Kapitel 57

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Ich kann nicht fassen, was ich da gerade im Fernsehen gesehen habe. Warum kommt Shawn mit mir zusammen und dann taucht zwei Tage später so ein Bild auf? Das passt gar nicht zu ihm, aber überhaupt nicht.

Andrew hat das Bild gepostet, also steckt er wohl dahinter. Vielleicht möchte er ja gerade damit erreichen, dass die Beziehung in die Brüche geht. Ich will nicht sagen, dass er sein Ziel erreicht hat, aber irgendetwas hat er auf jeden Fall bei mir ausgelöst.

Enttäuschung, Trauer, sogar etwas Wut - und ja, ich gebe es zu, auch ein wenig Eifersucht. Vor allem wegen Shawn's Blick. Wie kann er dieses Mädchen nur so ansehen? Ich dachte, für ihn gäbe es nur mich...

Auf einmal spüre ich, wie sich eine Träne auf den Weg meine Wange herunter macht. Ich habe gar nicht bemerkt, dass meine Augen feucht geworden sind, habe nur wie ein Zombie auf den Bildschirm gestarrt und dennoch nicht bemerkt, um was es ging.

Ich schüttele schnell meinen Kopf, um wieder zurück in die Realität zu gelangen. Mittlerweile ist die Rede von einem älteren Schauspieler, der mich noch nie interessiert hat und es auch jetzt nicht tut. Also schalte ich den Fernseher wieder aus.

Wie gerne ich in dem Moment mit Lori darüber reden würde. Sie wüsste bestimmt, wie sich mich aufmuntern kann. Allerdings habe ich ihr noch nicht einmal erzählt, dass wir uns am Sonntag geküsst haben, und ich denke, das alles jetzt nachzuholen, wäre zu viel für mich.

"Was soll das bloß, Shawn?", flüstere ich einfach vor mich hin. "Ich kann mich doch nicht so in dir getäuscht haben. Oder?" Ich hoffe jedenfalls nicht. Wenn herauskommen würde, dass er mir alles nur für sein Vergnügen vorgespielt hat, dann... Ich habe keine Ahnung, was ich tun würde.

Meine Gefühle spielen ein erneutes Mal verrückt und nun scheint die Wut Oberhand zu gewinnen. "Tja, wenn du es nicht für nötig hältst, mich über andere Frauen zu informieren, muss ich dir wohl kaum sagen, dass ich morgen wieder nach London fliege."

Mir ist durchaus bewusst, dass ich ihm einige Dinge vorwerfe, die nicht einmal stimmen müssen, und es wirklich unfair gegenüber ist, aber ich bin doch ziemlich verletzt und brauche erst einmal Zeit, um das zu verarbeiten, bevor ich ihm wieder unter die Augen trete. Danach können und müssen wir über diese Angelegenheit sprechen.

Um mich ein bisschen abzulenken, gehe ich tatsächlich in den Raum, in dem Alex sein Laufband stehen hat. Ich kann selbst gar nicht glauben, dass ich freiwillig schwitze, doch das ist wahrscheinlich die einzige Tätigkeit, bei der ich nicht ständig an Shawn und dieses Mädchen denken muss.

Also binde ich meine Haare mit dem Haargummi, das ich zurzeit sehr oft an meinem rechten Handgelenk trage, zusammen und lasse Musik von meinem Handy laufen. Darauf laufe ich so lange, bis ich die Wohnungstür aufgehen höre. Danach gehe ich ins Badezimmer, wodurch natürlich wieder Erinnerungen aufkommen, und stelle mich unter die Dusche.

Als ich später mit geflochtenen Haaren - ich habe keine Lust, sie zu föhnen, weswegen ich es lieber auf die Art löse - und mit meinem Schlafanzug bekleidet ins Wohnzimmer komme, sieht mich Alex verwirrt an.

"Willst du etwa schon schlafen gehen? Wir haben noch nicht einmal zu Abend gegessen", sagt er und sein Blick wechselt zu besorgt über. "Geht es dir nicht gut?"

"Doch, ich hab nur keinen Hunger. Außerdem muss ich morgen ziemlich früh raus, weswegen ich dachte, ich sollte lieber so viel Schlaf wie möglich abbekommen", erkläre ich. "Mach dir keine Sorgen."

Nachdem der Blonde verständnisvoll genickt und wir uns gegenseitig eine gute Nacht gewünscht haben, mache ich mich bettfertig und lege mich hin.

***

"Alex, gehst du an die Tür? Ist immerhin deine Wohnung", rufe ich laut, als die Klingel ertönt und ich gerade dabei bin, meine Haare zu kämmen.

"Geht gerade nicht, bin beschäftigt!", kommt von ihm zurück, was mich genervt die Augen verdrehen lässt. Immer muss man alles selber machen. Es wird doch sowieso jemand für ihn sein.

Nichtsdestotrotz lege ich die Bürste geräuschvoll ab und stürme über den Gang ins Wohnzimmer, wo sich auch die Tür befindet. Ich mache mich schon bereit, einen von Alex' Teamkollegen oder so anzutreffen.

Aber das tue ich nicht. Ganz im Gegenteil, der Besuch ist sogar für mich.

"Hey, Kyla", begrüßt mich Shawn, der seinen Arm um seine Begleitung gelegt hat. Und mit Begleitung meine ich dieses Mädchen auf dem Bild. Dieses Mal trägt sie ein bauchfreies Top und eine so kurze Hose, wie ich sie noch nie gesehen habe.

"Was macht ihr hier?", frage ich in einem abwertenden Tonfall. Ich wollte von Shawn Abstand halten und dann kommt er auch noch mit ihr angetanzt. Was fällt ihm ein?

"Ich möchte dir meine neue Freundin vorstellen", fängt der Braunhaarige an und dreht sich zu ihr, um sie anzulächeln. Ich könnte jetzt schon kotzen. Dabei geht es noch schlimmer.

"Hör zu", fährt er fort. "Es tut mir leid, wie die Dinge sich entwickelt haben, aber als ich mich mit Andrew getroffen habe, habe ich sie kennengelernt und schnell gemerkt, dass sie es einfach mehr bringt."

Wie bitte? Das hat er jetzt nicht ernsthaft gesagt, oder?

"Außerdem wohnt sie hier in Toronto, was es deutlich einfacher macht. Wir hätten die meiste Zeit eine Fernbeziehung führen müssen und das wäre früher oder später doch eh gescheitert."

Und dann, ohne jegliche Vorwarnung, küsst er dieses Mädchen einfach...

Genau zum richtigen Zeitpunkt reißt mich mein Wecker aus dem Schlaf. Noch nie war ich so froh, aufstehen und nicht mehr träumen zu müssen.

Nachdem mich etwas beruhigt habe, schlüpfe ich unter der Decke hervor und gehe ins Esszimmer, um mich mit einer Schüssel Müsli an den Tisch zu setzen. In dem Moment kommt Alex dazu.

"Guten Morgen", grüßt er fröhlich. Anscheinend ist er schon vor einer ganzen Weile aufgestanden, denn wie meine Mutter braucht auch er seine Zeit, um richtig wach zu werden. "Gut geschlafen?"

"Ehrlich gesagt, nein", gebe ich zu. "Hatte einen Albtraum. Das erste Mal seit Jahren." Nach dieser Nacht denke ich, dass die Sache mich etwas mehr mitnimmt, als ich es gestern angenommen habe.

Jedoch lassen wir das Thema schnell hinter uns und ich esse zu Ende, damit ich mich fertig richten kann. Danach packe ich die letzten Dinge in meinen Koffer und bin eigentlich bereit zu gehen. Doch ich habe Angst davor.

Es ist nicht die Angst, die Wohnung nie wieder sehen zu können, denn ich bin mir sicher, dass ich Alex noch einmal besuchen komme. Es ist eher die Angst, dass Shawn und das Mädchen vor der Tür stehen könnten. Ich weiß, das war nur ein Traum, aber es lässt mich nicht los.

"Können wir?", erkundigt sich der Junge. "Wir sollten langsam zum Flughafen, wenn du deinen Flieger noch erwischen willst."

Ich nicke. Und so setzen wir uns in Bewegung und öffnen die Tür.

Kein Shawn und kein Mädchen.

Internet Love | s.m.Where stories live. Discover now