11 - Matthias Green

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Grabsy und meine Wenigkeit bekommen endlich eine eigene Kajüte zugewiesen. Nach dem schier unglaublichen Feuerwerk rhetorischer Kunst, das ich heute an den Haufen Puppies verschwendet habe, habe ich mir das durchaus verdient. Es ist leider keine Kapitänssuite, aber im Vergleich zu allem, wo ich die letzten Monate geschlafen habe, ist das hier nicht nur eine fünf Sterne Suite, es ist der Himmel.

„Kerubim und Serafinen, wie schön euch wiederzusehen", rufe ich in den hotelzimmergroßen Raum hinein, „der Teufel hat meine Faust Zitate nicht lange ausgehalten, also bin ich wieder da, haha."

Halte meinem Oktopus die Faust hin, worauf er mit einer fluoreszierenden Tentakel dagegen boxt.
Klasse Team.
Nachdem wir uns den Himmel zurückerobert haben, kann uns nichts mehr aufhalten.

„Grabslbabsl, du hättest deinen Knicklichteffekt ruhig auf der Bühne auspacken können. Das hätte sie umgehauen!"

Zur Antwort lässt mein treuer Gefährte einen besonders hellen Lichtschimmer von seinem Kopf bis in seine Tentakeln zucken.
Gehe ins Bad und werfe dabei die Uniformjacke auf einen Sessel. Der Oktopus, der eigentlich gar kein Oktopus ist, rutscht formvollendet meinen Arm hinunter und kringelt ungeduldig die Tentakeln um mein Handgelenk.

„Ja, du hast natürlich recht, du bist auch ohne Leuchteffekt wunderschön, das weißt du doch sowieso", erwidere ich auf den anklagenden Blick, hänge aber leise ein „Diva", an.

„Ja, Diva, habe ich gesagt, Grabsy. Nur eine Diva will jeden Abend ein Schaumbad nehmen", führe ich den etwas einseitigen Dialog mit dem leuchtenden Babyalien fort, während ich das Wasser aufdrehe, die Temperatur prüfe und einen nach Rosen riechenden Badezusatz hineinkippe. Als das Waschbecken überquillt vor rosaner Seifenblasen lässt sich der Oktopus endlich von meinem Arm ins Wasser gleiten und seufzt glücklich, als er bis auf die großen Augen darin verschwindet.

„Nächstes Mal bekomme ich das Rosenbadesalz, capito?", bestimme ich noch, bevor ich zurück in den Hauptraum der Suite gehe und mich auf das Bett fallen lasse.
Mit einem Arm hinter dem Kopf starre ich in den Weltraum hinaus. Entweder hat man an Bord wirklich noch Respekt vor dem Geheimdienst, oder Siren ist endlich meinem Charme erlegen und hat mir eine wahnsinnig gute Aussicht besorgt. Vielleicht will sie die Sterne sehen, wenn sie morgens aufwacht und hat schon vorgeplant.

Grinsend erhebe ich mich wieder, um die Suite zu erkunden. Eine Wendeltreppe führt zu einer Minibar und Sofaecke hinauf, samt Hologrammprojektor für Kampfprojektionen und die wichtige Dinge, wie zum Beispiel Seifenopern und Pornos.
Ich öffne ein Dosenbier, weil ich heute offiziell keinen Dienst mehr habe – nicht, dass das einen großen Unterschied machen würde – und aktiviere den Projektor, um mir anzuschauen, was ich in den letzten Wochen auf Geheimmission im Dienste der Föderation so alles verpasst habe.

Auf der Krankenstation haben sie nur Aufzeichnungen gezeigt, schließlich gurken wir hier mitten im Nichts herum. Die Kanäle, auf die es ankommt, sind die Militärnachrichtenkanäle.
Und allen voran der SCI und CCI Kanal.
Ich tippe meine einundzwanzigstellige ID PIN ein, öffne den Kanal und finde mich in einer Nachrichtenflut aus allen Ecken der Galaxie wieder. Sie zeigen entweder fahlgesichtige Nachrichtensprecher der feindlichen Sender oder die kläglichen Überreste einer ehemals prunkvollen Weltraumstadt.
Wazekya.
Direkt an der Grenze zwischen den Territorien der Vereinten Humanoiden Nationen und der Andromeda Föderation. Alles schien zivilisiert zuzugehen, bis einer unserer Maulwürfe uns aus heiterem Himmel anruft, stammelt, dass die Stadt ins Visier geraten ist und ihre Vernichtung unmittelbar bevorsteht.

Was geschieht also in einer solchen Krise?
Das Föderationskommando schiebt Panik, geht die Optionen durch und ruft letztendlich notgedrungen den einen Mann in der Galaxis an, der es gewagt hat dem Rat der Föderation in einem offiziellen Treffen beide Mittelfinger zu zeigen und trotzdem noch im Amt ist, weil er seinen Job so gut macht: General Robert van Haven, General der Legion IV, Sunhunter no. 1, mein Chef.
Van Haven spielt dann russisches Roulette in seiner Villa im Kern der Galaxis und entscheidet mehr oder weniger nach Lust und Laune, welchen Sunhunter er auf das neue Himmelfahrtskommando und in den beinahe sicheren Tod schickt. Oder zumindest stelle ich mir das so vor. Letztendlich erhallte ich dann einen Anruf von meiner Koordinatorin Ava, die mir regelmäßig ausrichten lässt, dass ich wieder dran bin mit Weltretten.
Und so fliege ich dann in todgeweihte Städte und rette Politiker vor Atomraketen.
Für Ruhm, Ehre und die Föderation. Beziehungsweise für mein Ego, die Anerkennung der weiblichen Bevölkerung und meinen Oktopus.
Je nachdem, wie ich an dem Tag dann letztendlich drauf bin.

Und nachdem ich einen Arm verloren habe, fast in Stücke gerissen worden bin und bis auf den Politiker, der sich leider in seinem Büro aufgehängt hat, sobald die Raketen auf seinem Radar erschienen, alles, was Rang und Namen hat, aus der Weltraumstadt geborgen habe, wo lande ich da?
Auf einem Rekrutenkreuzer, der nach alten Socken riecht.
Ich liebe mein Leben.

Ich sitze also auf der Couch, trinke Dosenbier und sehe zu, wie fremde Menschen über die Projektion tanzen. Ausnahmslos alles dreht sich um Wazekya.
Als die Opferstatistiken auftauchen, verkrampfe ich mich. Obwohl man Hals über Kopf eine Evakuierung gestartet hat, haben es die meisten nicht aus der Stadt geschafft.
Ich habe die Politiker gerettet und auf ein besonders schnelles Interstellares Schiff namens Selene gebracht. Auch die Enkelkinder des Gouverneurs sind darunter gewesen. Aber wie viele kleine andere sind gestorben, als der Schild und die künstliche Atmosphäre der Weltraumstadt nach der fatalen Salve der VHN Flotte zusammengebrochen sind?

Ich fahre mir zerstreut durch die Haare und sage mir, dass niemand diese Stadt und ihre Bewohner noch vor dem Tod retten konnte. Nicht ich, nicht van Haven, nicht die Föderation oder irgendwelche Götter. Sie hätten schon vor Monaten alle näher an den Kern fliehen müssen.

Seit gut vierzig Jahren tobt der Krieg zwischen den Vereinten Humanoiden Nationen und der Andromeda Föderation nun bereits.
Früher - vor allem in euren geliebten Science Fiction Streifen - haben alle geglaubt, dass eines Tages Aliens aus dem Nichts zwischen den Sternen herabsteigen und die menschliche Rasse auslöschen werden.
Wie es aussieht, sind wir Menschen aber ganz gut darin, uns selbst auszulöschen.

Ich bringe mich auf den neusten Stand, zappe stundenlang durch den Militärfunk, bis mir die Augen brennen. Irgendwann gehe ich wieder nach unten, wo der Oktopus immer noch in seinem Waschbeckenschaumbad döst.
Er leuchtet inzwischen pink, was ein so absolutes Glücksgefühl ausdrückt, wie Menschen es hauptsächlich im Drogenrausch oder beim Orgasmus empfinden. Kein Scherz, das habe ich in einem Sachbuch gelesen.
Ich putze mir die Zähne also in der Dusche, weil ich ihn nicht auf seinem Seifenblasentrip stören will, trockne mich ab und lasse mich wieder auf das unfassbar weiche Bett fallen.
Es ist kurz nach ein Uhr nachts.

Als mir einfällt, dass ich für morgen theoretisch noch Unterricht vorbereiten muss, stöhne ich gequält in mein Kissen. Beschließe, das morgen irgendwann zwischen Frühstücken und Sport zu erledigen. Wenn ich mich ganz besonders dumm anstelle, feuern sie mich hoffentlich sofort wieder.
Ein teuflisches Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus, als sich diese spontane Idee zu einem Plan formt. Erwartet Jefferson, dass ich den Puppies Power Points bastle?
Da kann er lange warten.
Diese Idioten werden mich schneller feuern, als ich „Siren ist wirklich attraktiv" sagen kann.

Und so schlafe ich also immer noch mit diesem diabolischen Grinsen im Gesicht, das leider niemand bis auf meinen Oktopus sehen kann, ein.

~☀️~

SunhuntersWhere stories live. Discover now