61 - Clara de Flocon

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Der Suhunter zieht seine DataWatch über den Sensor der Tür und diesmal öffnet sie sich sogar, ohne dass wir dabei ins Schwitzen kommen. Im Gegensatz zu der Notbeleuchtung auf dem Gang ist es stockfinster zwischen den summenden Geräten, die dafür sorgen, dass wir nicht all unsere Tage damit verbringen, an der Decke abzuhängen.

Ich packe Matt am Knöchel und ziehe ihn nach unten, um zu vermeiden, dass er sich seinen Dickschädel an einer Leitung anschlägt. Das Einzige, was schlimmer ist, als mit einem Sunhunter in einem komplett lahmgelegten Schiff festzustecken und darauf zu warten, dass dieses geentert wird, ist, mit einem bewusstlosen Sunhunter in einem komplett lahmgelegten Schiff festzustecken und darauf zu warten, dass dieses geentert wird.

Die Lichtkegel unserer Stirnlampen huschen über tonnenschwere Gerätschaften, deren Sinn und Zweck ich beim besten Willen nicht verstehe. Schwerkraft künstlich zu erzeugen war weit bis ins 22. Jahrhundert hinein absolut unmöglich. Heute werden Gravitationsforschung und vor allem Angewandte Gravitationstechnik an jeder Universität angeboten, weil es für Kreuzer wie diesen essentiell ist, dass alle Füße der Besatzung am Boden bleiben. Diese Technik hat die Raumfahrt revolutioniert, vollkommen neue Dimensionen aufgetan und Milliarden Arbeitsplätze geschaffen. Doch gerade hat sie auch die gesamte Besatzung unfähig gemacht. In Schwerelosigkeit eine Waffe abfeuern? Nicht ideal, wenn der Rückstoß einen gegen die Wand schleudert und ohnmächtig schlägt.

„Was denkst du haben sie vor?", frage ich, während wir das Kontrollpanel ausfindig machen und ich mich per DataWatch damit verbinde. Meine Finger sehen blass wie die einer Wasserleiche aus, während ich mich an das Panel klammere, um nicht in Richtung der diesmal ziemlich hohen Decke davonzuschweben.

„Mich fangen. Außerdem bin ich mir sicher, dass Ravenna irgendetwas in die Luft jagen wird, sobald sie mich haben. Aus Spaß an der Freude. Einer der Gründe, wieso wir sie am besten gleich davon abhalten, an Bord zu kommen", der Sunhunter lässt die zwei Kontakte einrasten, auf die ich deute, aber nichts geschieht. Nicht gut.

„Gib mir mal den Schraubenzieher, den du vorhin geklaut hast."

Matt tut gar nicht erst so, als habe er nicht einen Schraubenzieher aus der Gesäßtasche des verschnupften Ingenieurs gezogen, um damit dessen Teddybär zu erstechen. Grund dafür ist die freundliche Aufforderung des Experten, doch bitte von den Schwerkraftflachwitzen abzusehen, weil der Rest des Teams sich dann nur schwer auf Katara konzentrieren kann, gewesen.

„Welchen brauchst du?", fragt er, zieht ein ganzes Etuie von Schraubenziehern aus seinem Klettergurt, lässt es aufrollen und hält mir zwanzig verschiedene Schraubenzieher unter die Nase. Teilweise kleben noch Teddybärfussel an den Enden. Ich mache mir nicht einmal mehr die Mühe, ihm zu sagen, dass er dringend erwachsen werden muss, sondern suche einfach das passende Werkzeug heraus. Nach einigen weiteren Minuten Geruckel, mehreren Neustarts und einem festen Faustschlag läuft das Panel wie geschmiert. Immerhin.

„Wie gut kennst du diese Söldner, die hinter dir her sind?"

„Zu gut", der Sunhunter dreht den Kopf und leuchtet in eine Ecke hinter einer der Maschinen, als hätte er ein verdächtiges Geräusch gehört. Doch wir sind alleine.

„Als Sunhunter arbeitest du immer sehr nahe mit der Unterwelt der Galaxie zusammen. Obdachlose, Kriminelle, Prostituierte ... wenn du auf der Suche nach Informationen zu einem hochrangigen Ziel bist, dann findest du die Spuren der Zielperson meistens an den Rändern der Gesellschaft."

„Verhörst du sie bevor oder nachdem du mit ihnen schläfst?"

„Ha ha", macht er schwach und nimmt den Schraubenzieher wieder entgegen, um ihn in sein Etuie einzusortieren. Wieder dreht er sich um, lässt das weiße Licht seiner Stirnlampe über die Ventile, Rohre und nun wieder vor sich hin blinkenden Kontrolllämpchen huschen.

SunhuntersWhere stories live. Discover now