Kapitel 27

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Ich weiß nicht, wie uns das gelungen ist, aber irgendwie haben wir es geschafft, die Stimmung wieder zu lockern. Als ich nicht mehr ganz so platt war, hat mir Shawn schließlich die ganze Wohnung gezeigt. Sie sieht echt toll aus, aber wenn ich ehrlich bin, könnte ich nicht alleine dort leben. Mit der Zeit würde ich mich einsam fühlen, so ganz ohne Gesellschaft.

Es haben sich mir auch immer wieder weitere Fragen bezüglich Shawn's Leben gestellt, doch die habe ich alle nicht laut ausgesprochen, damit ich nicht noch vor dem Abendessen verschwinden muss, weil wir uns zoffen.

Inzwischen habe ich gemerkt, dass ich zunächst ziemlich naiv war. Es kann nicht alles wie im Märchen laufen. Doch nun mache ich mir ständig sorgen, dass ich dem Braunhaarigen auf die Nerven gehe oder ähnliches, obwohl es völlig normal ist, sich hin und wieder zu streiten. Irgendwie bin ich gerade total durcheinander.

Jedenfalls wird es jetzt etwas dunkler und der Mond lässt sich langsam blicken. Und auch Shawn's Magen macht sich bemerkbar, was mich leicht kichern lässt. Ich hingegen verspüre noch keinen Hunger. Viel lieber bleibe ich noch länger auf dem Balkon und genieße die Aussicht.

"Ich könnte so langsam was vertragen", meint er schmunzelnd. "Sollen wir schon einmal aufbrechen? Das Restaurant, in das ich gehen würde, ist gut braucht immer etwas länger, aber dafür lohnt es sich wirklich. Deswegen ist es, glaube ich, besser, wenn wir etwas früher da sind."

"Weißt du, eigentlich müssen wir gar nicht in ein Restaurant gehen", gebe ich dann zu. "Ich finde es hier viel gemütlicher. Und warum sollten wir aufstehen und eine Menge an Geld zahlen, wenn wir uns einfach eine Pizza bestellen können? Wenn du eine Kerze und ein Feuerzeug oder Streichhölzer hast, haben wir doch unser Candle-Light-Dinner."

Damit entlocke ich Shawn ein Lachen, welches wie Musik für meine Ohren ist. "Ich denke, das müsste ich noch hier haben", vermutet er. "Das Geld wäre zwar kein Problem für mich, ich hätte auch für dich gezahlt, aber es ist tatsächlich bequemer, eine Pizza kommen zu lassen."

Und da ist dieses Thema; das Bezahlen. Auch wenn er bei einer solchen Wohnung einiges an Geld zu besitzen scheint, möchte ich nicht, dass er so viel für mich ausgibt. Doch weil daraus wieder eine Diskussion entstehen könnte, halte ich meinen Mund.

Demnach holt er sein Handy, wählt die Nummer des Pizzaservices und bestellt eine Familienpizza. Natürlich sind wir nur zwei Personen, doch ich werde auch ziemlich Hunger haben, wenn der Lieferant endlich ankommt. Und selbst wenn wir es nicht schaffen, kann man den Rest am nächsten Tag noch einmal warm machen.

Solange wir warten müssen, beschäftige ich mich ebenfalls mit meinem Handy. Immerhin habe ich es das letzte Mal vor dem Picknick angefasst. Lori hat mir bestimmt schon eine Nachricht geschickt. Und tatsächlich.

Oh mein Gott, ich bin fast so aufgeregt wie du! Du musst mir dann auf jeden Fall alles erzählen. Ich will jedes einzelne Detail wissen😜

Lächelnd schüttele ich meinen Kopf. Zwar habe ich allen Grund dazu, ihrem Wunsch nicht nachzukommen, weil sie mir ja auch nichts von Noah erzählt hat, doch so nachtragend bin ich auch nicht.

"Hey", ziehe ich die Aufmerksamkeit des Jungen auf mich. "Wie wäre es, wenn wir schnell ein Foto machen? Ich habe so lange auf diesen Moment gewartet und muss ihn einfach festhalten. Oder willst du etwa, dass ich mich später nicht mehr an dein Aussehen erinnern kann?" Mit meinem Mund forme ich ein großes O.

"Nein, natürlich nicht!", ruft er darauf aus. "Aber muss das wirklich sein? Dein Gedächtnis kann doch nicht so schlecht sein." Er klingt nicht begeistert von der Idee, was mir erneut Fragen aufwirft. Ich werde einfach nicht schlau aus ihm. Warum verhält er sich jetzt so komisch?

Im nächsten Moment kommt das Kind in mir heraus und ich knie mich vor ihn, was meinen Beinen nicht besonders gut tut, da der Steinboden auf dem Balkon doch ziemlich hart ist. "Ach, komm schon, nur eins!", bettele ich schon fast. Dabei habe ich meine Hände auf seine Oberschenkel gelegt, was mir danach ein bisschen unangenehm wird. Jetzt ist der Teenager, der noch nie wirklich Kontakt mit Jungs hatte, wieder da.

Schnell nehme ich meine Hände weg, stehe auf und räuspere mich. Ich weiß, dass Shawn meine Aktion nicht entgangen ist, denn seine Augen waren auf meinen Händen und er schien sich wieder etwas anzuspannen, doch glücklicherweise lässt er dies unkommentiert.

Stattdessen meint er: "Na gut, eines. Aber versprich mir, es nicht auf Social Media zu posten." Schade. Meine Klassenkameraden würden bestimmt neidisch werden, wenn sie mich mit einem so heißen Typen sehen. Dennoch nicke ich.

Und dann schalte ich die Kamera ein und wir machen wirklich ein Bild. Ich lehne mich dazu leicht an seine Schulter, während ihm eine braune Locke ins Gesicht fällt. Wir beide lächeln und das Bild könnte nicht schöner sein. Dafür bedanke ich mich schließlich.

Ein paar Minuten später klingelt es auch schon - der Pizzaservice ist wohl schneller als erwartet. "Bleib du ruhig hier. Ich hole die Pizza", sagt Shawn, holt schnell sein Portemonnaie und eilt an die Wohnungstür.

Allerdings kommt er nicht nur mit der Schachtel zurück, sondern trägt tatsächlich ein kleines Teelicht mit sich. Es ist zwar anders, als ich es mir gestern vorgestellt habe, aber er hält sein Versprechen. Wir essen bei einem Candle-Light-Dinner.

Welches nebenbei sehr chaotisch ist. Da wir uns teilweise gegenseitig füttern und der andere zu lange zum Abbeißen braucht, fällt immer wieder etwas Belag auf den Boden. Auch wenn das hinterher Arbeit für den Braunhaarigen gibt, denke ich, sind das die schönsten Augenblicke an unserem gemeinsamen Tag.

Als wir mit dem Essen fertig sind, fällt mir auf, dass ich so langsam ins Hotel zurück gehen sollte. Alex macht sich bestimmt schon Sorgen. Wobei ich ihm eigentlich einen Zettel geschrieben habe. Im Gegensatz zu ihm.

"Ich muss leider gehen", informiere ich Shawn, während ich aus dem Stuhl aufstehe. Wir beide wussten, dass dieser Moment kommen würde, aber wollten es nicht wahr haben.

"Oh", macht er deshalb nur. Ihm ist deutlich anzusehen, dass mich am liebsten noch länger bei sich behalten würde. Mir geht es ja genauso. Mich jetzt von ihm verabschieden zu müssen und ihn dann wahrscheinlich für eine Ewigkeit nicht mehr zu sehen, fällt mir schwer. "Wie kommst du zurück?"

"Ich kann mir ein Taxi nehmen", antworte ich, während er ebenfalls aufsteht und nickt. Langsam bewegen wir uns in Richtung Wohnungstür und stehen uns dann gegenüber.

"Auch wenn wir hier und da mal ein paar Schwierigkeiten hatten, war das einer der schönsten Tage seit Langem", verrät er, worauf ich grinsen muss.

"Das fand ich auch", stimme ich zu. "Irgendwie vermisse ich dich jetzt schon, dabei sind wir noch keinen Meter voneinander entfernt. Aber wir schreiben jeden Tag, okay?" Wenn ich mich jetzt nicht zusammenreiße, heule ich gleich.

Shawn nickt energisch und zieht mich in eine starke Umarmung. Doch mit dem, was danach kommt, hätte ich nicht gerechnet. Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Es fühlt sich schön an.

"Mach's gut", sagt er letztendlich und ich öffne seufzend die Tür, um die Wohnung und schließlich auch das ganze Gebäude zu verlassen und am Straßenrand nach einem Taxi zu suchen.

Internet Love | s.m.Where stories live. Discover now