71 - Clara de Flocon

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Matts Watch leuchtet grün auf. Ravenna dreht den Kopf, um in das schlafende Frauengesicht aus grünem Licht zu sehen, das plötzlich hinter ihr in der Luft hängt. Als sie sich umdreht, schlägt Katara gerade die Augen auf.

„Hallo, Clara", dröhnt eine volle Frauenstimme ohrenbetäubend laut durch den Hangar, „Das Wetter in New Paris, morgen: leicht bewölkt, Westwind ..."

„Was zur ...?"

Es knallt laut und die Rampe ist wieder offen. Der schwere Eisenhaken eines Krans, der hoch über uns von der Decke gebaumelt ist und nach seiner Größe zu schätzen einen ganzen UniJet durch die Gegend hieven kann, hat das halbgeschlossene Raumschiff aufgebrochen wie eine Getränkedose. Das geschieht so schnell, dass Noyemi, die als einzige noch vor dem Schiff steht, zu Boden geworfen wird. Ihre Waffe schlittert davon, ich hechte hinterher und dann renne ich, was das Zeug hält.

„Katara, öffne die K1-Tore", brülle ich in den riesigen Hangar, während ich die Waffe sichere, um mir nicht selbst in den Fuß zu schießen. Das würde meinem schönen Plan, den ich ausgeheckt habe, während Noyemi mich durch die Gegend geschleift hat, eine Delle verpassen.

Sämtliche Türen, die vom Hangar weiter in den Kreuzer hinein führen, öffnen sich ächzend. Ich klettere über das Cockpit des Raumschiffs nach oben, benutze die Dellen im Metall als Fuß- und Handgriffe, während Garcias Piraten wieder mit donnernden Stiefeln und derben Flüchen hinaus in den Hangar strömen. Kataras Gesicht wird immer größer, verdeckt nun beinahe die gesamte Wand und damit auch die Türen, die ich gerade geöffnet habe.

Bevor Noyemi sich bewegen kann, öffnet sich die Schleuse am anderen Ende der Galerie. Die Söldnerin hat inzwischen zwar eine weitere Pistole gehoben und zielt auf mich, doch als eine giftige Riesenschildkröte mitten durch Kataras projeziertes Gesicht springt, mit voller Wucht gegen sie knallt und sie von den Füßen holt, ist sie wohl zu baff, um überhaupt zu schießen.

Ich knacke Garcias Jet mithilfe eines tonnenschweren Greifarms, den Katara mir mit spielender Leichtigkeit von der Decke herunterlässt, während die Söldnerin schreiend versucht, den giftigen Schnabel der Schildkröte abzublocken. Die Piraten, die durch das Loch in der Decke des SpaceJets auftauchen, schauen sehr dumm, als ich zu ihnen in das Innere des Piratenschiffs springe, den nicht mehr festgeketteten Sunhunter packe und rückwärts mit mir in das unbesetzte Cockpit reiße. Zwischen den Piraten und uns fährt eine Metallwand mit einem Guckloch hoch, als ich an Matts Kopf vorbei auf das Amaturenbrett eindresche. Er löst seinen verletzten Rücken ächzend vom Pilotensitz.

„Hi", grüße ich den Sunhunter, der ungefähr so verstört aussieht, wie die Piraten, die nun gegen die Abgrenzung schlagen. Matt hat neulich nebenbei fallen gelassen, dass Grabsy mit ‚Berta' gespielt hat. Matts Signatur hat im Umkehrschluss aus unerfindlichen Gründen immer noch Zugang zu den Terrarien, die seit der Paintball Aktion nach hier unten ausgelagert wurden. Also habe ich Matts Watch gestohlen, mit Katara verbunden und losgelegt. Berta, ihres Zeichens übergewichtige Riesenspinne unter Weavers Aufsicht, rettet uns gerade zusammen mit ihren Schwestern und Booths Schildkröten den Hintern.

„Was zur Hö ...", sein Blick fällt hinaus in den Hangar, „MacClara, du bist ein verdammtes Genie!" das Kompliment endet in einem „Ah!", als eine riesige Spinne mit grünem Pelz auf uns zu springt und sich direkt auf das Cockpit klebt. Matt und ich krallen uns schreiend aneinander, während das Alien uns seinen giftgrünen Schlund und drei Reihen spitzer Zähne präsentiert.

„Die Spinnen auch?", schreit der Sunhunter, „Wieso auch die Spinnen?"

„... nachmittags Sonnenschein bei Temperaturen von 12 bis 15° Celsius."

Ein Schuss knallt durch die Luft und der Körper des riesigen achtarmigen Aliens erschlafft. Spinnensabber und etwas in der Farbe von Frostschutzmittel rinnen an der Scheibe herunter, während der massive Körper zur Seite sackt. Durch das verschmierte Glas können wir nur erahnen, was draußen passiert, aber in Anbetracht der Projektile, die immer wieder von Garcias SpaceJet abprallen ist es wohl ratsamer, für den Moment die Füße still zu halten.

Dann gibt es eine gewaltige Explosion. Von einem Moment auf den anderen sind wir in der Luft, das Schiff kippt, kracht mit ohrenbetäubendem Getöse auf die Seite. Ich stoße mir den Kopf an, die Welt dreht sich einen Moment und Feuer wäscht über das Cockpit hinweg. Meine Ohren klingeln schmerzhaft und für eine volle Minute bin ich vollkommen desorientiert. Der Jet liegt nun auf der Seite, was heißt, dass Matt und ich kopfüber in unseren Sitzen hängen, nur gehalten von den Gurten.

„Bist du okay?", frage ich den Sunhunter, höre meine eigene Stimme kaum. Ich verstehe ihn sehr schlecht, aber ich könnte wetten, dass er „Vielleicht hilft da ja ein bisschen Lametta", sagt.

Als das Klingeln in meinen Ohren nachlässt, sind die Docks still geworden. Wir versuchen, die Kuppel zu öffnen und zu unserer Überraschung tut sich tatsächlich etwas. Doch die Aussicht, die sich nun bietet, ist nicht unbedingt aufmunternd. Das schmutzige Glas klappt zur Seite weg und wir sehen uns Elias Garcia gegenüber, der nicht amüsiert darüber scheint, dass wir sein Schiff kaputt gemacht haben und seine Waffe direkt zwischen Matts Augen gerichtet hat. Um ihn her liegen leise vor sich hin kokelnde Alienkadawer auf dem Boden. Auch Babydoll wirkt ein wenig angekokelt, doch das macht ihn nur noch furchteinflößender.

„Game over", sagt er und mein Herz setzt einen Schlag aus.

„Elias, heeey", macht der Sunhunter noch einmal beschwichtigend, „Wir können doch über alles reden."

Der Pirat senkt seinen Finger auf den Abzug und der Sunhunter verstummt. Ich höre, wie er neben mir schluckt. Doch bei all seiner Überheblichkeit macht Garcia einen Fehler: er sieht nicht über die Schulter.
Die Silhouette einer Frau in einem von blauen TecLines durchzogenen Anzug taucht hinter ihm aus dem Rauch auf. Kopfüber ist die Szene gleich noch verwirrender, aber das heißt nicht, dass sie mir nicht gefällt. Siren packt den Piraten gnadenlos am Kragen, entwaffnet ihn mit unverschämter Leichtigkeit, donnert ihn gegen die Wand und funkelt ihn an.

„Nicht auf meinem Schiff", faucht die Generalin, „Auf die Knie und Hände hinter den Kopf."

Als er nach ihr schlägt, macht sie kurzen Prozess. Sekunden später liegt der Söldner zu Füßen der Generalin auf dem Boden und stöhnt. Neben mir pfeift der Sunhunter durch die Zähne.

„Gut, dass sie mich nicht Schlagen darf", ächzt er, trotz seiner Verletzungen. Das Adrenalin muss ihn wohl noch genug über Wasser halten, dass er Witze reißen kann.

„Glauben Sie nicht, ich wäre nicht in Versuchung gekommen, Symphony", gibt Siren zurück, während sie Garcia Handschellen anlegt, „Sie verdammter Verrückter!"

„Ach", stöhnt Matt, dem inzwischen deutlich zu viel Blut in den Kopf gelaufen ist, „Alles halb so wild."

Der Sunhunter hält mir die Faust hin und ich schlage meine dagegen.

~☀️~

SunhuntersWhere stories live. Discover now