18 - Matthias Green

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Als ich am nächsten Morgen zum Unterricht erscheine, mache ich mir nicht die Mühe, so auszusehen, als hätte ich Lust auf irgendeine Form der humanen Interaktion.

Die Puppies sind nervös, vielleicht, weil ich gestern von ihrer Generalin abgeführt wurde, vielleicht, weil ich sie in die Turnhalle gerufen habe, während ihre Kollegen in Vorlesungssälen vor sich hin schlafen, oder auch, weil ich die Einladung zum heutigen Zirkeltraining mit einem besonders flauschigen Katzen GIF garniert habe. Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie das inzwischen als schlechtes Omen deuten.

Ich stehe in Jogginghose auf dem grauen Linoleumboden mitten in dem riesigen Raum, habe eine Trillerpfeife um den Hals und einen sanft vor sich hin leuchtenden Oktopus auf der linken Schulter.
Neben meinem Fuß steht ein altmodischer zerkratzter CD Player mit einem Marienkäfer Aufkleber, auf der anderen Seite stapeln sich grell orangene Verkehrshütchen und im Arm halte ich einen Haufen schon von einer Unzahl Rekruten vollgeschwitzter Trikots.

„Morgen, Puppies", grüße ich die Herde.

„Guten Morgen, Mister Green", echot mein persönlicher kleiner Chor im Singsang einer fünften Klasse am ersten Schultag, wie ich es ihnen soeben eingetrichtert habe.

Siren will, dass ich ordentlichen Unterricht mache? Kann sie haben. Grundschulunterricht mache ich besonders gerne, während das Universum den Bach runtergeht und ein Zerstörer der VHN direkt auf uns zu hält.

„Mein eigentlicher Plan für heute hätte Notprotokolle in UniJets und weitere Flugstunden enthalten. Da euch Eure Administration aber lieber Feuerball spielen sehen will, als dass ihr selbst zu einem werdet - Willkommen in eurer versifften Turnhalle."

Der schlacksige Panic sieht am Boden zerstört aus. Er hat wohl trotz meiner Sportlehrer Aufmachung noch einen Funken Hoffnung gehegt, dass er heute wieder einen StarFighter fliegen darf.
Natürlich, denke ich, das Kerlchen hat Talent. Doch niemand will einen Piloten mit einem Drogenproblem – zumindest nicht im Föderationsgeschwader.

„Erinnert euch: Wer den Oktopus anfasst, stirbt einen qualvollen Tod", ich präsentiere das Baby Alien auf meiner Schulter.
Jemand hat die Nerven „Aw!" zu machen und ich fahre zu besagter Person herum, um ihr den Hals umzudrehen.

Es ist Clara, die sich verschreckt die Hand vor den Mund geschlagen hat, als könne sie selbst nicht begreifen, dass sie es gerade gewagt hatte, meinen Oktopus süß zu finden.
Ich tausche einen Blick mit Grabsy, doch anstatt empört zu sein, kringelt er geschmeichelt die Tentakeln. Okay, das reicht.
Mein Oktopus hat irgendwann in den letzten Tagen einen Crush auf die Französin mit den unterirdischen Flugkünsten entwickelt.

„Bekommen Sie ihre Aws unter Kontrolle, Paris", fordere ich mit hochgezogener Augenbraue, „oder Sie sind heute immer Fänger, wenn wir Versteinern spielen."

Ich lasse die Knochen knacken und grinse den Rest des Jet Teams breit an, um zu verdecken, dass ich mir trotz meiner Mitbringsel gerade erst überlege, was wir eigentlich machen.

„Ich werde euch heute Nahkampfnachhilfe geben. Gleichzeitig härte ich euch gegen audiovisuelle Folter ab, indem wir uns eine Compilation der Fernsehduelle diverser U.S. Präsidentschaftskandidaten aus dem 21. Jahrhundert ansehen. Falls ihr dagegen immun sein solltet, unterlege ich das Ganze mit deutschem Schlager. Und falls wir danach noch Zeit haben, helft ihr mir meine Wäsche zu falten, oder macht einen zweistündigen Dauerlauf, je nachdem, wie ich bis dahin drauf bin. Irgendwelche Fragen?"

Völlig baffe Stille ist mir Antwort genug. Der Oktopus boxt mich gegen den Rücken, um seinen Unmut kund zu tun. Ich werfe ihm einen scharfen Blick zu und forme stumm die Worte „Ich arbeite, du Doofschwabbel". Ich überlege, ihn einfach an eine der Sprossenwände zu hängen, lasse es dann aber bleiben.

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