dem Spiel zu, was ich eigentlich auch machen wollte. Aber ich bin der Grund für Shawn's Panikattacke - ich wollte mich von ihm fernhalten, damit ich ihn nicht verletze, und jetzt ist genau das Gegenteil passiert.

"Du und dein Freund", fängt der Braunhaarige plötzlich an, nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe. Es kommt wie aus dem Nichts und ich hätte nicht damit gerechnet, dass er das Thema von selbst noch einmal anspricht. "Wie lange seid ihr schon... zusammen?"

"Seit ungefähr zwei Monaten", antworte ich zögernd, weil ich erstens kurz überlegen musste und mich zweitens gefragt habe, ob es wirklich gut ist, mit ihm über Alex zu reden. Jedoch hat er damit angefangen und vielleicht kann er es so ja auch verarbeiten. "Es fühlt sich nur nicht so an, weil wir uns kaum sehen."

"Das Gefühl ist beschissen, das kenne ich nur zu gut", bemerkt Shawn und sieht zu Boden. "Ich liebe meinen Beruf, aber leider sehe ich meine Familie dadurch nicht so oft. Das letzte Mal, dass ich sie besuchen konnte, war tatsächlich vor unserem ersten Treffen."

"Hast du mich deshalb gefragt, ob wir zu deinen Eltern wollen? Hast du gehofft, sie so endlich wieder zu sehen?", möchte ich wissen. Damals fand ich das ja schon etwas überstürzt, doch heute erscheint es mir plausibel. Und irgendwie tut es mir auf einmal leid, abgelehnt zu haben.

"Auch", meint er und schaut mir nun direkt in die Augen. "Aber der eigentliche Grund war, dass mir schnell etwas einfallen musste. Ich hatte vermutet, dass du mich erkennst, und deswegen einen Ausflug ins Tonstudio geplant. Nur hast du mich eben nicht erkannt und den Rest kennst du ja."

Ich nicke. Mittlerweile habe ich es akzeptiert, dass er sein Starleben vor mir geheim halten wollte. Und irgendwie ist es auch blöd von mir, dass ich noch nie etwas von Shawn Mendes gehört habe. Ich meine, ich achte einfach nicht auf Songtitel und Interpreten, aber er ist doch ganz schön bekannt, wie ich mitbekommen habe. Das heißt, zum Teil bin ich selbst schuld.

"Können wir ein bisschen durch die Gegend laufen? Einmal um's Stadion herum?", kommt es nach einer Weile von dem Braunhaarigen. Obwohl ich eigentlich echt keine Lust habe, mich sportlich zu betätigen, und es doch eine betrachtliche Strecke ist, denke ich, dass es eine gute Idee ist.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich die Gespräche mit ihm sogar vermisst, das merke ich im Moment. Auch wenn die bisherigen Themen noch nicht besonders erfreulich waren, beruhigt es mich in irgendeiner Weise, mit ihm zu reden. Ich will jetzt nicht zu meinem Platz auf der Tribüne gehen.

Also sage ich: "Klar, solange wir keinen Sprint hinlegen müssen", und entlocke ihm damit ein Lachen. Es tut gut, ihn lachen zu hören, besonders nach dem Vorfall vor ein paar Minuten, und bringt mich selbst ebenso zum Grinsen. Heute Morgen hätte ich noch niemals damit gerechnet, wieder Spaß mit Shawn zu haben.

Langsam setzen wir uns in Bewegung. Und das meine ich wirklich ernst, denn er muss mir eine kleine Starthilfe geben, indem er nach meiner Hand greift und mich zieht. Leicht überrascht starre ich auf mein Handgelenk und überlege, ob ich es ihm entziehen soll oder nicht.

Wenn Alex das sehen würde, wäre er sicher nicht sonderlich begeistert. Aus diesem Grund sollte es sich falsch anfühlen, doch das tut es irgendwie nicht. Außerdem ist er gerade mitten im Spiel und wird nichts davon mitbekommen. Deshalb lasse ich Shawn machen.

"Was ging bei dir eigentlich so in den letzten zwei Monaten ab?", erkundigt er sich im nächsten Moment. Inzwischen kann ich alleine laufen, aber er geht immer noch direkt neben mir her. "Ich konnte dich ja nicht mehr danach fragen."

"Öhm, gar nicht so viel", fange ich an. Selbstverständlich stimmt das nicht, doch ihn ein bisschen zu veräppeln, schadet auch nicht. "Meine beste Freundin war halt ein paar Mal bei mir und sonst hab ich noch mit meinem", ich mache eine kurze Pause, "Freund geschrieben. Ach und dann hab ich noch meinen Abschluss gemacht."

"Und das nennst du nicht viel?", ruft er beinahe aus und positioniert sich vor mich. Dabei berührt er mich schon wieder an der Schulter, doch ich mache nichts dagegen. "Das ist wirklich toll! Herzlichen Glückwunsch!"

"Danke", lache ich etwas verlegen. Zwar darf man so etwas immer mal wieder erwähnen, aber ich prahle nicht besonders gerne mit meinen Leistungen, weswegen ich nicht allzu sehr ins Detail gehen möchte.

Zumal das nicht einmal möglich wäre. Genau in diesem Augenblick ertönt nämlich ein Schrei hinter uns, der eindeutig von einem Mädchen stammt. Als auch ich mich umdrehe, sehe ich eine etwa 13-Jährige auf uns zukommen. Oh man, das ist sicher ein Fan.

"Shawn, oh mein Gott!", kreischt sie und das so laut, dass ich mir fast die Ohren zuhalten muss. Wenn sie so weitermacht, werden noch mehr auf uns aufmerksam. "Wie krass, dass ich dich hier treffe!"

"Hey, Honey", grüßt Shawn sie ganz gelassen, obwohl ich sie, wenn ich meinen Mund öffnen würde, wahrscheinlich anschnauzen würde. So ein Rumgetue kann ich auf Zeit gar nicht gebrauchen.

"Können wir vielleicht ein Foto machen?", fragt das Mädchen den Sänger mit einer zuckersüßen Stimme. Natürlich erfüllt er ihren Wunsch, wobei sie fast ausrastet, weil ihr Arm seinen berührt. Zum Schluss bedankt sie sich noch bei ihm und verschwindet dann wieder.

"Das ist genau der Grund, warum ich nicht mit dir zusammen sein könnte. Ich will nicht ständig von Fans gestört werden", erkläre ich Shawn und schaue ihn bedrückt an. Eigentlich wollte ich nicht mehr darüber reden, doch das konnte ich mir nicht verkneifen.

"Verstehe", sagt er nur und nickt, den Blick von mir abgewendet. Damit ist dieses Thema auch schon wieder beendet und eine unangenehme Stille tritt ein.

Nachdem wir unseren Lauf eine Weile fortgesetzt haben, kommt mir ein Gedanke. Egal, wie sehr ich versucht habe, Shawn zu vergessen, immer bin ich an ihn erinnert worden, bis wir uns heute sogar getroffen haben. Das kann nicht nur Zufall sein, nein, es ist Schicksal.

Das und die Tatsache, dass ich es doch sehr vermisse, mich mit ihm zu unterhalten, veranlasst mich, folgende Entscheidung zu treffen. Ich werde ihn nicht mehr ignorieren. Zwar bedeutet das, dass ich Alex doch noch von ihm erzählen muss, aber das ist es mir wert.

"Shawn, warte mal kurz und gib mir dein Handy", meine ich, worauf er mich mit in Falten gelegter Stirn ansieht. "Ich geb dir schnell meine Nummer."

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Na, habt ihr mich vermisst?😜

Okay, ich war ja nicht komplett weg, denn ich habe drei Kapitel bei Two more wishes hochgeladen, aber das ist tatsächlich das erste Kapitel, das ich seit München wirklich neu geschrieben habe😅

Übrigens vielen Dank für 5k❤️

Internet Love | s.m.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt