12 - Matthias Green

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Ich verschlafe um eine Stunde, weil ich meinen Wecker absichtlich zu spät gestellt und dann noch fünf Mal auf ‚Snooze' gedrückt habe.
Schreibe Siren im Halbschlaf per DataWatch, dass es ein Problem gibt und sie meine Rekruten doch bitte schon einmal ein paar Runden laufen lassen soll oder so, bis ich aufschlage.

Als ich letztendlich geduscht, mit Oktopus auf der Schulter, in Jogginghose und mit einem Teller Rühreisubstrat in der Hand auf dem Weg zu dem Raum bin, dessen Nummer mir Siren geschickt hat, um mich in aller Form bei den Rekruten vorzustellen, fällt mir ein, dass Grabsy einen Termin bei der Bordspezialistin für die Erforschung neuer Arten hat.

Mein Oktopus, der genau genommen gar kein Oktopus ist, hat anscheinend die Biologin, die ihn untersucht hat, nachdem man ihn im OP von meinem Armstumpf heruntergebastelt hatte, so begeistert, dass sie mich per DataWatch praktisch angefleht hat, babysitten zu dürfen.
In Anbetracht dessen, dass die Puppies sich wahrscheinlich viel zu leicht von dem wichtigen Unterrichtsstoff ablenken lassen, wenn ich meine leuchtende Diva dabeihabe, entscheide ich spontan, das Angebot anzunehmen und einen Abstecher in den Forschungstrakt des Kreuzers zu machen.
Jetzt ist es eh schon egal, wie viel zu spät ich genau bin.

Grabsy scheint die Biologin auch zu mögen, denn er wippt den ganzen Weg zum Forschungstrakt auf meiner Schulter auf und ab, was zunehmend nervt.
Eine weitere Tür schwingt auf, als ich meine DataWatch hebe und vor mir erstreckt sich der Koordinationsraum der Labore. Meine Sunhunter ID öffnet mir so ziemlich alle Türen, auch wenn sich Siren mit Sicherheit dafür ausgesprochen hat, meine Zugangsberechtigung zu begrenzen. Aus Liebe und nicht aus Misstrauen natürlich.
Hier untersuchen also die besten Wissenschaftler der Föderation unbekanntes Leben, das einem eben so begegnet, wenn man durch das All schippert, und arbeiten ganz nebenbei an unglaublichen Erfindungen, die man sich als Durchschnittsmensch noch nicht einmal vorstellen kann.
Nun ja, in der Realität sind die meisten hier arbeitenden Wissenschaftler gestresste lichtscheue Gestalten, die keine Stipendien für die richtig guten Unis bekommen haben und sich deswegen mit diesem zweitklassigen Kreuzer hier begnügen müssen, der im Übrigen eine Routineroute fliegt und damit das Risiko auf neue Lebensformen zu stoßen relativ gering hält.

Ich lehne mich an das Geländer uns starre hinunter auf die in gemäßigtem Tempo arbeitenden Naturwissenschaftsnerds.
Ein pummeliger rotblonder Mann, dem die Nase läuft, seziert irgendetwas Quietschgelbes, das ich mir nicht genauer ansehen will.
Eine männliche Blondine zieht ein unglaublich kompliziert aussehendes Gerät den Gang entlang, während eine asiatisch aussehende junge Frau mit runder Brille und ein hellhäutiger junger Mann, der sich gerade die Plastikhandschuhe von den Händen streift, sich neben einer vor ihnen über dem Tisch schwebenden Projektion unterhalten.
Wie es aussieht, zeigt diese die Anatomie einer Spinne. Einer für meinen Geschmack zu großen Spinne.

„Acht davon haben wir geladen", höre ich ihn sagen, „fressen alle genug und legen kein auffälliges Verhalten an den Tag. Sie scheinen den Stress alle gut überwunden zu haben. Berta hat allerdings ganz schön zugenommen."

Ich lehne mich über das Metallgitter und räuspere mich.
Meine sonnenscheinwarme Ausstrahlung ist angesichts der Spinnen und des quietschgelben Versuchsobjekts wohl nicht genug, um sämtliche Augen im Raum auf mich zu ziehen.
Ich bemühe mich, nicht beleidigt zu sein.

„Guten Morgen, Zukunft der Menschheit. Mein Name ist Hunter Matthias 'Symphony' Green. Ich suche nach Dr. Marianne Weaver-Kaltenbach", ich koste jede Silbe ihres Namens aus, während mein Blick durch den Raum schweift und nacheinander die Studenten fixiert. Sogar der Liebhaber der gelben Schalentiere sieht von seiner Arbeit auf und schiebt sich die Schutzbrille mit dem Ellenbogen auf den Kopf. Das muss wohl das Wissenschaftler Equivalent des Waffeholsterns sein.

SunhuntersWhere stories live. Discover now