4 - Matthias Green

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Der Verhörraum hat keine Fenster. Man könnte sich fast einbilden, dass man sich in einem Polizeirevier auf der Erde befindet. Nicht, dass ich je auf der Erde gewesen wäre, so reich und lebensmüde bin ich dann doch nicht. Ich wurde auf einem Kreuzer der Föderation geboren, der diesem hier bis in den hintersten Winkel gleicht. Mein Leben lang bin ich zwischen den Sternen herumgeflogen.

Ich habe die Füße auf den Metalltisch gelegt und drehe mit meinen neuen Fingern etwas ungelenk am weißen Ärmel des formlosen Anzugs herum, den sie mir hingelegt haben. Mal ehrlich, wofür trainiere ich mir täglich die Seele aus dem Leib, wenn a) die hübschen Vorgesetzten sofort wieder verschwinden und b) dieses Ding selbst mich wie einen Kartoffelsack aussehen lässt.
Vielleicht ist es gar nicht schlecht, dass sie mich nicht sieht.

Als hätte ich sie mit meinen Gedanken heraufbeschworen, betritt meine Traumfrau den Verhörraum, mustert mich kurz durch ihre Blue Gin Augen, legt die Akte mit dem Emblem der Föderation auf den Tisch und setzt sich.
Ich habe meine Füße vom Tisch genommen, mich zurückgelehnt und beginne jetzt mit einem strahlenden Grinsen zu kippeln.

Bitter prickelnd und kühl ruht ihr Blick auf mir.
Bin mir nicht sicher, ob mehr Interesse, Verachtung oder Genervtheit daraus spricht, während sie die langen Beine ausstreckt und mit spitzen Fingern die Akte vor sich öffnet. Selbst falsch herum finde ich mein Foto sehr attraktiv, auch wenn ich mich frage, wieso sie sich die Mühe gemacht haben, die Akte extra auszudrucken. Vielleicht hatten sie Angst, dass ich ihre hübsche Generalin mit ihrem eigenen Tablet k.o. schlagen würde, um zu türmen und meinen Oktopus zu suchen? Bitte, ich bin doch kein Barbar.

„Matthias 'Symphony' Green. Special Agent der Central Core Intelligence. Secret Force Officer der IV. Legion unter General Robert van Haven. Stationiert auf Rhea, aufgefunden in Wazekya", sie betont das letzte Wort übermäßig, um mir klar zu machen, dass ich mich um ein paar Lichtjährchen von meiner Position entfernt habe.
Unnötig, bitte, nicht einmal die unfähigsten Rekruten könnten sich um ein paar Lichtjahre verlaufen. Und ich bin ja wohl weder unfähig, noch ein Rekrut.

Grinse immer noch.
Würde mich im Blau ihrer Augen betrinken.
Ich bin so ein Poet.

„Ich bin General Taylor, hier im Auftrag der Föderation", stellt sie sich knapp vor, beugt sich vor und verschränkt die Finger ausgerechnet über meinem hübschen Bild in der Akte, „Was zur Hölle haben Sie im Kriegsgebiet verloren gehabt?!"

Blinzle träge, grinse immer noch und hebe gezwungenermaßen den Blick von meinem eigenen Gesicht zu ihrem.

„Urlaub."

„Urlaub?", echot die Generalin, ohne die Miene zu verziehen, „Machen Sunhunter Urlaub in totgeweihten Städten?"

„Wir sind doch für unsere Dekadenz bekannt, dachte ich."

Sie ist wie ein Eisblock, völlig unempfänglich für meinen Charme.
Noch zumindest. Schicke noch mehr geistige Sonnenstrahlen in ihre Richtung.
Schmilz, Eisprinzessin, schmilz.

„Green, Sie täten gut daran, zu kooperieren. Im Moment durchsuchen unsere Techniker ihre DataWatch und sämtliche Video Aufnahmen, die ihre Signatur in den letzten Monaten berührt hat."

Kipple noch enthusiastischer. Das wird ein Spaß. Es heißt, Techniker der VHN seien schon verrückt geworden dabei, Sunhunter DataWatches zu entschlüsseln. Die dafür notwendigen Codes und Systeme sind strenger bewacht, als so manches pikantes Staatsgeheimnis. Außerdem habe ich meine Watch irgendwo verloren, während ich mit einem Arm den Raumanzug angezogen habe. Es ist absolut unmöglich, mich mithilfe dieser Daten für irgendetwas dranzukriegen oder gar herauszufinden, was ich in Wazekya genau getan habe.

„Viel Spaß dabei, General. Ihre Techniker sollten eine Gehaltserhöhung bekommen, wenn sie es schaffen in Moleküle zerfetzte Datenchips zu rekonstruieren."

Sie lehnt sich vor.

„Green, sie sind in ernsthaften Schwierigkeiten."

„Ach? Das ist ja mal etwas Neues. Darf ich kurz meine Oma anrufen und ihr davon erzählen?"

„Sie kooperieren nicht?"

„Offensichtlich nicht. Außer natürlich, sie sagen bitte und schenken mir ein Lächeln."

General Taylor reagiert nicht.
Wahrscheinlich zoffen sich die beiden Psychologen, die hinter der für mich undurchsichtigen Glasscheibe gegenüber stehen und qualifizierte Unterstützung liefern sollen, gerade.
Ich finde Psychologen witzig.
Zugegeben, ich ärgere sie vor allem gerne.

Anscheinend hört Siren auf keinen der beiden und kürzt das Ganze ab:
„Sie waren der einzige hochrangige Föderationsoffizier in der Stadt. Sie sind verpflichtet dazu, mir Auskunft zu geben und ich werde sie nicht gehen lassen, bevor sie mir sagen, was dieses Chaos zu bedeuten hat."

„Das nennen Sie Chaos? Das ist ein ganz normaler Mittwoch."

„Eine ganze Stadt ist pulverisiert worden, Symphony. Sie sind der einzige Lebende, den wir an Bord haben und der Militärfunk schweigt beharrlich zu der Situation. Testen sie meine Geduld ruhig, ich habe alle Zeit der Welt."

„Ah, sehen Sie, General", ich beuge mich seufzend vor, „Da liegen Sie falsch. Ich bin hier in ... circa fünf Minuten wieder draußen. Schade, finden Sie nicht? Dann dürfen Sie mich nämlich rein rechtlich nicht mehr so in die Ecke drängen."

Sie blinzelt. Versucht durch den Psychologenkrieg in ihrem Ohr hindurch klar zu denken, aber das wäre nicht unbedingt gut für mich, deshalb mache ich einen Kopfsprung in das Chaos:
„Ist das System nicht dankbar für edle Ritter wie mich? Die sich mitten in den Kampf werfen, ohne auch nur eine Sekunde Angst zu bekommen? Ohne Furcht und Tadel? Mit nur einem Arm und einem Oktopus?"

Sie blinzelt noch einmal, setzt zum Sprechen an, als die Tür auffliegt. Es ist ein großer Mann in Uniform, der augenscheinlich gerade von der Brücke kommt. Eigentlich eine Unverschämtheit, dass der Kapitän dieser Blechbüchse nicht selbst vorbeischaut, um mir die Hand zu schütteln, aber immerhin.
Grinsend lehne ich mich so weit zurück, dass ich fast umkippe.

„Die ICC erteilt ihm Freigabe. Ich soll einen schönen Gruß von General van Haven ausrichten, Sunhunter. Er schickt ihnen Blumen. Sagt, das haben sie sich verdient", gibt der Neuankömmling befremdet weiter.

Ich nicke erhaben. Siren ist fassungslos. Der Bote verschwindet wieder und schließt die Tür so vorsichtig hinter sich, als hätte er Angst, dass sie ihre kaum unterdrückte Wut darüber, so im Dunklen gelassen zu werden, ansonsten an ihm auslässt. Sie schlägt die Akte wieder zu, augenscheinlich frustriert.
Ich beuge mich vor, verschränke meine Hände auf der Tischplatte, genau wie die Generalin es zuvor getan hat, und höre sogar auf, zu kippeln, als sie meinen Blick trifft.

„Alexandra, nicht wahr? Danke, dass Sie mir das Leben gerettet haben heute. Wollen Sie vielleicht einen Kaffee mit mir trinken gehen?"

~☀️~

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