27 - Matthias Green

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Als die Deadline und damit das Ende von Sirens Meeting näher kommt, beginne ich mir ernsthaft Sorgen zu machen.
Spaß.
Ich bin immer noch so satt und zufrieden von meiner illegalen Pizza, dass ich Däumchen drehe und auf die Puppies warte. Mit einer dezent grünen Gesichtsmaske auf der Haut sitze ich im Schneidersitz auf dem Dozentenpult des Vorlesungssaals und lese ein zerfleddertes Spiderman Comic Heft, das irgendjemand in der Cafeteria liegen gelassen hat. Vielleicht der kleine seltsame Rekrut namens Mouse?
Ich befeuchte meine Finger und blättere um, während neben mir ein Kaffee mit Schuss kalt wird.

Nachdem ich drei Nächte meinen Schönheitsschlaf geopfert habe, um genug ältere Rekruten mit meinem Titel oder illegalen Süßigkeiten zu bestechen, damit sie darauf achten, dass niemand stirbt, habe ich mir diese fünf Minuten Self-care wirklich verdient. Man will schließlich reine Haut haben, wenn man endlich gefeuert wird.

Grabsy baumelt an einem Kabel, das offensichtlich zur Lichtanlage der Bühne gehört, von der Decke und dreht sich dabei langsam immer wieder um sich selbst, während er meinen viel zu teuren grünen Smoothie trinkt und die Gurken futtert, die ich eigentlich auf meine Augen legen wollte.
Zwei Minuten vor der Deadline gehe ich pfeifend zum Waschbecken hinüber, um mir die Maske vom Gesicht zu waschen und bewundere dabei kurz meinen scharf gezeichneten Kiefer im Spiegel.

Ich kehre auf das Pult zurück und warte, während die dreitausend Rekruten nach und nach hereinschneien.
Stasya und die anderen Krankenpfleger, die ich dazu überreden konnte, sich meiner Sache anzuschließen, kommen ebenfalls in den Raum gefegt, um sich den diversen kleinen Blessuren zu widmen, die meine Puppies im Laufe des Spiels davongetragen haben. Jeder Kratzer bringt mich meinem Ruhestand als Ausbilder näher.
Obwohl hier und da Rekruten vor sich hin jammern, ist die Stimmung insgesamt sehr gut. Ich lasse meinen Blick über die Menge schweifen, während ich mein Taschenmesser zücke, um die immer noch fest vertäuten Teamkapitäne zu erlösen. Niemand hat es geschafft, seinen Anführer zu befreien, nicht viel anders als erwartet.

„War doch gar nicht so wild, Kumpel", meine ich und kappe den Kabelbinder.
Dann geht mir auf, dass mich der muskulöse und von Akne geplagte Typ gar nicht antworten kann, weil er immer noch geknebelt ist. Er reißt sich den Stoffstreifen vom Mund und wirft ihn auf die Bühne. Ich sehe die Wut in seinem Blick lodern. Ich lege den Kopf schief, gar nicht provokant, wie es eben meine Art ist und klebe mütterlich ein Pflaster mit Gänseblümchen Motiv auf den blutenden Kratzer an seiner Stirn. Eine wütende Ader pulsiert unter dem Gänseblümchen Pflaster. Wenn er mir doch nur an den Hals gehen könnte, ohne aus dem Militär zu fliegen und vielleicht sogar im Gefängnis zu landen.

„Wegtreten", erlöse ich ihn und freue mich schon diebisch auf die Beschwerde, die dieser Herr bei Siren einreichen wird.
Ich habe bewusst Entführte ausgesucht, die sich meinem Urteil nach trauen würden, mich bei ihr anzuschwärzen. Nur, falls die Generalin aus irgendeinem Grund nicht mitbekommen sollte, dass ich ihre ganze Grundschule gekidnappt habe. Nachdem ich eine ganze Schlange von Teamkapitänen befreit und mit meinen Helferchen aka „Tutoren für Außeneinsatztraining" gesprochen habe, sehe ich mich erneut stirnrunzelnd um. Zwar ist es unmöglich zu überprüfen, ob alle Rekruten wieder heil hier aufgeschlagen sind, aber solange noch zwei Team Kapitäne fehlen, kann die Gesellschaft gar nicht komplett sein.

Ricky, beinahe fertig ausgebildete Star Soldatin, muskulöse lesbische Schönheit mit einer Leidenschaft für das Boxen, meine rechte Hand bei dieser Aktion und von mir ernannte Wächterin der Videofeeds an Bord, wirft den Biemer an, klickt achtlos eine PowerPoint weg und beginnt auf meine Anweisung hin, ihre persönlichen Highlights des Tages zu zeigen. Ihr bissiger Kommentar zu den absolut unterirdischen Anschleichtechniken ist wunderbar unterhaltsam, doch ich bin zu abgelenkt damit, eine Nachricht an die fehlenden Teams zu senden.
Mit Katzen GIF, versteht sich.

Der blaue Teamkapitän mit den hässlichen Socken und Claras Boss, den ich persönlich an der Decke des Terrariums vertäut habe, fehlen. Außerdem empfange ich keine Signaturen vom Großteil des grünen Teams, obwohl Stasya gerade einen Eisbeutel auf eine Beule des grünen Klassensprechers drückt.
Clara fehlt ebenfalls, was die Sache noch bedenklicher macht.
Sie ist noch nie zu spät gekommen, selbst als ich ihr wegen ihren Krämpfen frei gegen habe.

„Und hier sehen wir ein paar Rekruten, die direkt in eine Falle laufen", schallt es aus den Lautsprechern, während ich mich erhebe, meinen wunderbaren Gehstock zur Hand nehmen und auf die Tür an der Seite des Podiums zusteuere.
Ich habe alle Rekruten gebeten, die Ortungsdienste ihrer DataWatches zu aktivieren, bevor ich sie aufeinander losgelassen habe. Im Gehen suche ich nach den Signaturen der fehlenden Teams und finde sie alle in einem Raum – in Weavers Laboren. Seufzend mache ich mich auf den Weg, meinen Haufen verlorene Welpen einzusammeln.

Als ich Siren schimpfen höre, tauche ich in einen Seitengang ab und sehe zu, wie sie mit ihrem Klemmbrett und zwei uniformierten Soldaten im Schlepptau Richtung Plenum rauscht. Ich warne Ricky stilecht mit einer Reihe Emojis: eine Meerjungfrau, ein Klemmbrett und ein wütendes Gesicht.
Meine These ist, dass Siren direkt die Sunhunter Zentrale anfunken wird, wenn sie mich nicht auf Anhieb findet. Hoffentlich bin ich schon meinen Job los, wenn ich wieder mit gebührend großem Auftritt im Vorlesungssaal erscheine.
Ich checke die Signaturen der Puppies nicht mehr, während ich Gänge hinunter jogge und Aufzüge in Richtung Labor nehme. Einer davon braucht besonders lange, was mich ein paar Mal auf den Knopf hämmern lässt.
Doch als sich die Türen öffnen, blinzelt mich ein Haufen über und über mit Farbe beschmierter Rekruten an. Unverkennbar Team Rot und Grün, die sich allem Anschein nach die Schlacht des Jahrhunderts geliefert haben.

Ertappt hören sie alle auf, sich gegenseitig zu beleidigen und starren mich stumm an.
Ich meine ganz hinten im Aufzug einen bekannten französichen Pferdeschwanz zu erspähen, aber das ist schwer zu sagen bei der Menge an farbverschmierten verschwitzten Menschen.
Obwohl es sehr eng ist in dem Aufzug, wagt es niemand, sich auf den Gang hinaus zu bewegen, als hätten sie Angst, dass ich sie hier und jetzt umbringe. Das grüne Team hat mich noch nie von Angesicht zu Angesicht gesehen, geht mir dann auf.
Ich deute nur mit dem Gehstock auffordernd den Gang hinunter.

„Ihr seht aus, als wärt ihr wirklich sehr unbegabte Malergesellen", grüße ich die Puppies, „Und zu spät auch noch. Wegen euch Luschen verpasse ich gerade meine eigene fristlose Kündigung."

Dann erst werfe ich einen Blick auf meine wild leuchtende Data Watch und stelle fest, dass ich gerade gleichzeitig drei Anrufe von der Generalin meines Vertrauens, meiner bösen Disney Stiefmutter und erschreckenderweise auch einer sicher fuchsteufelswilden Astrobiologin bekomme. Alles läuft genau nach Plan.

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