19 - Clara de Flocon

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Es ist finster und ruhig, als ich die Augen aufschlage. Ich starre einen Moment den Lattenrost des Betts über mir an, während sich mein Bewusstsein aus dem Schlaf schält. Wegen der Bauchkrämpfe, die mich seit gestern plagen und durch das gnadenlose Trainingsprogramm des Sunhunters mit einem wahnsinnigen Muskelkater kollidieren, liege ich bald stöhnend in Embryonalhaltung auf meiner durchgelegenen Matratze.

Roach schnarcht so laut, dass ich sie bis hier hören kann, obwohl sie auf der gegenüberliegenden Seite des Raums schläft.
Über mir bewegt sich Angel und die gesamte klapprige Konstruktion unseres Hochbetts ächzt gequält auf, als sie achtlos ihren Arm über die Kante hängen lässt.
Die ganze Welt scheint seelig zu schlafen, während die Schmerzen sich in meinen Unterleib krallen.

Auf dem Weg zu den Waschräumen spüre ich die Workouts, durch die uns der Sunhunter heute gejagt hat, in jedem einzelnen Muskel nachklingen. Meine Oberschenkel brennen so sehr, dass ich mich auf den Toilettensitz setzen muss und nicht wie sonst darüber in der Schwebe bleiben kann, um die ein oder andere Bakterienkolonie zu vermeiden.
Doch als ich zurück in den Schlafsaal will, hat Roach aufgehört zu schnarchen, was bereits genug ist, um mich alarmiert innehalten zu lassen.

Von der Tür aus sehe ich sie vor meiner Koje stehen, augenscheinlich verwirrt darüber, dass sie mich nicht unsanft aus dem Schlaf reißen kann, indem sie mir eine reinhaut. Seit der Geschichte mit Louis hat es Roach noch mehr auf mich abgesehen, als normalerweise.
Stöhnend suche ich das Weite, immer noch mit meinem inzwischen kalten Wärmekissen unter dem Arm.
Im Gehen binde ich mir die Haare nachlässig zurück und fröstle in meinem weißen T-shirt, aber alles ist besser, als sich mit Regelschmerzen Louis Freundin zu stellen.

Ich tapse barfuß in meinen Turnschuhen durch die wie immer kühl und hell erleuchteten Flure bis zur Kantine hinüber.
Zwei Idioten aus dem blauen Jet Team rufen mir anzügliche Sprüche nach, verschwinden aber schnell wieder. Ich durchquere den totenstillen Raum voller langer Tische und erreiche die Küchentür, glücklicherweise ohne einer weiteren Seele zu begegnen.
Als ich die Tür hinter mir schließe, geht das Licht an, noch bevor ich den Schalter gedrückt habe. Ich zucke zurück, fluche auf und erkenne im gleichen Augenblick den letzten Menschen, den ich gerade sehen will.

„Was treibt Sie mitten in der Nacht in die Küche, holde Maid?", fragt der Sunhunter, der im Schneidersitz auf der Anrichte sitzt, „Gedenken Sie etwa, mein Rührei zu stehlen?"

Als sich mein Schock wieder gelegt hat, schließe ich die Augen und massiere mir unter dem feixenden Blick meines verrückten Dozenten gequält die Schläfen. Um ihn so glücklich zu machen, muss ich wohl wirklich sehr fertig aussehen.
Ich verschränke die Arme vor der Brust, zum Teil, weil mir kalt ist, zum Teil, weil ich keinen BH trage.

„Wieso treffe ich dich immer gegen", ich sehe auf die Küchenuhr, die an der Wand über seinem Kopf hängt, „halb vier Uhr morgens in der Küche?"

Der Sunhunter pflückt ein paar Blätter welke Petersilie von einem herumstehenden Büschel ab, zerreißt sie in aller Seelenruhe und verteilt sie über seinem Rührei.

„Mein natürliches Habitat. Ich mag Küchen und Küchen mögen mich. Außerdem habe ich morgen für 5:00 eine Vorlesung angesetzt, falls es dir noch nicht aufgefallen ist. Da kann ich auch gleich durchmachen. Was treibt dich hierher?"

Dumme Fragen verdienen wohl dumme Antworten, denke ich.

„Ich habe einen unwahrscheinlichen Muskelkater dank des Zirkeltrainings", gebe ich zu.

Hunter Matthias Green grinst dümmlich.

„Freut mich, freut mich."

„Das war kein Kompliment an deinen Unterrichtsstil", ich inspiziere das Rührei.

SunhuntersWhere stories live. Discover now